Warum haben die Deutschen 1939 gehorcht? Man tat, was die Regierung verordnet. Das ist auch heute noch so. Gerade hier in Deutschland.
Du möchtest jetzt aber bitte nicht die nationalozialistische Diktatur mit ihren sehr begrenzten Möglichkeiten Kritik zu äußern und politische Bewegungen zu organisieren, die sich gegen die Absichten der Regierungen richteten mit den Verhältnissen Italiens unter Giolitti und Slanadra vergleichen?
Wenn du Ausführungen, die sicher auf Erkenntnissen basieren,
...... sind sie wertlos.
Brauchbar sind sie, wenn sie nachweislich auf Erkenntnissen basieren und diese Erkenntnisse auch transparent sind.
Ich habe dir auseinandergesetzt, warum ich es für ziemlich unmöglich halte hier eine tatsächliche aussagekräftige Studie zu erstellen, was den Spiegel der Mehrheitsmeinung anbetrifft.
Du kannst den Umstand dass an die 40% der erwachsenen Italiener überhaupt nicht imstande waren uns schriftliche Zeugnisse zu hinterlassen, die man auswerten könnte doch nicht einfach ignorieren.
Das ist eine viel zu große Zahl an Unbekannten, um wirklich seriös Mehrheitsmeinungen herausstellen zu können.
Ich erinnere da einfach mal an die Diskussion um die deutsche Kriegsbegeisterung 1914, die ja doch zu sehr kontroversen Ergebnissen und Thesen geführt hat.
Was da heraus kam war alles andere als eindeutig, basiert wegen der nahezu vollständigen Alphabetisierung der Bevölkerung aber auf einer wesentlich besseren Quellenlage, bei der nicht 40% nahezu unbekannt sind.
Wenn du darüber eine vernünftige Diskussion wünschst, erkläre mir doch einfach mal, warum du der Meinung bist, dass sich trotz der wesentlich schlechteren Quellenlage hier deutlich verlässlichere Ergebnisse herausfiltern lassen als in Deutschland und erkläre mir bitte, wie du meinst, dass dem Umstand, dass von 40% der Bevölkerung nunmal keine Dokumente überliefert sind, die Meinungsäußerungen enthalten, abhilfe geschaffen werden könnte.
Ich würde das von dir methodisch einfach gerne mal erklärt bekommen.
Weitere Mutmaßungen dazu aufzutischen, gleich wer sie angestellt hat, hilft dahingehend nicht weiter.
ch nenne dir noch eine Quelle, wirst du wohl wahrscheinlich ebenfalls nicht akzeptieren. Livio Vanzetto urteilt in einem Aufsatz über die "contadini" (Anmerkung von mir. Bauern) des Veneto: "Die Bauern gingen und kämpften zwar ungerne, aber immerhin, sie gingen und kämpften."
Och, dass die Contadini des Veneto von diesem Krieg alles andere als begeistert waren, dass glaube ich sofort.
Wer will schon einen Krieg im eigenen Vorgarten und Haus und Hof in der potentiellen Reichweite feindlicher Artillier liegen sehen?
Und über die Aussicht demnächst von Verwandten, die vielleicht ein paar Dörfer weiter im Trentino oder am Isomnzo lebten demnächst durch Stacheldraht und Schützengräben getrennt zu sein, war wohl auch niemand schaft, genau so wenig, wie Familien mit österreichisch-italienischen Mischehen und gemeinsamen Kindern scharf darauf sein konnten, dass ihnen die Politik und der Krieg die Familie innerlich zerreist.
In dem Sinne glaube ich gerne, dass die "Contadini" des Veneto keinen Krieg, so zusagen "in vicino" haben wollten.
Nur das sind dann vor allem auch die Spezialprobleme einer Grenzregion, die in anderen Teilen Italiens eine weit geringere Rolle gespielt haben werden.
Die contadini waren eine unorganisierte Masse armer Teufel, die sich einer hochentwickelten militärischen Repressionsmaschine ausgesetzt sahen. Von ihnen zu diesem Zeitpunkt Widerstand zu erwarten, war unrealistisch.
Die Sozialisten hatten die Organisation, aber sie machten es wie alles Sozialisten Europas: Sie waren gegen den Krieg und trugen ihn trotzdem mit.
Das die Contadini nicht der logische Kristallisationspunkt einer Anti-Kriegs-Bewegung sein konnten ist richtig, aber das "rote Mailand" und die sozialistischen Verbindungen hätten das sehr wohl sein können und dem konnten sich die Bauern durchaus anschließen.
Und nein, die italienischen Sozialisten haben es nicht gemacht, wie alles Sozialisten Europas.
Die Sozialisten des übrigen Europas haben einen Krieg mitgetragen, den sie im Kern für einen notwendigen Verteidigungskrieg hielten, mit mal größerem, mal weniger größerem Recht und auch wenn sie ihre Rolle später bereuten.
Das lässt sich von Italie nicht sagen.
Die italienischen Sozialisten waren die einzigen Sozialisten Europas, die sich für einen dezidierten Angriffskrieg mit Eroberungszielen hergaben.
Giolitti hatte 1915 die Gretchenfrage gestellt, ob es sich lohne 500.000 Männer zu opfern, um ungefähr die gleiche Anzahl zu "befreien". Giolitti hatte das Parlament hinter sich und hätte Salandra stürzen und den Krieg verhindern können. Er tat es nicht, wie wir wissen, aber du erwartest Widerstand von den einfachen Menschen.
Konnte Giolitti das?
Ich bin nicht sattelfest, was die italienische Verfassung damals angeht, aber letztendlich war es eine konstitutionelle Monarchie mit vom König ernannten Ministerpräsidenten bis einschließlich Mussolini.
Welche Handhabe hatte Giolitti den König dazu zu zwingen Salandra abzuberufen?
Habe ich gerade nicht so unbedingt präsent.
Mach aber auch nichts. wenn der die Möglichkeit hatte, glaubte, dass er Krieg so verhindert werden musste und er das Parlament hinter sich wusste, wäre die Frage zu stellen, warum er den Schritt nicht tat?
Mag es möglicherweise daran gelegen haben, dass er bezweifelte Rückhalt für diesen Schritt in der Bevölkerung zu finden?
Oder möchtest du mir jetzt auch erzählen, dass Giolitti eben gehorchte, weil man das halt so macht, wenn jemand von einem etwas verlangt, dass man für unzumutbar hält?