Der Japanflug

kwschaefer

Aktives Mitglied
Am 22. Juni 1941 griff Deutschland die Sowjetunion an. Damit war die Landverbindung zwischen den Achsenmächten Deutschland, Italien und Japan unterbrochen. Japan, das am 12. April 1941 mit der Sowjetunion einen Neutralitätsvertrag abgeschlossen hatte, konnte die Transsibirische Eisenbahn nur noch für die Verbindung zur neutralen Türkei nutzen. Zwischen Deutschland, Italien und Japan wurde daraufhin am 18. Januar 1942 eine Militärkonvention abgeschlossen, die im Abschnitt „Militärische Zusammenarbeit“ u.a. bestimmte: “Zusammenarbeit zwecks Herstellung der militärischen Luftverbindung zwischen Deutschland, Italien und Japan, soweit die technischen Voraussetzungen gegeben sind…….“. Bereits vor Abschluss dieser Militärkonvention hatten die Japaner auf die Eröffnung einer Flugverbindung größten Wert gelegt und geeignete Flugplätze vorgeschlagen (Tsitsihar, Paotou), wobei zunächst offenbar bei den Japanern keine Einwände gegen das Überfliegen sowjetischen Territoriums bestanden, obgleich das mit dem japanisch-sowjetischen Neutralitätsabkommen kaum vereinbar war.

In Deutschland begannen schon in der zweiten Januarhälfte 1942 die Planungen für eine solche Flugverbindung. Es handelte sich zwar um ein militärisches Projekt, doch wegen der großen Erfahrung der Lufthansa ließ man zunächst diese ein Gutachten ausarbeiten. Nach dem Ausrüstungsstand von Anfang 1942 kamen für das Projekt nur zwei Flugzeugtypen in Frage, nämlich das sechsmotorige Flugboot Blohm & Voss BV 222 sowie das viermotorige Landflugzeug Focke-Wulff FW 200 Condor. Das Flugboot, von dem allerdings nur drei Exemplare vorhanden waren, war zwar noch nicht völlig ausgereift, aber für extreme Langstreckenflüge bestens geeignet. Die FW 200 stand in genügender Anzahl zur Verfügung, sie war ein ausgereiftes Flugzeug und die Reichweite hätte – bei allerdings recht geringer Nutzlast - ausgereicht. Allerdings musste sie zur Gewichtsverringerung umgebaut werden (Entfernung aller Waffeneinbauten) und sie hätte mit Überlast-Startgewicht starten müssen, was zu Schäden an den Motoren führen konnte. Die Lufthansa riet von diesem Flugzeug ab.

So untersuchte die Lufthansa nur mögliche Flugrouten für die BV 222. Als Abflughafen wurde Kirkenes in Nordnorwegen vorgesehen. Es wurde sowohl ein Direktflug nach Tokio als auch ein Flug mit Zwischenwasserung auf einer japanischen Basis an der Südspitze von Sachalin untersucht. Problematisch waren die Wetterverhältnisse, die nicht für die gesamte Strecke vorausgesagt werden konnten, auch nicht durch Zusammenarbeit mit den Japanern, doch hielt man die Risiken hieraus für vertretbar.

Insgesamt kam das Lufthansa-Gutachten zu dem Ergebnis, dass ein Flugverkehr Kirkenes-Japan mit der BV 222 ganzjährig möglich sei, wobei Frühjahr und Herbst am ungünstigsten seien. Wenn allerdings nach den zur Verfügung stehenden meteorologischen Daten die Großwetterlage über Ostsibirien zu zweifelhaft sei, könnte es zu längeren Startverschiebungen kommen.

Göring lehnte den Japanflug rundheraus ab, während er von Ribbentrop und dem japanischen Botschafter vehement befürwortet wurde. Beide Seiten versuchten Hitler zu beeinflussen, der die Flugverbindung nur für sinnvoll ansah, wenn sie regelmäßig und sicher sei, nicht jedoch als Rekord- oder Propagandaflug.

