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Die Dissertation des Historiker Boris Barth (Jacobs University Bremen) "Deutsche Hochfinanz und Imperialismen" (S. 170 ff.) von 1995 veranlaßt mich zu einigen Anmerkungen zur Krügerdepesche. Diese gilt als eine der bekannten Ungeschicklichkeiten von Wilhelm II. (Wortlaut bei
Krüger-Depesche ? Wikipedia), mit der ohne Not des deutsch-englische Verhältnis schwer belastet wurde.
Das Transvaal (Südafrikanische Republik) war seit 1884 - von England anerkannt - ein voll unabhängiger Staat. Ein Freundschafts- und Handelsvertrag mit Deutshland 1885 gehört zu den ersten (oder war gar der erste?) völkerrechtlichen Verträgen der jungen Rrepublik. Deutsche Unternehmen investierten in hohem Maße imTransvaal (die Zahlen sind sehr unzuverlässig, die Reichsregierung schätzte das Volumen 1896 auf 500 Mio. Reichsmark, von den europäischen Investitionen kamen 1/4 bis 1/3 aus Deutschland). Es handelte sich vornehmlich um spekulative, hochprofitablen Minenunternehmen (aber auch Eienbahnen, Kraftwerke, etc.). Am erfolgreichsten war die zur Deutschen Bank gehörende Firma Goertz, aber auch die Dresdner Bank Gruppe, Krupp, Siemens, etc. waren vertreten (die Reichsregierung unterstützte solche Investitionen). Die Niederländisch-Südafrikanische Eisenbahngesellschaft mit Sitz in den Niederlanden (Nederlandsch Zuid-Afrikaansche Spoorweg Maatschappij, gegründet 1894), aber von deutschem Kapital kontrolliert, schuf die Verbindung von Pretoria nach Lorenco Marques im portugiesischem Mosambique und machte das Transvaal von der Kapkolonie unabhängig (politisch nach der Unabhängigeit eine zwingende Maßnahme, was in der Kapkolonie natürlich äusserst ungern gesehen wurde). Eine weitere Maßnahme die Unabhängigkeit zu bewahren war die Gründung der Nationalbank (mit dem alleinigen Recht Banknoten auszugeben), die vornehmlich von Deutschen betrieben wurde (als Sitz war sogar Berlin im Gespräch, tatsächlich wurde es Pretoria). Als der geschäftliche Erfolg ausblieb, verloren die Deutschen das Interesse und die Regierung in Transvaal erhielt die Macht in der Nationalbank.
Goldfunde machten das Transvaal zum wirtschaftlich wichtigsten Staat in der Region (die Kapkolonie verlor an Bedeutung) - brachten auch das das Problem der Uitlanders (Ausländer). Die englische Politik isolierte das Transvaal (kein Zugang zum Meer, keine Grenze mit deutschem Gebiet). Dies und die unklaren Grenzen im Inneren Afrikas führten zu Unstimmigkeiten zwischen Deutschland und England, die im Delagoa Bay Streit (es ging um Eisenbahnkonzessionen im - portugiesischem - südlichen Mosambique) endeten.
Der 5-tägige erfolglose Jameson-Raid 1895/1896 (Cecil Rhodes' - Premierminister der Kapprovinz - Idee, die Burenregierung wegzuputschen und das Transvaal in die Kapkolonie einzugliedern) führte zu erheblichen Verstimmungen. Der deutsche Botschafter in London wurde angewiesen um seine Pässe zu bitten, falls er den Eindruck habe, die britische Regierung billige den Jameson-Raid. Wilhelm II. konnte nur mit Mühe davon abgehalten werden, Truppen ins Transvaal zu senden (was vermutlich zum Krieg mit England geführt hätte). Wilhelm II. hat immer wieder das Verwandschaftsverhältnis zu den Buren (viele waren Rheinländer) herausgestellt, Deutschland war immerhin - u.a. - ein Nationalstaat. Offensichtlich war man der Auffassung, dass irgendeine Reaktion erfolgen müsse. Die Reichsleitung sandte schließlich - nach der Gefangennahme von Jameson durch Präsident Krüger - die bekannte Krügerdepesche (aufgesetzt von Paul Kayser, Leiter der Koloninalabteilung des Auswärtigen Amtes). Das Telegramm wurde in Deutschland gut, in England schlecht aufgenommen. Der deutsche Versuch, eine gegen Enand gerichtete diplomatische Konstellation herbeizuführen, scheiterte.
Jameson hatte 560 Mann zur Verfügung, im zweiten Burenkrieg 1899-1902 brauchte das Empire eine halbe Million Sodaten (Massie, Schalen des Zorns, S. 236), eine - von Shermanns Marsch zum Meer inspirierte und von Hitler als verbrannte Erde weitergeführte - gegen die Zivilbevölkerung gerichtete Kriegsführung - drei Monate nach Abschluß der Haager Verträge.
Deutschland hatte beachtliche Interessen im Transvaal, allerdings keine Mittel diese zu schützen. Das erste Flottengesetz zum Schutz der Kolonien und des Außenhandels verabschiedete der Reichstag 1898. Die englischen Motive werden letztlich ausschließlich in der Eroberung des rohstoffreichen Landes gesehen. Könnte aber nicht ein mächtiges Transvaal (verbunden mit Deutschland) mit der Zeit die Kapkolonie bedeutungslos werden lassen?