Ich schreibe gerade einen Beitrag zur katalanischen Republik 1873, da ich aber keine Zeit habe, für's erste nur so viel:
Die katalanische Republik 1873 ist so zu verstehen, wie der Freistaats Bayern, der der Freistaats Sachsen oder die Freie Hansestadt Hamburg in der Bundesrepublik Deutschland.
Wie gesagt, später mehr dazu.
Um meinem Versprechen endlich nachzukommen:
Was war das mit der katalanischen Republik 1873?
Spanien war seit Napoleon und der
Verfassung von Cádiz 1812 in stetem Kampf um seine politische Ausrichtung gewesen: Restauration und Absolutismus oder Liberalismus. Wobei der Liberalismus seinerseits wiederum gespalten war in konstitutionellen Monarchismus und moderaten und radikalen (das ist eine zeitgenössische Bezeichnung) Republikanern.
Nachdem Ferdinand VII. zum zweiten Mal die Verfassung von Cádiz außer Kraft gesetzt hatte (Trienio Liberal), machte der eigentlich restaurativ-absolutistische Monarch den bis dato von ihm hart unterdrückten Liberalen einige Zugeständnisse, woraufhin unter Führung seines Bruders Carlos die Absolutisten austickten; die Aufstandsbewegung (Guerra de Agraviados/Guerra dels Malcontents, 1826) hatte besonders in Aragón und Katalonien Erfolg - die hier für das absolutistische Spanien mit dem noch konservativeren Bruder des absolutistischen Herrschers nur aus diesem Grund gegen den König kämpften, weil der den Liberalen Zugeständnisse gemacht hatte. Spalterisches Potential hatte auch die „pragmatische Sanktion“ (pragmática Sanción, kurz la Pragmática), die Fernando 1830 ...mh... sanktionierte. Diese hob das von Phillip V. 1713 eingeführte „salische Gesetz“ (es war nicht wirklich die Lex Salica) auf und machte seine Tochter Isabel (1830! - 1904; reg. 1833 - 1868) zur Thonerbin. Das brachte die Traditionalisten natürlich auf die Palme und es folgten nach Ferdinands Tod 1833 die drei Karlistenkriege, welche die Ansprüche von Ferdinands Bruder Carlos und dessen Nachfolgern gegenüber der isabellinischen Linie der Bourbonen durchsetzen sollten. (1833 - 1840, 1847 - 1849, 1872 - 1876, dazwischen weitere konfliktive Ereignisse. Funfact zum Carlismo: ursprünglich eine restaurative Bewegung, die den Absolutismus wiederherstellen wollte, gibt es seit den 1960er Jahren (seit 1970 institutionalisiert) sogar einen linksradikalen Carlismus, der einerseits statt des designierten Juan Carlos eine Nebenlinie des Hauses Bourbon auf den Thron hieven wollte, andererseits aber sozialistische Gesellschaftsmodelle vertrat, gewissermaßen Sozialismus mit König.)
Dabei waren besonders im Baskenland und Navarra die Anhänger des Prinzen Carlos de Borbón, einer Nebenlinie der Bourbonen, welche nach dem Tod von Ferdinand VII. die Krone für sich beanspruchte (entgegen Ferdinands Tochter Isabel II.) stark. Vielen Carlistas war es im Grunde egal, wer da auf de Thron saß, aber sie waren gegen den Liberalismus, weil dieser regionale Sonderrechte aufheben würde. It's the economy, stupid.
Nun könnte Geschichte ja so schön einfach sein: hier die liberalen Monarchisten, da die Absolutisten (Carlistas) und eben ein paar moderate und radikale Republikaner (und eine erstarkende Arbeiterbewegung v.a. in Katalonien und im Baskenland). Aber so einfach war das nicht. Die zunächst beliebte Isabel verlor an Rückhalt, weil die Konflikte sich zu einem Megakonflikt vereinigten: Progresistas und Anarchisten gegen moderate Republikaner und konstitutionelle Monarchisten, das Land wurde immer unregierbarer, die Regierung der Moderados verspielte ihren gesellschaftlichen Rückhalt, weil sie sich nicht anders zu helfen wusste, denn auf repressive Maßnahmen zurückzugreifen. Als Ministerpräsident Narvaez 1868 starb, kam es daher zur Revolution und Isabel musste ins Exil. (Militärischer Kopf dieser Revolution war Isabels Ex-Liebhaber F. Serrano-Domínguez). Es folgte eine Zeit des Sedisvakanz, da Spanien trotz der Revolution Monarchie blieb, nur dass man sich nicht auf einen König einigen konnte, einige wollten Isabels Sohn Alfonso (später tatsächlich als Alfonso XII. spanischer König) zum König erheben, Ferdinand von Sachsen-Coburg, portugiesischer Titularkönig und Vater des portugiesischen Königs lehnte die im angetragene spanische Krone ab, weil die Portugiesen das nicht wollten, andere schlugen Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen vor (was letztlich den Anlass für den dt.-frz. Krieg 1870/71 bot) und wieder andere den Kompromisskandidaten Amadeus von Savoyen. Amadeus wurde es schließlich. Nach zweieinhalb erfolglosen Jahren als König dankte Amadeus anlässlich eines Anschlags auf seine Frau und ihn ab. Einen Tag später, am 11. Februar 1873, wurde die spanische Republik ausgerufen.
Die katalanischen Republikaner riefen nun in Barcelona, nachdem sie die Nachricht aus Madrid erhalten hatten, dass die Republik ausgerufen sei, die katalanische Republik aus. Sie hatten nämlich erwartet, dass die progressiven Republikaner ihr Projekt einer föderalen Republik würden durchsetzen können, sie riefen also eine Republik innerhalb eines föderalen Staatsverbandes aus. Erst nach der Ausrufung erfuhren sie, dass man sich in Madrid auch mit Stimmen der eigentlich föderal gesinnten Progresistas auf eine unionistische Republik geeinigt hatte, um der Republik eben eine möglichst breite gesellschaftliche Basis zu bieten, die von liberalen Monarchisten (und sogar gemäßigten Karlisten) bis hin zu den Progresistas Akzeptanz fand. Der Innenminister der neuen spanischen Regierung, Francesc Pi i Margall, der für die republikanisch-föderale Partei (Partido Republicano Federal) aus dem Wahlkreis Barcelona nach Madrid entsandt worden war, der seinen katalanischen Parteifreunden das nichtföderale Projekt dann schmackhaft machen musste.