Nachdem den Italienern ein Flug nach Japan gelungen war, und die Japaner angeregt hatten, mit einem deutschen Flugzeug eine Delegation nach Deutschland zu schicken, wurden die Planungen im August 1942 wieder aufgenommen. Inzwischen lehnte das japanische Außenministerium einen Flug über sowjetisches Territorium ab. Der Verlauf des Winters 1941/42 hatte gezeigt, dass die Sowjetunion von Deutschland keineswegs geschlagen war und der „Doolittle-Raid“ gegen Tokio am 18. April 1942 hatte die Bedrohung Japans aus der Luft gezeigt. Nach Ansicht des japanischen Außenministeriums hatten die Beziehungen zur Sowjetunion Vorrang vor dem Interesse an einer Flugverbindung mit Deutschland; man wollte die Sowjetunion auf keinen Fall verärgern und fürchtete, dass andernfalls die Sowjetunion den USA Luftstützpunkte zur Verfügung stellen könnte. Die Japaner schlugen daraufhin die „Südroute“ Nordafrika oder Rhodos - Rangun oder Bangkok – Manila - Tokio vor. Hierfür kam aus Gründen der Reichweite nur noch die BV 222 in Frage, deren Reichweite dabei hätte voll ausgeschöpft werden müssen. Am 13. September 1942 wurde jedoch auch diese Planung durch eine von der Luftwaffenführung erwirkte Entscheidung Hitlers abgesagt.

Sowohl Ribbentrop als auch die japanische Botschaft ließen nicht locker, und so wurden auch im Frühjahr 1943 Planungen durchgeführt, in denen erstmals auch die inzwischen in fünf Exemplaren vorhandene viermotorige Junkers Ju 290 in Betracht gezogen wurde.. Doch wiederum konnten sich Göring und der Generalstabschef der Luftwaffe, Jeschonnek, durchsetzen.

Im Juli 1943 versuchten dann die Japaner ein Flug von Singapur zur Krim, der jedoch scheiterte.

Im Oktober 1943 legte die Lufthansa ein weiteres Gutachten vor, das nun einen Einsatz der BV 222 nicht mehr vorsah, jedoch großes Augenmerk auf das viermotorige Landflugzeug Junkers Ju 290 legte, mit dem es allerdings bislang nur geringe Betriebserfahrungen gab, Im Januar/ Februar 1944 wurden drei Ju 290 für einen solchen Flug Finnland-Sachalin vorbereitet und auch Überlaststarts testweise durchgeführt. Die Japaner gaben jedoch zu verstehen, dass sie einen Überflug Nordsibiriens nicht hinnehmen würden. Daraufhin wurde das Vorhaben abgebrochen und die Flugzeuge dem KG 200 für Geheimeinsätze zur Verfügung gestellt.

Die Initiativen der Japaner zur Einrichtung einer Flugverbindung endeten jedoch auch jetzt nicht. Der Fliegerführer Atlantik, Generalmajor Kessler, zu dessen Bereich auch die Fernaufklärungsgruppe 5 in Mont-de-Marsan mit großer Langstreckenerfahrung gehört hatte, war als neuer Luftwaffenattaché in Tokio vorgesehen und sollte nun mit sechs technischen Spezialisten auf Anregung der japanischen Botschaft auf dem Luftwege nach Japan gebracht werden. Hierfür war erstmals ein Flug über das Eismeer direkt zur Beringstraße und von dort dann südlich nach Sachalin geplant. Japan warnte wegen der amerikanischen Luftstützpunkte auf den Aleuten vor dieser Route. Die Planungen gingen indessen weiter, man vertraute auf das in dieser Region häufig schlechte Wetter. Schließlich teilte das japanische Außenministerium im Oktober 1944 der japanischen Botschaft mit, die Deutschen würden zwar erklären, sowjetisches Territorium nicht zu überfliegen, doch müsse man damit rechnen, dass die Besatzung schließlich zur Abkürzung doch über Sibirien fliegen werde. Das wolle man nicht riskieren. Tokio schlug nun wieder vor, die „Südroute“ mit Flugbooten zu erproben und Generalmajor Kessler mit einem U-Boot zu schicken.

