Dertosa, Entscheidungsschlacht des 2. Punische Kriegs

Die ganzen Simulationen gehen von einer Realität in der gegebenen Situation X aus. Dann entwickeln sie eine Prognose wie es basierend auf den bekannten Fakten weitergeht.
vermutlich bin ich auf beiden Augen blind, aber ich sehe die historische Realität (so weit man sie erfassen kann) der Überlegung was wäre, wenn die Römer bei Dertosa verloren hätten wirklich nicht, sondern halte das für eine bloße Spielerei (die vielleicht belletristisch unterhaltsam wäre)
 
vermutlich bin ich auf beiden Augen blind, aber ich sehe die historische Realität (so weit man sie erfassen kann) der Überlegung was wäre, wenn die Römer bei Dertosa verloren hätten wirklich nicht, ...

Scheint so :grübel:

Ich halte die Frage, wäre Rom untergegangen, wenn eine weitere karthagische Armee in Italien aufgetaucht wäre oder nicht und wenn nein, warum nicht, sehr wohl für mehr als eine Spielerei.

Ich habe mich während meines Studiums der Betriebswirtschaft in den 80ern mit Simulationen auf Basis System Dynamics beschäftigt. Die Studie "Grenzen des Wachstums" des Club of Rome ist sicher ein Begriff. Es spricht Nichts dagegen, solche Modelle auch auf historische Gesellschaften anzuwenden.

Nach meiner Erfahrung eignen sich solche Modelle allerdings weniger zur konkreten Vorhersage. Was aber jedes Modell offenlegt ist, welche Parameter sensibel für das Gleichgewicht des Modells sind und welche das Modell vollkommen kalt lassen. Noch interessanter ist dann die sich anschliessende Frage, welche wissenschaftlichen Annahmen bei diesen sensiblen Parametern zu der beobachteten Wirkung geführt haben. Das gibt Hinweise für weitere Forschungsschwerpunkte.

Wenn beispielsweise ein Simulationsmodell zum Untergang des weströmischen Reiches im 5ten Jhdt. aufzeigen würde, daß die Geburtenrate vollkommen egal ist, weil das Modell hier selbststabiliserend wirkt, dann bringt es wenig, hier noch weiter zu forschen und noch einen Artikel zum Bevölkerungsrückgang in der Spätantike zu veröffentlichen.

Hätten wir ein solches Modell zur Zeit der punischen Kriege, so wäre ich nicht überrascht, wenn eine Niederlage in Spanien, abgesehen von kurzen Irritationen im Modell, null und nix ändern würde. Das Modell könnte helfen, die Frage zu beantworten, warum das so gewesen sein müsste. Damit würden auch weitere Hinweise für die wahren Gründe des römischen Siegs über Karthago gegeben.
 
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Alternate History kann natürlich keine historische Realität sein, weil sich die Geschichte sich eben historisch anders entwickelt hat.
Trotzdem findet man auch in Werken wissenschaftlicher Historiker immer wieder Kritik am historischem Verhalten von historischen Persönlichkeiten. Beispielsweise gibt es jede Menge "Pompejusschelte" über dessen Führung in der Schlacht von Pharsalos, was er hätte anders machen sollen, dass es besser gewesen wäre, die Schlacht überhaupt nicht zu führen, sondern weiterhin auf die Abnutzung von Cäsars Armee zu setzen usw.
Was ist nun so schlimm daran, dass ich als Hobbyhistoriker etwas vergleichbares mit Dertosa mache und darüber hinaus die weiteren Folgen diskutiere?
 
Nach meiner Erfahrung eignen sich solche Modelle allerdings weniger zur konkreten Vorhersage.
das unterschreibe ich für vergangene Ereignisse sofort :winke:;)

Was aber jedes Modell offenlegt ist, welche Parameter sensibel für das Gleichgewicht des Modells sind und welche ins Chaos führen.
das ist sicher abhängig davon, wie genau, wie detailliert das Modell ist - wie genau oder besser vermutlich realitätsnah lässt sich ein Modell der fraglichen Zeit und Ereignisse zusammenbauen? genügt die Informationsmenge, um solche Modelle zu erstellen?

