Verzeiht, wenn ich von der Schalker Westkurve und dem § 175 nochmal an den Anfang des Thema zurückgehe, und zwar zur - für mich plausiblen - These, die Ereignisse um 983 wären "in der deutschen Geschichte sträflich vernachlässigt" worden.
Aber warum? Es hängt zum einen sicherlich zusammen mit der sog. "panborussischen" Geschichtskonzeption, die anfangs des 19. Jh. aufkam. Ranke etwa [1] grenzt "slavische, lettische, magyarische Stämme" ausdrücklich aus seiner Darstellung aus, weil diese "eine eigenthümliche und besondere Natur (haben)" und konzentriert sich bewusst auf die "stammverwandten Nationen entweder rein germanischer oder germansich-romanischer Abkunft, deren Geschichte der Kern aller neueren Geschichte ist". Ranke war kein Panborusse und formulierte noch relativ vorsichtig, was andere nach ihm nicht mehr taten, sondern stattdessen die Slawen als "kultur- und geschichtslos" denunzierten.
Vor diesem Hintergrund gewinnt die Frage, welche Aspekte der slawischen Geschichte gewürdigt werden und wie das geschieht, durchaus an Bedeutung. Wenn ich mich recht erinnere, haben deshalb gerade DDR-Historiker versucht, vorhandene Defizite aufzuarbeiten [2].
Bei Herrmann [3] fand ich den Hinweis, dass in der Gemeinde Wustrow im Hannoverschen Wendland 1756 der Tod der letzten drawehnopolabisch sprechenden Frau im Sterberegister vermerkt wurde - habe bisher nicht mal gewusst, dass es eine solche Sprache gab. :rotwerd:
[1] Vorrede zu Geschichten der romanischen und germanischen Völker von 1494 bis 1514 (1824), hier zitiert nach der 3. Auflage 1885, S. V.
[2] Am bekanntesten wohl das Handbuch
Die Slawen in Deutschland. Geschichte und Kultur der slawischen Stämme westlich von Oder und Neiße vom 6. bis 12. Jahrhundert, hg. v. J. Herrmann. Berlin 1970, letzte Aufl. 1985, das ich leider nicht zur Verfügung habe.
[3]
Die Slawen in der Frühgeschichte des deutschen Volkes. Braunschweig 1989, S. 28.