Im April 1945 erfolgte noch einmal eine Planung, mit einer Ju 290 nach Japan zu fliegen. Man teilte den Japanern mit, man wolle von Bardufoss in Norwegen (die finnischen Flugplätze waren inzwischen verloren gegangen) über den Pol zur Beringstraße fliegen und von dort nach Paramushiro, der nördlichsten japanischen Kurilen-Insel. Dort war zwar nur eine 800m-Piste vorhanden, man ging jedoch davon aus, dass die nach Verbrauch des Treibstoffs erheblich leichtere Ju 290 dort werde landen können. Im Notlandefall werde man nach Alaska ausweichen und nicht nach Sibirien. Wegen der schwierigen Astronavigation im Breich des Nordpols hielt man jeweils drei Tage vor und nach dem 28. April, 20. Mai und 15. Juni 1945 für den Flug für geeignet. Eine Antwort aus Tokio auf diesen Vorschlag hat es wohl nicht mehr gegeben. Die für den Flug vorgesehene und hergerichtete Ju 290 sollte noch am 2. Mai 1945, als die Briten nur wenige Kilometer vor Travemünde standen, von dort nach Norwegen überführt werden. Der Start misslang jedoch wegen Triebwerksproblemen und das Flugzeug wurde am 3. Mai 1945 gesprengt.

So sind alle deutschen Planungen für den Japanflug ohne auch nur einen einzigen ernsthaften Startversuch ins Leere gegangen. Immer wieder tauchen zwar sensationell aufgemachte Berichte über solche Flüge auf, auch unter Verwendung der sechsmotorigen Junkers Ju 390, sie gehören jedoch alle ins Reich der Phantasie.

Lediglich ein italienischer Flug wurde erfolgreich absolviert, ein zweiter blieb in weit fortgeschrittener Planungsphase stecken. Der einzige japanische Versuch endete tragisch, das Flugzeug ist über dem Indischen Ozean verschollen.
 
Der Japanflug Teil II: Der Flug der Italiener

Im Gegensatz zu Deutschland, wo Hitler eher desinteressiert und Göring dagegen war, zeigte Mussolini – er war ja auch Luftfahrtminister - von Anfang an großes Interesse an dem Projekt der Flugverbindung mit Japan. In Italien begannen deshalb sofort nach Abschluss der trilateralen Militärkonvention Planungen,

Auch die Italiener stützten sich auf die Erfahrungen einer Luftverkehrsgesellschaft. der Linee Aeree Transcontinentali Italiane (LATI). Die Studie der LATI von Ende Januar 1942 untersuchte zwei verschiedene Routen:
Die Südroute Rom – Rhodos – Bulgarien – Nordanatolische Küste – Kaukasus – Kaspisches Meer – Persien – Indien - Golf von Bengalen – Burma – Thailand - Japan mit einer längsten Etappe (Rhodos – Burma) von 7000 km.
Die Nordroute Rom – Odessa – Paotou – Peking - Japan mit einer längsten Etappe (Odessa – Paotou) von 6200 km.
Beide Routen überquerten das Territorium der Sowjetunion.

LATI schlug lediglich die Nordroute für die weitere Planung vor, die Südroute sei nur eine Alternative, wenn Deutschland/Italien im Nahen Osten und Japan in Indien durch weitere Eroberungen die Etappenlänge verkürzen könnten.
Die dreimotorige Fiat G 12 hielt LATI für das einzige geeignete Flugzeugmuster. Für einen Liniendienst alle zwei Wochen sollten vier, besser sechs Flugzeuge zur Verfügung stehen. Ersatzteile und Motoren müssten vorher mit Blockadebrechern über See nach China geschafft werden.