Noch interessanter ist dann die sich anschliessende Frage, welche wissenschaftlichen Annahmen bei diesen sensiblen Parametern zu der beobachteten Wirkung geführt haben. Das gibt Hinweise für weitere Forschungsschwerpunkte.
auch bei Modellen, die auf eher vagen Informationen beruhen?

Wenn beispielsweise ein Simulationsmodell zum Untergang des weströmischen Reiches im 5ten Jhdt. aufzeigen würde, daß die Geburtenrate vollkommen egal ist, weil das Modell hier selbststabiliserend wirkt, dann bringt es wenig, hier noch weiter zu forschen und noch einen Artikel zum Bevölkerungsrückgang in der Spätantike zu veröffentlichen.
das mag innerhalb des Modells gelten, ob in diesem fiktiven/konstruierten Fall auch außerhalb, ist eine andere, themenspezifische Frage.

zu Dertosa und evtl. sensiblen Modellen:
ginge die gesamte röm. Truppe bei Dertosa unter oder nur eine verlorene Schlacht?
 
Was ist nun so schlimm daran, dass ich als Hobbyhistoriker etwas vergleichbares mit Dertosa mache und darüber hinaus die weiteren Folgen diskutiere?

Schlimm ist da Nichts dran.

Allerdings würde ein brauchbares Simulationsmodell mehrere Lehrstühle verschiedener Fakultäten auf Jahre beschäftigen, alleine um allgemein anerkannte Eingangsparameter und Regelkreise zu definieren.

Bis dahin bleiben kontrafaktische Analysen leider oft nur ein nettes Gespräch. Aber auch dazu sollen Foren ja gut sein ;)
 
Es spricht Nichts dagegen, solche Modelle auch auf historische Gesellschaften anzuwenden.

Doch, weil sie völlig ungeeignet sind. Sie basieren im wesentlichen auf der multivariaten regressionsanalytischen Aufbereitung von Daten, nicht selten im Rahmen von zeitreihenanalytischen Modellen (Box-Jenkins etc.). Diese Informationen sind die Voraussetzung für die Simulation variierender Annahmen zukünftiger Zustände.

Und das funktioniert lediglich für Systeme, für die man messbare Zustände (am besten intervallskaliert) erfassen kann. Und genau das kann man für Gesellschaften nicht. Und schon gar nicht retrospektiv.

Ein Problem, das man auch am Modell bzw. Vorgehen von K.W. Deutsch (teilweise am WZB in Berlin) und seinem "Weltmodell" erkennen kann. Er wollte politische Konflikt frühzeitig erkennen bzw. prognostizieren und dann präventiv eingreifen können. Eigentlich eine sehr gute Idee!

Politische Kybernetik - Karl W. Deutsch - Google Books

basierend auf dem
World Handbook of Political and Social Indicators: Political protest and ... - Charles Lewis Taylor, David A. Jodice - Google Books

Was Du meinst, ließe sich am ehesten im Rahmen von wissenschaftlichen Modellen der Szenarioanalyse leisten.

Szenariotechnik ? Wikipedia

wie bei Reibnitz in einer Pionierarbeit beschrieben.

Szenario-Technik - Ute “von” Reibnitz - Google Books
 
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das ist sicher abhängig davon, wie genau, wie detailliert das Modell ist - wie genau oder besser vermutlich realitätsnah lässt sich ein Modell der fraglichen Zeit und Ereignisse zusammenbauen? genügt die Informationsmenge, um solche Modelle zu erstellen?


auch bei Modellen, die auf eher vagen Informationen beruhen?

Das sind durchaus spannende Fragen. Vielleicht der Grund, warum Historiker anders als andere Fakultäten bisher davon abgesehen haben. Allerdings führt jedes Modell zu Ergebnissen. Ob die Ergebnisse dann brauchbar sind oder zumindest Hinweise für einen zielgerichteten Ausbau des Modell geben, weiss man erst, wenn mans gemacht hat. Brauchbare Modelle sind oft ein jahrelanger iterativer Prozess.
 
