Gute Idee, lieber Timotheus.
Wie war das denn nach der Eroberung durch die Osmanen in den Kirchen? Die Gottesdienste, die Ikonenmalerei, bzw. der Bedarf nach neuen Ikonen, die Liturgie, die Kirchenmusik, dies alles fand doch kein definitives Ende?
Christen gab es ja weiterhin, insofern auch einen "Markt" für kirchliches Kunsthandwerk, wenn auch wahrscheinlich geschrumpft, allein schon wegen den etlichen Umwandlungen (und z.T. Zerstörungen) von Kirchen in Moscheen.
Ich bin ehrlich gesagt auch überfragt, inwiefern überhaupt noch in den letzten Jahrzehnten des Byz. Reiches ein vielfältiges und reiches Kulturschaffen gegeben war, wenn ich mir das seit Jahrzehnten relativ entvölkerte Konstantinopel anschaue, verglichen mit seinen Zeiten, als es die größte Stadt der westl. Welt war.
Ich weiß auch gar nichts großartiges von der byzantinischen Kunst zu erzählen, nach der palaiologischen Renaissance Anfang des 14. Jh., auch sind mir keine größeren Bauvorhaben bekannt, was auch daran liegt, dass ich mich nicht sooo gut auskenne, und meine byz. Bücher noch in Umzugskartons liegen...
Vielleicht lief das kirchliche Kulturleben auf dem niedrigen Niveau vor dem Untergang des Byz. R. weiter ab?
Ich war z.b. mal im Sumela-Kloster bei Trabzon, welches noch Jahrhunderte nach der Eroberung im kontinuierlichen Betrieb war. Oder die Klöster bei Athos, die sogar rechtlich und territorial einen Sonderstatus mit spezieller Autonomie hatten. Also die Fresken in Sumela haben meiner Erinnerung nach keine Weltgeltung, wie die in der Chora Kirche (Ist.) der Palaiologenzeit. Oder?
Sumelalink.:
REPUBLIC OF TURKEY MINISTRY OF CULTURE AND TOURISM
und
der Republik Türkei KULTUR und TOURISMUS MINISTERIUM
Was die profane Kunst anbelangt, gibt es sicher einen größeren Bruch, wie Dieter schon mehrmals sagte.
Aber Dieter und ich haben auch ein wenig aneinander vorbei geredet, ich meinte eher das Kunsthandwerk, Keramik, Schmuck, Buchilluminationen, Metallhandwerk, Textilkunst, welches sich schon lange Motiven aus dem isl. Raum bediente, und nach der osm. Eroberung wohl verstärkt die neuen Impulse aufnahm (z.B. Metallschalen auf dem Balkan von Christen produziert zeugen davon)
Dieter ging es wohl eher um die ganz große Kunst, die Bildhauerei, Plastik, auch profane Musik, Literatur, profane Malerei, usw. Was davon allerdings in den letzten Jahrzehnten großartiges geschaffen wurde, weiß ich nicht aus dem Kopf. Förderlich war sicher auch nicht die Abwanderung von Künstlern der letzten Dekaden des byz. R., die mit der Eroberung Konstantinopels vielleicht ihren Abschluss fand.
Andersrum ging natürlich auch eine Beeinflussung der Motive aus, schließlich sind nirgendwo die Grenzen so durchlässig, wie in der Kunst, siehe dieses schöne seldschukische Relief:
MWNF | The Ottomans
Hier eine seeehr schöne Seite zur osmanischen Kunst:
MWNF | Die Osmanen
und
Karlsruher Türkenbeute :: Kunst & Handwerk
Hier noch einfach mal so reingeworfen ein PDF zur osm. Baukunst:
http://www.muslimheritage.com/uploads/OttomanArchitecture.pdf
STOP: Nun habe ich doch mal in das
Lexikon des MA geschaut, und auch ein wenig gefunden, meine Vermutung ist wohl stimmig, dass in den Kirchen und Klöstern noch was Kulturelles stattfand.
Zitat:
"Die Anfänge der nachbyzantinischen Kunst:
Erst infolge der osman. Eroberung wird die Kunst im byz. Raum zu einer
rein kirchl. Angelegenheit. [AHA!] Da zudem der Patriarch v. Konstantinopel als Ethnarch der gesamten orthodoxen Untertanen des Sultans eingesetzt wurde,
konnte die Kunst nach dem Untergang des Reiches, dem die Unterwerfung der südslav. Völker schon vorangegangen war,
noch einmal für längere Zeit bestimmend werden. Als die großen Zentren dieser nachbyz. Kunst bildeten sich neben Konstantinopel v. a. die Athos-Kl., die dem bes. Schutz des Sultans unterstanden, und die Meteora-Kl. in Thessalien, die von den Herrschern der Donau-Fsm.er gefördert wurden, heraus. Ein weiteres Zentrum wurde seit der 2. Hälfte des 15. Jh. ... Kreta."
Baukunst:
"Mit der osman. Eroberung [Bulgariens] (1396) reißt die Entwicklung keineswegs ab, gerät aber zunächst noch stärker unter den Einfluß des spätpaläolog. Stiles (z. B. die Petrus- und Paulus-Kirche in Tarnovo,
15. Jh.)."
und zur Musik ein wenig erwähnenswertes aus den letzten byz. und ersten osm. Tagen:
"Aus dem 14.-15. Jh. sind auch einige Namen von südslav. Meloden, die griech. oder kirchenslav. Hymnen vertont haben, bekannt. Es sei hier auf den Mönch Ioakeim Charsianites domLstikoV SerbtaV (ca. 1347-1385) oder den Domestikos Stefan den Serben (15. Jh.) hingewiesen. Letztgenannter vertonte in beiden Sprachen mit gleicher Melodie das Cherubikon für die Praesanktifikatenliturgie NUn an dun6meiV (ehem. Cod. Beograd NB 93 aus dem 15. Jh.). ... Als bahnbrechend in dieser Hinsicht ist die Abhandlung (1973) von A. Jakovljevic über David Raidestinos (1. Hälfte des 15. Jh.) zu nennen."
und
Balduin:
Entweder hab ich dich nicht richtig verstanden, oder du?
Es ging um den Einfluss der osmanischen Kunst, nach Eroberung der letzten verbliebenen byz. Gebiete, auf den Kunst-, Kultur, Kunsthandwerksbetrieb der jüdisch-christlichen Untertanen. Wurden alle christl. Künstler, Kunsthandwerker vertrieben, getötet, oder gab es noch einen Output. Wie war der Output einige Jahrzehnte vorher, wie war der Bruch der byz. Kunst, wie war die Kontinuität?
Ich weiß nur, dass viele der kurz vor der Eroberung geflohenen Byzantiner, aufgegriffen wurden, und auf dem Sklavenmarkt von Edirne von Sultan Mehmed II. freigekauft wurden und in die eroberte Hauptstadt zurückgeführt wurden. Gerade die produktiveren "wertvolleren" Berufe, also Handwerker, Kunsthandwerker, Gelehrte, Baumeister, usw. So war einer der ersten Baumeister vom Sultan auch ein Grieche/Byzantiner, der ihm u.a. die neue Sultansmoschee über den Ruinen der einstmals mächtigen und prächtigen Apostelkirche errichtete.
so, gute Nacht. Byzantinisten meldet euch...
LG lynxxx