Die älteste erhaltene Flugplanung der Regia Aeronautica, der italienischen Luftwaffe, stammt von Oberstleutnant Moscatelli, der später auch den Flug durchführte.
Moscatelli schlug als Flugzeug entweder die dreimotorige Savoia Marchetti SM 75 vor oder, wie LATI die Fiat G 12, wobei er der Fiat den Vorzug gab. Als Weg wählte eine etwas modifizierte Nordroute; er hielt sie allerdings wegen der meteorologischen Bedingungen für sehr schwierig und nicht für einen regelmäßigen Dienst für geeignet. Im Laufe des Jahres 1941 untersuchte die Regia Aeronautica in weiteren Studien noch zahlreiche andere Routenvarianten.

Am 10. Februar 1942 entschied das Luftfahrtministerium auf Vorschlag des Generalstabes der Regia Aeronautica, die Vorbereitungen für den Flug zu beginnen. Es sollte eine SM 75 für einen Flug mit experimentellem Charakter verwendet werden, mit militärischer Besatzung. Die Organisation sollte durch den Luftwaffensonderflugdienst Servizio Aerei Speciali (SAS) mit Unterstützung der LATI erfolgen.

Im Laufe des März und April 1942 wurde eine Savoia Marchetti SM 75 für den Flug vorbereitet. Auch in Tokio liefen die Vorbereitungen an. Dort war übrigens Major Federici zuständig, der zweite Luftwaffenattaché, den man nach seiner Trennung von seiner Frau Clara Petacci, der Geliebten Mussolinis, dorthin abgeschoben hatte.
Als Kommandant der Maschine wurde Oberstleutnant Moscatelli ausgewählt.

In den Verhandlungen mit den Japanern wurde zunehmend klar, dass diese einen Überflug der Sowjetunion vermeiden wollten. Sie schlugen mehrfach andere Flugrouten vor, waren aber so interessiert an dem Flug, dass sie den Überflug der Sowjetunion nicht rundweg ablehnten.

Am 29. Juni 1942 startete Moscatelli mit seiner Besatzung von Rom nach Saporoschje am Dnjepr, das schließlich als Abflughafen ausgewählt worden war.
Am Abend des 30 Juni begann der Flug nach Paotou. Er führte zunächst zum Nordufer des Kaspischen Meers. Auf dem Weg dorthin überflog Moscatelli die Front und kam auch mehrfach in ungenaues Flakfeuer. Weiter ging es über Kasachstan, das Nordufer des Aralsees, entlang dem Balchaschsee nach China, über die Gobi nach Paotou. Moscatelli musste eine Stunde vor der Landung auf über 5000 m steigen – ohne Druckkabine natürlich -, um eine astronomische Positionsbestimmung zu machen. Dadurch konnte er Paotou finden, wo die Landung wegen schwerer Turbulenzen und starkem Regen sehr schwierig war, aber 21 Stunden 14 Minuten nach dem Start war das Ziel erreicht. Am 3. Juli 1942 flog Moscatelli dann weiter nach Tokio.

Dort konnten die Italiener keinen Schritt ohne Bewachung tun und fühlten sich nach eigener Aussage wie im Gefängnis. Moscatelli hat übrigens in seinem Bericht nach seiner Rückkehr die Fremdenfeindlichkeit der Japaner mit deutlichen Worten beschrieben. Es existiert noch ein Exemplar des Berichtes, das Mussolini abgezeichnet hat.

Die Japaner verboten den Italienern, auf dem Rückflug irgendwelche Unterlagen mitzunehmen, aus denen bei einer Notlandung auf sowjetischem Gebiet auf einen Aufenthalt in Japan geschlossen werden konnte.

Am 15. Juli 1942 startete Moscatelli wieder in Tokio nach Paotou und am 19. Juli 1942 begann die große Rückflugetappe. Vor der Altai-Region und über dem Schwarzen Meer mussten schwere Unwetter durchquert werden, aber nach 29 Stunden 37 Minuten landete die Savoia Marchetti in Odessa. Dort hatte man schon mit dem Verlust des Flugzeuges gerechnet, denn bei den Unwettern in der Altai-Region war der Blitz in die Antenne eingeschlagen und hatte die ganze Funkanlage außer Betrieb gesetzt.
Trotz ihrer Übermüdung flog die Besatzung gleich nach dem Auftanken weiter zurück nach Rom, wo sie auf dem Flugplatz von Mussolini persönlich in Empfang genommen wurde.