Allerdings führt jedes Modell zu Ergebnissen.

Daran zweifelt niemand-:scheinheilig::winke:

Ob die Ergebnisse dann brauchbar sind oder zumindest Hinweise für einen zielgerichteten Ausbau des Modell geben, weiss man erst, wenn mans gemacht hat.

Bösartig gesagt: Ob einem ins eigene Knie zu bohren weiterhilft, weiß man auch erst wirklich, wenn man es versucht hat.
Man gerät hier doch schnell auf das Gebiet der sich selbst erforschenden Wissenschaft.
 
Daran zweifelt niemand-:scheinheilig::winke:



Bösartig gesagt: Ob einem ins eigene Knie zu bohren weiterhilft, weiß man auch erst wirklich, wenn man es versucht hat.
Man gerät hier doch schnell auf das Gebiet der sich selbst erforschenden Wissenschaft.

Es scheint ich war etwas unpräzise, weshalb du die Botschaft nicht verstehen konntest.

Es gibt immer Ergebnisse. Und die dürfen gerne wissenschaftlich irrelevant sein!

Wissenschaftliche Erkenntnisse entstehen bereits in der geordneten Diskussion um Prozesse, Regelkreise und Parameter eines komplexen, dynamischen Systems, die durch das modellhafte Vorgehen erzwungen wird.
 
Wissenschaftliche Erkenntnisse entstehen bereits in der geordneten Diskussion um Prozesse, Regelkreise und Parameter eines komplexen, dynamischen Systems, die durch das modellhafte Vorgehen erzwungen wird.
ist das wirklich restlos immer so?
wenn ich mir ein bescheuertes, aber dennoch in sich stimmiges "System" mit nicht stubenreinen kleinen Schrumpfgermanen, welche gegen dekadente verweichlichte Miniaturrömer antreten, ausmale - was wäre an dieser Spielerei die wissenschaftliche Erkenntnis?
 
ist das wirklich restlos immer so?
wenn ich mir ein bescheuertes, aber dennoch in sich stimmiges "System" mit nicht stubenreinen kleinen Schrumpfgermanen, welche gegen dekadente verweichlichte Miniaturrömer antreten, ausmale - was wäre an dieser Spielerei die wissenschaftliche Erkenntnis?

Ein seriöses wissenschaftlich fundiertes Herangehen an die Sache habe ich allerdings vorausgesetzt :autsch:

Ich will hier auch Niemand von Simulationsmodellen überzeugen. Es andererseits als reine Spielerei abzutun, halte ich aber für zu ignorant.
 
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In der älteren militärhistorischen Literatur war das eine beliebte Übung, "die Entscheidungsschlacht" heraus zu kristallisieren oder aufzulisten. Kataloge gibt es auch bei Wikipedia oder in der populären Literatur.

In der jüngeren militärwissenschaftlichen Literatur ist das nur eine noch anzutreffende Strömung, die andere begreift die historische Dimension von Schlachten eher als Kulminationspunkt von "entscheidenden" Kampagnen und Ressourcen- bis hin zu kulturellen oder politischen Entwicklungen. Aber das führt hier wohl zu weit, der Hinweis sollte auch nur zum Nachdenken über den situativ begrenzten (sozusagen nicht-dynamischen) Aspekt der älteren Betrachtungsweise von "Entscheidungsschlachten" anregen.

Ich habe das "Dogma der Entscheidungsschlacht", so verstanden, immer für ein Kunstprodukt gehalten, auf dem man gut rumschlagen kann. Die ernsthafte ältere Militärforschung hatte nie ein so simples Erklärungsmodell.


Zur Frage alternativer Modelle nach Dertosa: man müßte bestimmte Einflußfaktoren quantifizieren, um zu Wahrscheinlichkeiten bezüglich des Bundesgenossenverhaltens zu kommen. es geht hier ja nicht nur um militärische Fragen, wie Truppenstärken, Versorgungswege, Klima, Ausrüstung, sondern um sehr subjektive politische Zukunftsprognosen gepaart mit Sympathiefragen. Wenn Cannae und Co nicht ausreichten, um den großen Umschwung bei Roms Verbündeten zu erreichen, wieso und in welchem Maß dann Dertosa? Das muß man beantworten und ich wüßte dazu keine Antwort.
 
