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Als „Bürger“ bezeichnete man ab 1850 ähnlich wie „bourgeoisie“ im Französischen oder „middle classes“ im Englischen jene Bevölkerungsschicht in Deutschland, die zu den wirtschaftlich und sozial besser Gestellten zählte.
[2] Seinen Aufstieg verdankte das Bürgertum im 19. Jahrhundert ganz wesentlich der
Industrialisierung.
ìSo gehörten eine Reihe von Berufs- und Erwerbsklassen aus unterschiedlichen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen zu dem Stand der Bürger: Selbstständige in Handwerk und Gewerbe, Unternehmer in Industrie und Handel, Ärzte, Rechtsanwälte oder Künstler, höhere Beamte und leitende Angestellte waren typische Vertreter. 1888 und 1910 stellten diese sozialen Gruppen rund 16% aller Erwerbstätigen.
[3] Das bedeutete, dass somit Menschen mit ungleichem Bildungsniveau und unterschiedlicher kultureller Orientierung sowie Anhänger verschiedener politischer Richtungen zusammengefasst waren.
Kriterium des „klassischen Bürgers“ war die ökonomische Selbständigkeit bzw. eine spezifische „Fachgeschultheit“, ein Privileg aufgrund von Besitz und Bildung.
[4] Ein bürgerlicher Beruf, ein bestimmtes Einkommen und Vermögen, der damit gesicherte Wohlstand und die Distanzierung von schwerer körperlicher Arbeit genügten im 19. wie 20. Jahrhundert manchmal nicht, um sich zum Bürgertum zählen zu können. Sie waren häufig nur die Grundvoraussetzungen; erst die Übernahme von Mentalitäten und Lebensweisen machten den Bürger „bürgerlich“: Angefangen von einer ähnlichen Art der Lebensführung im Wohnen, in der Kleidung und im Essen zeigte dieser Konsens der Lebenseinstellungen auch Auswirkungen auf Konsum und Freizeitgestaltung.
[5] Der Bürger teilte meistens ein gleiches Wertesystem, das beispielsweise beruflichen Pflichten, Leistung, Fleiß und Einsatz einen hohen Stellenwert einräumte. Gleichzeitig lehnte man Zwänge ab, nahm sich Zeit und Muße, um sich der Kunst, der Bildung und der Wissenschaft zuzuwenden. Damit vollzogen die Bürger bewusst einen Trennungsstrich zu den unteren Schichten, bei denen sogar Frau und Kind zur Erwerbstätigkeit beitragen mussten.
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