Die Italiener wollten nach diesem Erfolg auf der gleichen Route kurzfristig weitere Flüge durchführen, doch lehnten die Japaner ein erneutes Überfliegen sowjetischen Gebietes nunmehr strikt ab. Und es gab noch andere Widerstände. Major Federici berichtete nach Rom, eine sog. „Junge Kaste“ von einflussreichen Obersten und Oberstleutnants betriebe offene Rassenhetze gegen alle Weißen und sähe in dem gelungenen Flug der Italiener in erster Linie einen Gesichtsverlust für Japan im ganz Ostasien. Nun müsse zunächst ein japanisches Flugzeug die Strecke fliegen.

In Italien liefen jedoch die Vorbereitungen weiter. Eine Fiat G 12 wurde für extreme Langstreckenflüge umgebaut und eine Besatzung ausgewählt. Man glaubte immer noch, wenigstens einen Flug über Paotou durchführen zu können. Als sich dies wegen des japanischen Widerstandes als unmöglich erwies, mussten die Italiener die Südroute akzeptieren und die Reichweite des Flugzeuges durch weitere Maßnahmen nochmals vergrößern. Da der Umbau des Flugzeuges zu viel Zeit in Anspruch nahm, kam man wieder auf die Savoia Marchetti SM 75 des ersten Fluges zurück.

Die Japaner hatten nunmehr Interesse daran, den indischen Politiker Bose, der in Deutschland war, für die japanische Indienpolitik einzusetzen. Er sollte mit dem Flug befördert werden.

Die Südroute ohne Überquerung sowjetischen Territoriums musste jetzt einen Startplatz in Nordafrika mit südlichem Umfliegen des Kampfgebietes vorsehen. Als ein besonderes Hemmnis bei den technischen Vorbereitungen erwies sich die italienische Forderung nach ausreichender Beleuchtung des Flugplatzes in Rangun für eine Nachtlandung und dem Einbau einer Funkleitstrahlanlage. Angesichts der extremen Etappenlänge Nordafrika – Burma, der meteorologischen Situation in Rangun und fehlender Ausweichflugplätze glaubten die Italiener hierauf keinesfalls verzichten zu können. Die Verhandlungen zogen sich hin, und am 11. November meldete Major Federici aus Tokio, laut Auskunft des japanischen Kriegsministeriums bräuchten die Japaner für den Einbau der Funkleitstrahlanlage vier Monate.

Damit war der zweite italienische Flug gescheitert. Aber inzwischen war auch ein weiteres Problem hinzugekommen. Die Briten hatten, ebenfalls am 11. November 1942, den vorgesehenen Abflugplatz Gambut bei Tobruk erobert.
Nun konnte man nur noch von Rhodos starten, was die Etappenlänge nochmals um einige hundert Kilometer vergrößert hätte. Rhodos als Startplatz war aber zu gefährlich, da dabei ein Überqueren Ägyptens notwendig geworden wäre. Schon beim ersten Flug war die Frontüberquerung riskant gewesen, aber im Kampfgebiet Nordafrika verfügten die Briten, anders als die Sowjetunion, über Radar und Nachtjäger, sodass ein Überqueren ein Glücksspiel gewesen wäre.

Zwar wurde der Flug offiziell nur verschoben, doch war er nicht mehr durchführbar.

Immerhin war es den Italienern gelungen, die technische Realisierbarkeit der Flugverbindung nachzuweisen.
 
Der Japanflug Teil III: Der Flug der Japaner

Im Mai bis Juli 1943 lief das japanische Projekt einer Flugverbindung nach Europa.

Es war wohl problematisch, dass in Japan die Heeresluftwaffe für dieses Projekt die Zuständigkeit erhalten hatte. Es war nämlich kein Landflugzeug aus japanischer Produktion in Serie, das eine Reichweite hatte, die für einen solchen Fernflug ausgereicht hätte.