Grundsätzlicher Ablauf Strategischer Simulationen

In der Praxis wird man versuchen faktische Gegebenheiten in Zahlenwerte umzusetzen. Diese werden dann in ein Modell integriert, dann wird aufgrund unterschiedlicher Kommando Entscheidungen ein wahrscheinliches Resultat errechnet.
Beispiel: Man teilt die Truppen in Einheiten auf am besten aufgrund historischer Größen wie Centurien, Manipel oder Kohorten. Den wird dann ein Angriffs- und Verteidigungswert zugewiesen. Hinzu kommen noch ein Moralwert sowie eine Anzahl maximaler Trefferpunkte. Letzteres ist die Zahl der Verluste die notwendig ist bis die Einheit ausblutet oder kampfunfähig ist. Diese mathematischen Größen bewerten auch die Qualität der Einheiten. Dann berechnet der Computer eine Trefferwahrscheinlichkeit, teilt das ganze in Kampfrunden eine und weist dann Treffer zu. Irgendwann ist eine Einheit eliminiert oder flieht, weil ihr Moralwert gebrochen ist. Das über das ganze Schlachtfeld übertragen führt dann zu einem Gesamtergebnis für die Schlacht.
Diese Simulationen können sehr komplex und auch sehr realistisch sein wie etwas im Pentagon oder bei simulierten Bundeswehrmanövern.
Das ganze gibt es auch in Spielform Spieltyp Conflict Simulationsspiel kurz Cosim. Hier überwiegt aber das Spielerische die Simulation; für das Wissenschaftliche sind Cosims nur wenig geeignet.
Ich möchte abschließend noch den Namen Bruchmüller aus dem ersten Weltkrieg bringen. In den ersten Jahren des Krieges war es notwendig die Artillerie langwierig einzuschießen, bis die Salven mit Hilfe vorgeschobener Beobachter dann schließlich im Ziel hingen. Der deutsche Artillerieoffizier Bruchmüller (und auch die Alliierten unabhängig von diesem) entwickelten mathematische Simulationsmodelle, die Erfahrungswerte aus bereits durchgeführten Artilleriebombardments mit Geländeeigenschaften, Windeinflüssen und spezifischen Eigenschaften des jeweiligen Geschütztyps berücksichtigen. Mit Hilfe dieser Modelle erreichte Bruchmüller, dass bei den deutschen Offensiven 1918 bereits die erste Artillerie Salve im Ziel lag ohne Einschießen.
 
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Ich möchte abschließend noch den Namen Bruchmüller aus dem ersten Weltkrieg bringen. In den ersten Jahren des Krieges war es notwendig die Artillerie langwierig einzuschießen, bis die Salven mit Hilfe vorgeschobener Beobachter dann schließlich im Ziel hingen. Der deutsche Artillerieoffizier Bruchmüller (und auch die Alliierten unabhängig von diesem) entwickelten mathematische Simulationsmodelle, die Erfahrungswerte aus bereits durchgeführten Artilleriebombardments mit Geländeeigenschaften, Windeinflüssen und spezifischen Eigenschaften des jeweiligen Geschütztyps berücksichtigen. Mit Hilfe dieser Modelle erreichte Bruchmüller, dass bei den deutschen Offensiven 1918 bereits die erste Artillerie Salve im Ziel lag ohne Einschießen.


Ich glaube kaum, dass hier jemand den Sinn von Simulationen an sich anzweifelt.
Natürlich kann man theoretische Flugbahnen berechnen, ohne dass man die Kanone wirklich jedesmal abfeuert. Eben wenn man die oben genannten Parameter kennt.
Überhaupt ist hier die Zahl der Eingangsparameter überschaubar.

Etwas ganz anderes sind doch Simulationen antiker Ereignisse, da hier nur rudimentäre Informationen vorliegen, wobei wir selbst von denen wissen, dass sie stark subjektiv eingefärbt sind.
Und wenn wir ehrlich sind, haben wir nicht wirklich eine Ahnung, welche Parameter den Ausgang tatsächlich alles beeinflussen.
 
