Das ist nur sekundäre Literatur, die die Analysen zitiert, und hilft nicht weiter.
Eben! Etwas anderes gibt es aber nicht, die Analysen selbst sind offenbar unpubliziert. Die meines Wissens letzte archäologische Publikation zu Haltern, die auch die Töpferofenskelette (kurz) abhandelt, ist diese aus 2013:
Die römische Nekropole von Haltern | Stephan Berke - Academia.edu
Ich habe fünf Seiten dortige Literaturliste durchgesehen. Ausser der schon verlinkten LWL-Presseerklärung (dort auf S. 90 unten als Publikation "Mühlenbrock-Schweissing 2010" aufgeführt), und zwei Matjevic-Artikeln (einer bereits verlinkt) findet sich dort nichts Passendes (vgl. auch die Literaturnennung S. 60, FN 12 und 13). Der zweite Matjevic-Artikel steht auf S. 368-369 in
H. Kenzler – R. Aßkamp (Hrsg.), „Imperium“, 2000 Jahre Varusschlacht (Stuttgart 2009). Falls jemand das Buch zur Hand hat, wäre ich über Infos zum Inhalt des Artikels dankbar. [Für eine seriöse, nachvollziehbare Diskussion zu Messmethoden, Ergebnissen und Einordnung müssten diese zwei Seiten übrigens ziemlich eng bedruckt sein.]
Eine letzte, vage Hoffnung auf publizierte Messergebnisse bietet: Schweissing, Mike: "Neuankömmlinge oder Verbliebene? Nachweis von Wanderungen mithilfe der Anthropologie", in: "Keszthely-Fenékpuszta im Spiegel der Jahrtausende" (Leipzig/ Zalaegerszeg 2009).
Auch hier würde ich es begrüßen, wenn jemand mit entsprechendem Bibliothekszugang den Artikel auf mögliche weitere Informationen zu den Halterner Messungen durchsehen könnte.
Wenn Du Kritik äußern willst, wäre ein Bezug auf das in München in Auftrag gegebene Gutachten und eine wissenschaftliche Auseinandersetzung damit notwendig.
Ja und nein. Für die Feststellung, dass in Haltern bzw. beim LWL unseriös gearbeitet wird, reicht der Befund aus, dass sie "Erkenntnisse" publizieren, die sich mangels Veröffentlichung der Messergebnisse (zu der das LWL als Auftraggeber berechtigt wäre) nicht nachprüfen lassen.
Was der Verweis auf Drittmittelforschung hier soll, erschließt sich mir nicht.
Strontium-Isotopenanalysen sind technisch relativ aufwendig (Probenentnahme, Aufbereitung, teure Analytik etc.). Wenn die LMU München (bzw. M. Schweissing) dem LWL für 2.080 Euro zu den Analysen selbst auch noch eine wissenschaftlich fundierte Diskussion zu Aussagekraft, möglichen Herkunftsregionen etc. geliefert hat, herrscht an der LMU erheblicher Verbesserungsbedarf im kaufmännischen Bereich. [
In der Entwicklungszusammenarbeit kriegt man Hochschulwissenschaftler kaum unter 400 €/Tag, ich habe da über die Jahre so einige Verhandluingen geführt.
Schon für die Analytik allein scheinen mit 2.080 € ein absolutes "Schnäppchen".]
Alternative 2 ist, dass die Analysen andere an der LMU laufende Forschungen ergänzten. Dann wären sie aber von Schweissing oder der LMU publiziert worden, was bis heute nicht geschah. Die Analysen wären in diesem Fall wohl auch im Jahresbericht nicht nur unter "Eingeworbene Drittmittel", sondern auch in den Forschungs- / Studienberichten erwähnt worden.
Dritte (und wahrscheinlichste) Möglichkeit ist, dass nur die Analysen selbst geliefert wurden, die weitere Auswertung und Ableitung von "Erkenntnissen" aber beim LWL erfolgte. Auch hier zeichnet sich das LWL nicht gerade durch Transparenz aus. Aus der Presseerklärung (bzw. "Mühlenbrock-Schweissing 2010"):
Wissenschaftler in München stellten nun mit der so genannten Sauerstoff-Strontium-Isotopenanalyse an den Zähnen der Toten fest, dass man hier Germanen im Ofen verscharrt hatte.
Ob der gute Dr. Schweissing überhaupt weiß, welche Ko-Autorenschaft ihm da zugewiesen wird, würde mich interessieren...
Welche Zweifel werden ansonsten an den Aussagen der Isotopen-Analysen in der sich damit befassenden Literatur vorgebracht?
Diese Literatur liegt Dir, wohl abschliessend aufgelistet, zur Einsicht offen. Meine vorgeäußerte Einschätzung "erbärmlich dünne" beinhaltet das Fehlen
jeglicher methodischen Diskussion. Ein bemerkenswerter Fall der Wissenschaftsgeschichte, in dem uns eine über jeden Zweifel erhabene Wahrheit entgegentritt!