Andererseits verfügte Japan mit der viermotorigen Kawanishi H8K, die vornehmlich unter ihrem US-Codenamen „Emily“ bekannt ist, über das wohl beste Flugboot aller kriegführenden Mächte des zweiten Weltkriegs. Die „Emily“ war zwar kleiner als die BV 222, aber sie hätte durch Ausbau ihrer starken Panzerung und Entfernung der Bewaffnung problemlos auf Reichweiten von 8000 km und darüber gebracht werden können. Ihre Nutzlast hätte durchaus zur Beförderung von Delegationen ausgereicht. Ob die H8K je für den Flug in Betracht gezogen wurde ist nicht bekannt. Es ist aber wohl nicht unrealistisch anzunehmen, dass die japanische Marineluftwaffe eine Abgabe mehrerer Flugboote an die für den Flug zuständige Heeresluftwaffe abgelehnt hat.

Die Heeresluftwaffe stützte sich für den Flug auf ein zweimotoriges Flugzeug, über das im Westen lediglich aus dem von Briten und Amerikanern abgefangenen und entschlüsselten Funkverkehr etwas bekannt ist. Nach japanischen Quellen handelte es sich um den vierten Prototyp der Tachikawa Ki-74, eines 1939 entworfenen Fernaufklärers, den man 1941 in einen Höhenfernbomber mit Druckkabine umentwickelt hatte. 1943 war das Flugzeug noch in Erprobung und die Entwicklung noch keineswegs abgeschlossen. Die Ki-74 hatte eine Reichweite von 8000 km und die für den Flug vorgesehene Maschine war durch Zusatztanks auf über 10000 km Reichweite gebracht worden. Durch die Druckkabine konnte das Flugzeug in 5000 m Höhe fliegen und erreichte eine Reisegeschwindigkeit von 400 km/h.

Am 16. Mai 1943 kündigte Tokio der japanischen Botschaft in Berlin an, in Kürze werde ein japanisches Flugzeug einen Probeflug auf der Strecke Tokio – Singapur – Kreta oder Krim – Berlin unternehmen zur Vorbereitung eines Luftverkehrs. Nach einem Aufenthalt von einer Woche sollte das Flugzeug auf gleicher Strecke zurückfliegen, aber möglichst ohne Zwischenlandung in Kreta oder auf der Krim. Dort standen allerdings auch keine Pisten zur Verfügung für den Überlaststart zu einer extremen Langstrecke. Auf eine Zwischenlandung in Rangun wollten die Japaner wegen der dort immer häufigeren alliierten Bombenangriffe verzichten.

In den folgenden Wochen wurden die Details zwischen Tokio und Berlin abgestimmt.
Als Zielflugplatz wurde Sarabus bei Simferopol auf der Krim ausgewählt. Gegen eine Zwischenlandung dort hatten die Japaner nichts, da sie glaubten, dies vor der Sowjetunion geheim halten zu können. Der Flug sollte weitgehend auf dem Großkreis erfolgen, nur im letzten Abschnitt, südlich des Kaspischen Meeres, war ein Ausweichen nach Süden um sowjetisches Gebiet herum vorgesehen.

Am 30. Juni 1943 flog die Ki-74 von Tokio ab. Damit startete ein Unternehmen, wie es wohl weder die deutsche Luftwaffe noch die Regia Aeronautica angesichts der Risikolage durchgeführt hätten, nämlich mit einem noch in Entwicklung befindlichen zweimotorigen, mit Treibstoff überladenen Experimentalflugzeug eine Etappenlänge von 10000 km auf dem Hinflug, von 12500 km auf dem Rückflug anzugehen.
Der Abflug in Singapur hätte nach dem Flugplan am 2. Juli erfolgen sollen, doch gibt darüber in dem dechiffrierten Funkverkehr keine Aussage. Nach japanischen Quellen soll das Flugzeug erst am 7. Juli 1943 in Singapur abgeflogen sein. Der Funkkontakt zur Ki-74 brach dann ab, ein genauer Zeitpunkt hierfür ist nicht bekannt. In Sarabus wartete man vergeblich auf die Ankunft. Wahrscheinlich ist das Flugzeug über dem Golf von Bengalen abgestürzt.