In der Praxis wird man versuchen faktische Gegebenheiten in Zahlenwerte umzusetzen. Diese werden dann in ein Modell integriert, dann wird aufgrund unterschiedlicher Kommando Entscheidungen ein wahrscheinliches Resultat errechnet.
Beispiel: Man teilt die Truppen in Einheiten auf am besten aufgrund historischer Größen wie Centurien, Manipel oder Kohorten. Den wird dann ein Angriffs- und Verteidigungswert zugewiesen. Hinzu kommen noch ein Moralwert sowie eine Anzahl maximaler Trefferpunkte.

Und genau das ist - neben dem Superlativ* Entscheidungsschlacht - das Problem: Das ganze wird auf Mathematik reduziert und der Faktor Mensch, der Faktor Zufall (Schicksal, Glück, Pech), der Faktor Gelände etc. werden nicht berücksichtigt. Wenn z.B. gerade der sonst charismatische Heerführer A oder der Standartenträger B sich den Magen verdorben hat, dann kann das Auswirkungen auf die ganze Schlacht haben, die völlig unvorhersehbar sind.
Ein Computerspiel, bei dem Truppengattungen, Waffen und Rüstungen Angriffs- und Verteidigungswerte haben, funktioniert eben anders, als die Realität, der wir Menschen unterworfen sind. Aber selbst, wenn wir so wie ein Computerspiel funktionieren würden und man die römischen und punischen Truppen nach Angriffswerten und Verteidgungswerten klassifizieren könnte, würden uns a) valide Zahlen über die Einheiten fehlen und b) die praktische Kenntnis dessen, welcher Truppengattung denn nun tatsächlich welcher Zahlenwert zuzuordnen wäre.

Kurz: Die Methode lässt sich auf den Menschen nicht anwenden und wenn sie anwendbar wäre, fehlten und immer noch die validen Zahlen.

Bruchmüllers Leistung ist eine andere. Der operierte ja wohl mit Erfahrungswerten.


*Klar, grammatikalisch kann nur ein Adjektiv Komparative und Superlative bilden. Jedoch ist der Terminus Entscheidungsschlacht gewissermaßen auch die äußerste Steigerung.
 
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Kurz: Die Methode lässt sich auf den Menschen nicht anwenden und wenn sie anwendbar wäre, fehlten und immer noch die validen Zahlen.

Etwas ganz anderes sind doch Simulationen antiker Ereignisse, da hier nur rudimentäre Informationen vorliegen, wobei wir selbst von denen wissen, dass sie stark subjektiv eingefärbt sind.

Und doch könnten Simulationen hier helfen.
Die Bewegungsparameter eines grossen Heeres sind in der Antike nicht viel anders als in der Renaissance. Wenn man eine Simulationsberechnung an bekannten Heeren unterschiedlicher Zeiten geeicht hat, das heisst die Berechnung liefert die bekannten Ergebnisse, dann kann man auch relativ verlässliche Aussagen für die Antike herleiten.
Also in der Art:
"Das antike Heer xy konnte nicht auf dem angenommenen Weg von A nach B kommen, weil die überlieferte Zahl der Soldaten unmöglich in der zur Verfügung stehenden Zeit eine Engstelle auf der Route passieren konnte"
Wie Archäologie, Ethymologie etc. funktioniert eine Simulation auch nur im Rahmen ihrer Möglichkeiten und fehlerfrei sind die Erstgenannten auch nicht. Ich bin ziemlich sicher, dass aus dem Umfeld der Spielesimulationen neue Methoden für die Historik erwachsen, deren Theorien oft in vielen Aspekten auf bisher nur rudimentär überprüften Annahmen basieren.
Z.B. zur Bewegungsmöglichkeit römischer Heere in Germanien, oder wenn wir die Wirtschaftssimulationen nehmen, zum landwirtschaftlichen Potential antiker Gesellschaften.
Bisher wird dort lediglich ein wichtiger Aspekt herausgegriffen (Getreideverbrauch, landwirtschaftliche Nutzflächen...) von dem dann Alles andere abgeleitet wird.
Das Problem ist, dass sich komplexe Systeme mit jedem neuen Parameter zunehmend unvorhersehbarer verhalten. Eine Überprüfung aller pauschalen Annahmen zusammengenommen wäre also zweckmässig. Das können aber nur Computer.
Wenn man nun eine Simulation mit einigen dieser Annahmen füttert, und die Simulation zu dem Ergebnis kommt, daß das Römische Reich im Jahre xy für die bisher angenommene Bevölkerungszahl nicht genügend Getreide produzierte, heisst das ja nicht, daß die Leute damals verhungert sind. Es liefert aber einen Hinweis, dass einige der Eingangsannahmen grob falsch sein könnten.