Zur Strontiumisotopenanalyse, ich gehe davon aus, dass die Tücken und Haken dieser Methode, die noch recht jung ist, wissenschaftlich reflektiert werden und bekannt sind - ohne wissenschaftsgläubig zu sein, setze ich dies voraus, auch wenn ich das Gutachten nicht kenne. Ich möchte keine Diskussion über die Analysemethode beginnen, eine gute Darstellung fand ich in folgender Dissertation
http://core.ac.uk/download/pdf/11032410.pdf
Sehr schöner Link (wie eigentlich immer von Dir!). Abb. 8 auf S. 31 bestätigt meine "hobby-geologische" Einschätzung, dass Strontium-Analysen keine Herkunftsunterscheidung zwischen Schwarzwald, Böhmen, Taunus, mittlerer Rhone oder Massif Central erlauben. Teile der norddeutschen Tiefebene (wo entsprechendes skandinavisches Gestein im glazialen Geschiebe vorliegt), sowie das nördliche Pyrenäenvorland kommen dann noch dazu.
Die Dissertation entstand nicht zufällig an der LMU - die sind führend in der Strontiumanalyse, einschließlich ihrer methodischen Weiterentwicklung. [
M. Schweissing wird übrigens zwanzig mal in der Dissertation erwähnt (Text, Literatur, Einzelmessungen), einschließlich eine Danksagung dafür, "dass er mir die Strontiumisotopenanalyse nahegebracht hat".]
Die bis vor wenigen Jahren gültige "Arbeitshypothese", geologische Isotopenverhältnisse würden sich mehr oder weniger 1:1 in menschlichen/ tierischen Knochen wiederspiegeln, ist inzwischen wiederlegt. Beispiele, wie wenig beides miteinander zu tun haben kann, finden sich nicht nur in der Dissertation, sondern auch in mehreren Präsentation auf einem LMU-Symposium im Oktober 2014:
Presentations Download - Transalpine Mobilität und Kulturtransfer - LMU München
Der dortige zweite Link enthält ein konkretes Beispiel (JenEhr Farm, Dane County, Wisconsin), wo ein sehr hoher geologischer Strontium-Wert (0,735) zu einem sehr niedrigen humanen Wert (7,085) führt.
Probleme sind vielfältig. Sie umfassen:
- je nach Gesteins-/Mineralart unterschiedliche Auswaschung / Verwitterung, und damit Strontiumeintrag aus dem Grundgestein in Grundwasser und Boden (biologische Aktivierung),
- Grundwasserströme aus anderen geologischen Regionen,
- Unterschiedliche Mischverhältnisse zwischen Grund- und Regen-/Oberflächenwasser;
- Bei letzterem Forschungsdefizite, wie weit hier ein global konstantes Isotopenverhältnis anzunehmen ist, oder es regional differenziert;
- Unterschiedliche Strontiumaufnahme von Pflanzen (Böden, Regenwasser, wenig Grundwasser) und Tieren (Regen- und Grundwasser, Verhältnis je nach Region verschieden);
- Unterschiedliche Anreicherung von Calcium, und damit auch 86Sr als Calciumsubstitut, in verschiedenen Pflanzen/ Tieren (niedrig in Fleisch, Wurzelgemüse, Früchten, hoch in Nüssen, Bohnen, Milch);
- daraus wiederum die Feststellung, dass Strontiumisotopenverhältnisse der gleichen Region, je nach Nahrungsart, zwischen Tierarten variieren, und beim Menschen wesentlich durch die Ernährung geprägt werden.
[Beispiel: Isotopenanalyse des Maya-Herrschers K'inich Janaab Pakal I., mit deutlich über dem geologisch erwartbaren (0,7078) Wert (0,7087), der sich jedoch mit dem Wert deckt, der bei heute in Palenque lebenden Hühnern gemessen wurde
http://www.for1670-transalpine.uni-muenchen.de/workshop/presentations/burton.pdf]
Einen sicherlich noch ausbaufähigen, aber offenbar schon relativ tragfähigen Ansatz, mit diesen Problemen umzugehen, stellt die LMU hier vor:
http://www.en.for1670-transalpine.uni-muenchen.de/talks-and-poster/soellner-poster.pdf
Zusammengefasst düften alle bis vor kurzem (2011?) erstellten Interpretationen von Strontiumanalysen nicht mehr dem Stand der Forschung entsprechen, und bedürfen der Überprüfung/ Neubewertung. Hiermit teilen sie das Schicksal früher C14-Datierungen, vor Erkenntnisen zu athmosphärischen Schwankungen (->Kalibrierung), aquatischen Reservoirs etc. Einer entsprechenden Überprüfung der Halterner Befunde sehe ich erwartungsvoll entgegen.