Damit endete der japanische Versuch mit einer Katastrophe.

Im Herbst 1943 tauchten dann in der Türkei Gerüchte auf, das Flugzeug sei im Iran notgelandet und die Besatzung interniert worden. Bis in den Mai 1944 hinein versuchte die japanische Botschaft in Ankara auf verschiedenen Wegen, hierfür eine Bestätigung zu erhalten. Alle Untersuchungen brachten aber keinerlei positive Hinweise darauf.

Zusammenfassend kann man feststellen, dass die in der trilateralen Militärkonvention vorgesehene Einrichtung einer Flugverbindung zwischen den Achsenmächten Deutschland und Italien einerseits und Japan andererseits nicht zustande gekommen ist, obwohl die technischen Möglichkeiten hierfür bestanden haben. Der Hauptgrund hierfür liegt in dem großen Wert, den Japan seinem Neutralitätsabkommen mit der Sowjetunion beimaß. Wenn das Territorium der Sowjetunion nicht überflogen werden durfte, erschwerte dies die Durchführung von Flügen enorm. Ein weiterer Grund liegt in den Schwierigkeiten der gegenseitigen Abstimmung über die technischen Voraussetzungen an den Start- und Landeplätzen. Auch die Vorbehalte der Japaner gegen eine zu enge Zusammenarbeit mit europäischen Verbündeten dürften eine Rolle gespielt haben. Der japanische Botschafter in Berlin, Oshima, versuchte auf allen ihm zugänglichen Wegen, sowohl in Deutschland wie in Japan eine starke Unterstützung von ganz oben für das Projekt zu erhalten, doch vergebens.
So blieb es bei einer Verbindung zwischen Europa und Ostasien über Blockadebrecher und U-Boote.
 
Die Savoia Marchetti SM 75 nach dem gelungenen Japanflug der Italiener 1942 in Tokio.
Für den Überflug des japanischen oder von Japan besetzten Territoriums wurde das Flugzeug nach der Landung in Paotou mit japanischen Kennzeichen (roter Kreis) versehen.
 

Anhänge

  • SM 75 in Tokio.jpg
    SM 75 in Tokio.jpg
    30,1 KB · Aufrufe: 593
  • SM 75 in Tokio 2.jpg
    SM 75 in Tokio 2.jpg
    37,5 KB · Aufrufe: 650
  • SM 75 in Tokio 3.jpg
    SM 75 in Tokio 3.jpg
    30,2 KB · Aufrufe: 623
  • SM 75 beim Start zum Rücklug in Paotou.jpg
    SM 75 beim Start zum Rücklug in Paotou.jpg
    20,8 KB · Aufrufe: 557
Ich habe jetzt noch ein Bild von der Rückkehr der SM 75 aus Japan nach Rom.
 

Anhänge

  • SM 75 nach Rückkehr aus Japan in Rom.jpg
    SM 75 nach Rückkehr aus Japan in Rom.jpg
    45,1 KB · Aufrufe: 621
Neue Informationen zum japanischen Versuch

Inzwischen habe ich einige neue Informationen gefunden zu dem japanischen Versuch, eine Flugverbindung nach Europa einzurichten.

Bei dem verwendeten Flugzeug handelte es sich nicht um die Tachikawa Ki-74, wie oben in Teil 3 beschrieben, sondern um die Tachikawa Ki-77. Die Ki-77 war ein unbewaffnetes zweimotoriges Langstrecken-Experimentalflugzeug, das parallel zu der Bomber-Version Ki-74 entwickelt wurde. Es wurden zwei Prototypen gebaut, von denen der erste für den Flug nach Europa verwendet wurde.

