Okay. Wir würdest du diese Vorgänge treffend bezeichnen?
Hier warte ich noch auf eine Antwort.
Als eben das, was sie waren.
Ein Krieg um sich Kolonien anzueignen und das Stellen von Forderungen auf Grund der möglichen Interpretation eines zugrunde liegenden Vertrags.
Wenn irgendjemand Dinge einfordert, die ihm auf Grund eines bestehenden, rechtsgültigen Vertrags möglicherweise zustehen könnten, hat das nichts mit einem "orientalischen Basar" zu tun.
Man kann ja gerne der Meinung sein, dass eine solche Lesart des betreffenden Vertrags unzulässig sei und daher die Forderungen des Fordernden gegenstandslos.
Das ist letztendlich genau so eine persönliche Position, wie diejenige des Fordernden und dann müssten entsprechende Gutachten und der Schiedsspruch einer damit zu betrauenden Instanz her um das zu entscheiden.
Das Geltendmachen möglicher Ansprüche einer Partei, auch wenn man vielleicht anderer Meinung ist und das nicht der eigenen Lesart entspricht, einfach mal als "orientalischen Basar" abzuqualifizieren, und deren Ignoranz einfach mal für richtig zu befinden, geht nicht an.
Und da du mir an dieser Stelle wieder vorwerfen wirst, dass ich angeblich italienischer, als die Italiener sei, lautet die Antwort "nein, bin ich durchaus nicht."
Ich sehe nur, dass der entsprechende Vertrag durchaus Interpretationsmöglichkeiten offen lässt, nach denen die italienische Seite hier wenigstens teilweise im Recht gewesen sein könnte und dass das näher zu prüfen gewesen wäre, statt es einfach mal bei Seite zu wischen.
Und auch, wenn ich mich persönlich nicht unbedingt für "woke" halte, wie das im neudeutschen Sprachgebrauch wohl neuerlich genannt wird, möchte ich sagen, dass ich mit dem "orientalischen Basar" noch ganz andere Probleme habe.
Einfach weil du damit Handlungsweisen, die du als amoralisch betrachtest (sofern wir hier über "Länder- /Seelenschacher" und wilkürliches Verschieben von Grenzen über die Köpfe der Bevölkerung hinweg reden, kann ich dir Versichern, dass ich bei dieser Einschätzung ganz bei dir bin), mit "orientalisch" gleichsetzt.
Als wäre solches Gebaren in der europäischen Geschichte etwas vollkommen neues und unerhörtes und eine Vorgehensweise, die sich sonst nur im "Orient" (wo immer der auch beginnt/endet) zu finden wäre.
Das ist einfach unsachlich.
Wenn ich mir etwa die europäische "Basar-Mentalität" in diversen Kolonialfragen so ansehe, ist diese Zuschreibung letztendlich eine um so unsachlichere.
Auch wenn ich dir nicht unterstelle, dass du in dieser Hinsicht über das Lautmalerische hinaus irgendwelche Absichten hattest derlei zu postulieren.
Mit dem "Raubkrieg" hätte ich persönlich kein Problem, (das Motiv des Raubes ist i.d.R. mit Krieg verbunden, somit ist die Formulierung fast schon tautologisch) wenn du ihn denn als Begriff wenigstens konsequent anwenden würdest.
Bei dir findet der Begriff "Raubkrieg" allerdings immer nur dann Anwendung, wenn es sich um die italienischen Angelegenheiten handelt.
Ebenso wie dein Herumreiten auf dem Bismarckwort, nachdem der Dreibund keine "Erwerbsgemeinschaft" gewesen sei, stets nur dann Anwendung findet, wenn es sich um italienische Aktionen handelt.
Was das Letztere betrifft, warum, wenn Erwerb als Zielsetzung so vollkommen ausgeschlossen war und der Dreibund als Operationsgrundlage dafür nicht verwendet werden durfte, hatten Österreich- und Italien noch gleich den Kompensationsartikel des Dreibundvertrags ausgehandelt, der den Modus für den expliziten Fall von Erwerbungen regelte?
Der Dreibundvertrag verbot kein Streben nach territorialen Erwerbungen, im Gegenteil, er setzte mit den österreichisch-italienischen Kompensationsabkommen sogar einen Rahmen für das Verfahren der Aufteilung potentieller Beute.
Das zum Thema "keine Erwerbsgemeinschaft".
"Raubkrieg", wie gesagt, darunter wären, wenn man mit dem Begriff fair umgeht alle kriegerischen Aktionen zu bezeichnen, die darauf hinauslaufen einem anderen Akteur etwas mit Gewalt zu entreißen (was der definition eines "Raubes" entsprechen würde) und zwar unabhängig davon, ob dieser Raub zum eigenen Vorteil oder zum Vorteil eines Dritten ausgeführt wird.
In diesem Sinne war der Deutsch-Französische Krieg nichts anderes als ein "Raubkrieg", weil das Ergebniss war, dass Frannkreich zur Abtretung von Territorien gezwungen wurde, die ihm entsprechend der internationalen Auffassung zugestanden hatten, was vor 1870 auch von den deutschen Staaten nicht bestritten worden war.
In diesem Sinne war auch der Krieg, den Wien 1914 Serbien erklärte ein Raubkrieg, denn man peilte ja durchaus an, Serbien der mazedonischen Gebiete zu berauben, auch wenn man diese nicht für sich selbst wollte, sondern gedachte sie Bulgarien zuzuschanzen und Sofia damit stärker auf die eigene Politik zu verpflichten.
In diesen beiden Fällen oder auch in anderen, ist bei dir aber nirgends von "Raubkrieg" die Rede, obwohl der Begriff hier nicht weniger angemessen gewesen wäre.
Und da ist dann einfach ein gewisses Gefälle drin, dass bei dir darauf hinaus läuft die italienischen Aktionen, die gewiss kein Ruhmesblatt waren, verächtlich zu machen, bei den Aktionen anderer aber darüber hinweg zu sehen.
Das führt zu einer schiefen Bewertung und auch zu einer gewissen rhetorischen Schräglage, mit der ich nicht einverstanden bin.
Entweder man wendet den Begriff "Raubkrieg" konsequent auf jeden Krieg an, der darauf abzielt irgendeinen Akteur irgendwelcher Rechte, Territorien, sonstiger Werte etc. zu berauben, oder man unterlässt diese Zuschreibung ganz.
Sie aber auf einzelne Akteure zu beschränken um deren Aktionen, die was den Tatbestand des Raubes an und für sich betrifft, von Anderen nicht so sehr abweichen, um diese als besonders verwerflich zu framen passt mir ehrlich gesagt nicht.