Andere Wissenschaftler widersprechen ihnen. Forscher um den kanadischen Geologen Ali Aksu deuten den Durchbruch am Bosporus vollkommen anders. Das Wasser sei in umgekehrter Richtung geflossen, also vom Schwarzen Meer ins Marmarameer. Dabei sei es viel beschaulicher zugegangen als behauptet. Also doch keine Sintflut?
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Aksu und seine Kollegen fanden im Marmarameer hingegen einen Sedimentfächer, wie er an der Mündung eines Flusses entsteht. Diesen hinterließ anscheinend vor 10 000 Jahren der Wasserstrom des Schwarzen Meeres, als er in das zwanzig Meter tiefer gelegene Marmarameer überlief - das Wasser sei also in entgegengesetzter Richtung geflossen. Aksu zufolge hatte zuvor das Schmelzwasser von Flüssen das Schwarze Meer aufgefüllt. Altersbestimmungen der Ablagerungen ergaben, daß der Sedimentkegel binnen tausend Jahren aufgeschwemmt wurde.
Beweise für seine "Ausfluß-Hypothese" finde man auch in anderen Sedimentschichten, sogenannten Sapropelen, die sich von 12 000 bis 7000 Jahren vor unserer Zeit am Grund des Marmarameers abgelagert haben, meint Aksu. Der schwarze Schlamm, der sich wie Erdnußbutter anfühlt und nach faulen Eiern riecht, besteht aus Tier- und Pflanzenresten, die nicht verwesen konnten, weil kein Sauerstoff an sie gelangte.
Normalerweise ist Meerwasser gut mit Sauerstoff durchlüftet. Wird es jedoch schlecht durchmischt, ist in den unteren Wasserschichten bald aller Sauerstoff verbraucht. Laut Aksu soll leichtes Süßwasser aus dem Schwarzen Meer ins Marmarameer geflossen sein, das daraufhin an Sauerstoff verarmt sei.