Dem britischen Funkabhördienst („Y“- oder Wireless Intercept-Service) gelang es am 7. Juli 1943, einen Funkspruch aus Berlin an das Kdo.d.Flughafenbereichs 6/VI in Sarabus/Krim abzufangen und den Code mit der schnellen ULTRA-Entschlüsselungsmaschine zu knacken. Der Text wird in englischen Quellen wie folgt zitiert: „On 8/7 an allied aircraft will fly via air grid squares 3420, 2560 and 2510 to Sarabus. It is a two engined low wing monoplane, wing span 30 metres, metal fuselage, natural colour, wings grey. The aircraft must not be fired on under any circumstances.“
Zu dieser Meldung schrieb der britische Krypto-Analytiker in Blechley Park als Ergänzung: „This presumably refers to undertaking "GOA" in which an aircraft was flying to Sarabus from Tokio via Singapore." (ULTRA signal CX/MSS 2867/T8).

Nach britischen Quellen wurde am 7. Juli 1943 über dem Indischen Ozean ein nicht identifiziertes japanisches Flugzeug abgeschossen. Dabei könnte es sich um diese Ki-77 gehandelt haben.

Der zweite Prototyp der Ki-77 wurde von den Japanern für einen Langstreckentestflug verwendet. Bei diesem Flug sollte auf einem Dreieckskurs Hsinking-Peichenhu-Harbin die maximale Reichweite des Flugzeuges erflogen werden. Am 2. Juli 1944 startete eine sechs-köpfige Crew mit der Piloten Tanaka und Komata. Da der Autopilot nach kurzer Zeit ausfiel, wurde der Flug für die Besatzung anstrengender als geplant. Wegen Lecks in der Druckkabine war die Besatzung außerdem gezwungen Sauerstoff-Masken zu tragen. Am Abend des 4. Juli 1944 war die Crew so erschöpft, dass man sich entschloss, den Flug abzubrechen. Das Flugzeug landete nach 57 Stunden 11 Minuten und einer Flugstrecke von 16490 km.
An Bord befand sich nach Treibstoff für weitere etwa 1800 km. Das Flugzeug wurde bei Kriegsende von den Amerikanern erbeutet und zur Erprobung in die USA gebracht. Es wurde dort jedoch nie geflogen und später verschrottet. Die Bedeutung dieses Flugzeuges wurde den USA erst später bekannt.

Dieser Flug zeigt, dass, entgegen meiner Beurteilung weiter oben im Abschnitt 3, der japanische Versuch, eine Flugverbindung nach Europa einzurichten, keineswegs abenteuerlich war und gute Aussichten auf Erfolg hatte.
 
Hier noch ein Photo der Tachikawa Ki-77, mit der die Japaner erfolglos den Flug nach Europa versuchten.
 

Anhänge

  • tachikawa_ki-77.jpg
    tachikawa_ki-77.jpg
    27,2 KB · Aufrufe: 629
Von der Luftwaffe wurde übrigens ein Empfangskomitee nach Sarabus auf der Krim geschickt, um die Ki-77 aus Singapur am 8. Juli 1943 dort zu empfangen. Bezeichnenderweise war es nicht sehr hochrangig besetzt, sondern bestand mit Hauptmann Gartenfeld, Oberleutnant Götz und Oberleutnant Nebel aus Fernaufklärungs- und Navigationsspezialisten, die zum Teil auch in der AufklGrp OB der Lw, dem sog. „Kommando Rowehl“ eingesetzt waren (diese Einheit hatte seit 1937 Luftbildaufklärung über der Sowjetunion betrieben).

Sie flogen mit der Ju 290 T9+FK von 2./VersVerb OB der Lw nach Sarabus. Das zeigt, dass das OKL involviert war, man aber wegen der japanischen politischen Bedenken gegen eine Zwischenlandung in der Sowjetunion keine besondere Aufmerksamkeit erzeugen wollte.

Das mag auch erklären, warum man keine deutschen Quellen zu diesem Projekt, das die Briten „GOA“ nannten, finden kann. Ohne die von den Briten abgefangenen, in Blechley Park entschlüsselten deutschen Funksprüche an Lw.-Bau-Btl. 16/XI und Kdo.d.Flughafenbereich 6/VI Sarabus im Vorfeld der erwarteten Landung des japanischen Flugzeuges auf der Krim wäre über die deutschen Vorbereitungen auf diese Landung nichts bekannt geworden.
 
Zurück
Oben