Dass eine derartige Simulation allein die Realität zurückrechnen könnte ist natürlich eine Utopie.

Gruss
jchatt
 
Wie Archäologie, Etymologie etc. funktioniert eine Simulation auch nur im Rahmen ihrer Möglichkeiten und fehlerfrei sind die Erstgenannten auch nicht.

Die Archäologie sichert und analysiert einen Bodenbefund, die Etymologie (wobei ich nicht sicher bin, ob du nicht die Historiolinguistik meinst, die eine beschäftigt sich mit der historischen Bedeutungsentwicklung, die andere mit der historischen Lautbildentwicklung) einen sprachlichen Sachverhalt. Selbstverständlich haben beide ihre Grenzen, aber der Faktor Mensch, der eine Simulation á la Computerspiel unmöglich macht, spielt hierbei in sehr viel eingeschränkterem Maße eine Rolle. Abgesehen davon bleibt das Problem bestehen, dass das Problem, dass man ohne valide Daten, die Parameter des Systems nicht füllen kann.
 
Die Archäologie sichert und analysiert einen Bodenbefund, die Etymologie (wobei ich nicht sicher bin, ob du nicht die Historiolinguistik meinst, die eine beschäftigt sich mit der historischen Bedeutungsentwicklung, die andere mit der historischen Lautbildentwicklung) einen sprachlichen Sachverhalt. Selbstverständlich haben beide ihre Grenzen, aber der Faktor Mensch, der eine Simulation á la Computerspiel unmöglich macht, spielt hierbei in sehr viel eingeschränkterem Maße eine Rolle.

Sagen wir mal so.
Der Historiker oder Archäologe oder Linguist mit seinen Fehleinschätzungen und die Geschichtsinteressierten die ihnen folgen sind genauso unberechenbar wie die Menschen in der Antike. Eine auf granularen Annahmen basierende mathematische Simulation bietet ein gewisses Maß an unabhängiger Überprüfbarkeit einer Theorie.

Abgesehen davon bleibt das Problem bestehen, dass man ohne valide Daten, die Parameter des Systems nicht füllen kann.

Doch kann man wohl. Und an dem Ergebnis kann man abschätzen ob die Daten valide waren, sofern man der Berechnung trauen kann. Das war es was ich zum Ausdruck bringen wollte.

Gruss
jchatt
 
Das können aber nur Computer.

Gerade das können sie nicht.
Wir haben ja nicht das Problem, dass wir zu viele Informationen hätten, die wir quantifizieren und qualifizieren müssten, sondern ausgesprochen wenige Informationen, deren Bedeutung, Wahrheitsgehalt, Überlieferungsgetreue usw. wir bei jedem einzelnen intensiv überprüfen müssen.
 
Doch kann man wohl. Und an dem Ergebnis kann man abschätzen ob die Daten valide waren, sofern man der Berechnung trauen kann. Das war es was ich zum Ausdruck bringen wollte.
Also "x + 2 = y. Errechne x und y!"? Wie soll das gehen?

Wenn du für x n einsetzt, wirst du immer rausbekommen, dass n + 2 = y, dass 2 der Differenzwert zwischen n = x und y ist etc. Aber du hast allenfalls die Illusion valider Daten erhalten, nicht wirklich valide Daten.
 
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