Und für mich geht aus der angegebenen Stelle der Lutherübersetzung klar hervor, dass die Lade gemeint ist: Der Tempel wurde ja gebaut, um sie aufzunehmen. Hier sehe ich dann wieder einen parallelen Aufbau.
Allerdings handelt es sich hier nicht um einen poetischen Text.
Ich will ja nicht abstreiten, dass man die Stelle eventuell so interpretieren kann. Es scheint aber tatsächlich die
einzige Stelle in der ganzen Bibel zu sein. Für die Behauptung vom "gewöhnlichen Bild" ist mir das zu dünn.
Die Einheitsübersetzung merkt übrigens zu Klagelieder 2,1 folgendes an:
"Schemel seiner Füße: Gemeint ist der Tempel (vgl. 1 Chr 28,2)."
Aber Jesaja spielt hier auf die Bundeslade an: Er will sagen, dass Gott überall und nicht von der Lade abhängig ist.
Dafür bietet der Text überhaupt keinen Anhaltspunkt. Im ganzen Buch Jesaja wird die Lade gar nicht erwähnt.
Im Anschluss an die zitierte Stelle wird der Opferkult kritisch aufs Korn genommen:
Jesaja 66 schrieb:
Wer einen Stier schlachtet, gleicht dem, der einen Mann erschlägt; wer ein Schaf opfert, gleicht dem, der einem Hund das Genick bricht; wer ein Speisopfer bringt, gleicht dem, der Schweineblut spendet; wer Weihrauch anzündet, gleicht dem, der Götzen verehrt
Vgl.
Jesaja 1 schrieb:
Was soll mir die Menge eurer Opfer?, spricht der Herr. Ich bin satt der Brandopfer von Widdern und des Fettes von Mastkälbern und habe kein Gefallen am Blut der Stiere, der Lämmer und Böcke. Wenn ihr kommt, zu erscheinen vor mir - wer fordert denn von euch, dass ihr meinen Vorhof zertretet? Bringt nicht mehr dar so vergebliche Speisopfer! Das Räucherwerk ist mir ein Gräuel!
Mit der Bundeslade hat das alles gar nichts zu tun.
Vielmehr werden "Thron und Schemel" dem Tempel insgesamt gegenübergestellt. Wie an anderen Stellen auch...
Bezüglich des Jeremia-Zitates sehe ich es anders. Gerade bei diesem Heiligtum machte ein Neubau keinen Sinn, solange das Original existiert. (Es ist allerdings erhellend, dass der Autor einen Neubau für möglich erachtet, was wiederum heute viele Leute nicht verstehen können, die gewisse Dinge nur respektieren können, wenn sie original sind.)
Das verstehe ich nicht.
Im Text wird weder die Frage Original oder Nicht-Original erörtert noch die Frage, ob das Original noch irgendwo (unauffindbar) existiert oder nicht mehr existiert.
Der Autor spricht zu Leuten, die anscheinend die Bundeslade vermissen und mit dem Gedanken spielen, eine neue zu bauen.
Die Tempelgerätschaften wurden nicht entweiht
Vielleicht doch, siehe Daniel 5.
Es wäre seltsam, wenn man die Bundeslade entweiht, aber die Gerätschaften zur Verehrung desselben Gottes in Ehren hält.
Ich will hier keine Thesen verfechten, was mit der Bundeslade passiert ist, sondern nur klarstellen, dass sie schon vor 2500 Jahren spurlos verschwunden war.
Es
ist seltsam, dass die Lade in der Auflistung der geplünderten und zerstörten Kultgegenstände nie erwähnt wird. Das war ja nicht nur ein ideeller Wertgegenstand: mit Gold überzogen, außerdem Deckel, Ringe und Cherube aus Massivgold.
Nebukadnezar ließ den Tempel zweimal plündern. Das erste Mal bei der Festnahme Jojachins. Laut 2 Könige 24 "nahm Nebukadnezar alle Schätze des Hauses des Herrn und die Schätze des königlichen Palastes weg und zerbrach alle goldenen Geräte, die Salomo, der König von Israel, im Haus des Herrn hatte anfertigen lassen." Beim zweiten Mal wurde gründlich geplündert, diesmal wurden auch noch "alle Gegenstände aus Bronze" mitgenommen und das, was noch an Gold- und Silbergeräten übrig war.
2 Könige 25 schrieb:
Die kupfernen Säulen am Hause des Herrn und die Gestelle und das kupferne Meer, das am Hause des Herrn war, zerbrachen die Chaldäer und brachten das Kupfer nach Babel. Und die Töpfe, Schaufeln, Messer, Löffel und alle kupfernen Gefäße, die man beim Opferdienst brauchte, nahmen sie weg. Dazu nahm der Oberste der Leibwache die Pfannen und Becken, alles, was golden und silbern war, die beiden Säulen, das Meer und die Gestelle, die Salomo gemacht hatte für das Haus des Herrn. Das Kupfer aller dieser Gefäße aber war nicht zu wägen. Achtzehn Ellen hoch war eine Säule, und ihr Knauf darauf war auch aus Kupfer und drei Ellen hoch, und das Gitterwerk und die Granatäpfel an dem Knauf umher, alles war aus Kupfer. Genauso war auch die andere Säule mit ihrem Gitterwerk.
Bei einem Neubau fehlte im übrigen der Inhalt.
Der hätte sicher auch gefehlt, wenn die Lade von Plünderern mitgenommen worden wäre. Wozu auch die Steintafeln mitschleppen?