Luther hat durchaus betont, dass Jesus, Paulus und die Apostel Juden waren, und er hoffte, die Juden dazu bewegen zu können, zu konvertieren .
Eben. Er verehrte sie aber nur deshalb, weil sie zwar ursprünglich Juden waren, dann aber keine Juden mehr sein wollten. Sprich: In Luthers Augen machte erst die Abkehr vom Judentum einen Juden zu einem akzeptablen Menschen. Wie Christus selbst. Der war ja auch "anfangs" Jude. Nur zur Sicherheit: Das ist NICHT meine Meinung! Ich habe selbst jüdische Vorfahren! Jedenfalls einige.
Zur Ausgangsfrage:
Antisemitismus ist kein deutsches Phänomen. Das gab und gibt es weltweit. Seit es das Christentum gibt und vor allem seit das Christentum Staatsreligion wurde.
Historisch betrachtet, sehe ich dafür unter anderem die folgenden drei Gründe:
1. Die Christen mochten die Juden nicht leiden, weil die Juden Christus gekreuzigt haben. Jedenfalls steht das so in der Bibel.
2. Aus religiösen Gründen war es den Christen in Europa verboten, Geld zu verleihen und Zinsen dafür zu nehmen (Zinsverbot seit dem frühen 12. Jahrhundert). Was aus religiösen Gründen verboten war, war jedoch aus ökonomischen Gründen unerlässlich. Man brauchte ein Kreditsystem. Da "bediente" man sich der Juden, die hinsichtlich Geldverleih keinen religiösen Restriktionen unterlagen. Folge: Nicht alle Juden in Europa waren Geldverleiher, aber alle Geldverleiher waren Juden. Und Geldverleiher, denen man Zinsen zahlen muss, kann man im Allgemeinen nicht leiden. Literarischer Beleg: Shylock aus dem "Kaufmann von Venedig", der erbarmungslos sein "Pfund Fleisch" einforderte.
3. Die jüdischen Gemeinden in Europa zeichneten sich immer durch ein gewisses Maß an Segregation aus. Hier auch wieder eine Klarstellung: Ich werte das nicht! Schon gar nicht negativ! Es ist aber ein Faktum, dass es die jüdische Kultur schon seit Jahrhunderten nicht mehr geben würde, wenn sich das Judentum in Europa nicht in gewisser Weise von der übrigen Gesellschaft abgegrenzt hätte - zum Beispiel durch die bis heute bekannte Institution der jüdischen Heiratsvermittler.
Diese drei Faktoren führten dazu, dass Juden ausgegrenzt wurden, dass infolge der eingeübten Ausgrenzung Juden als "fremd" empfunden wurden und dass man ihnen oft mit Abneigung begegnete. Nicht nur in Deutschland. In ganz Europa. Diese Abneigung hat sich tradiert. Alle diese Faktoren sind wirksam gewesen lange bevor es Nazis gab. Hier mal ein Link, in dem es um eine antisemitische "Tradition" in Mittelhessen geht:
Jüdische Gemeinde Marburg ? Wikipedia
Jene "Alte Synagoge", die in dem Text erwähnt wird, liegt an einer Gasse, die im Volksmund noch heute als "Dreckloch" bekannt ist. Das bezieht sich nicht etwa auf die dort ehemals ansässige jüdische Gemeinde. Es bezieht sich auf den Umstand, dass in mittelalterlicher Zeit die Abwässer vom Schloss in einem offenen Kanal direkt an der Synagoge vorbei in Richtung Lahn runterrauschten. Um zu verstehen, was das bedeutet hat, muss man sich klarmachen, dass Synagogen gemäß den Vorschriften der jüdischen Religion in der Nähe von frischem, reinem Wasser errichtet werden müssen.
Der deutsche Antisemitismus, der ab 1933 so "wirksam" wurde, fußt auf diesen "Traditionen". Was Deutschland "einzigartig" macht, sind die folgenden beiden Punkte:
1. Anders als alle Völker der Welt haben die Deutschen in der Nazizeit ein System ersonnen, industriell organisierten Massenmord an den Juden zu begehen.
2. Es bestand überhaupt kein "Anlass" mehr, Abneigung gegen Juden zu empfinden. Meiner Ansicht nach gab es kein anderes Land in der Welt, in dem Juden so sehr Teil der Gesellschaft geworden waren. Das hat die Nazis aber nicht interessiert. Die haben auch Leute in die Gaskammern gezerrt, die noch ihre Orden aus dem Ersten Weltkrieg trugen. Auch hier wieder die Klarstellung: Ich halte keinen denkbaren "Anlass" für hinreichend, Menschen zu ermorden. Ich will damit nur sagen, dass mir bis heute unerklärlich ist, wie es den "Gasmännern" damals gelungen ist, eine völlig unauffällig Bevölkerungsgruppe zu Feinden zu erklären.
MfG