fingalo
Aktives Mitglied
Im Investiturstreit wurden Texte aus der Frühzeit der Kirche als Argument herangezogen.
Aber an einen Investitur"streit" als Machtkampf dachte zur Zeit ihrer Abfassung noch niemand. Man dachte und schrieb unter ganz anderen Gesichtspunkten. Erst unter Gregor bekamen die Texte plötzlich rückblickend eine andere Bedeutung und konnten im neuen Zusammenhang für die eigenen Positionen instrumentalisiert werden.
Nehmen wir Gelasius. Der schrieb an Kaiser Athanasius: "Denn ihr wißt es, allergnädigster Sohn: wohl überragt Ihr an Würde das ganze Menschengeschlecht; dennoch beugt Ihr fromm den Nacken vor den Amtswaltern der göttlichen Dinge und erwartet von ihnen die Mittel zum Seelenheil. Ebenso erkennt Ihr, daß Ihr beim Empfang der himmlichen Sakramente, wenn sie geziemend ausgeteilt werden, nach geheiligter Ordnung eher der demütig Nehmende, nicht aber der Befehlende seid. In diesen Dingen seid Ihr demnach vom Urteil der Priester abhängig und dürft sie nicht Eurem Willen unterjochen wollen. Wenn nämlich im Bereich der staatsrechtlichen Ordnung auch die Vorsteher der Religion willig anerkennen, daß Euch die kaiserliche Herrschaft durch göttliche Anordnung übertragen ist und deshalb auch sie Euren Gesetzen Gehorsam zu leisten haben, um nicht etwa in weltlichen Dingen Eurer einzig maßgeblichen Befehlsgewalt entgegen zu sein - wie freudig, so frage ich Euch, muß man denen gehorchen, die zur Austeilung der geheimnisvollen Mysterien gesetzt sind?"
Das Gelasius-Zitat ist in seinem Original kein Machtmittel, das für einen Investiturstreit entwickelt wurde.
Wenn man nach dem Einsatz von Mitteln im Investiturstreit fragt, dann muss man die Texte des konkreten Investiturstreites selbst nehmen und fragen, woher diese ihre Zitate genommen haben, mit denen sie operierten, und nicht, wie die zitierten Stellen selbst entstanden sind. Der Streit des Gelasius darüber, wer in theologischen Fragen zur Einheit der Kirche das Sagen hat, ist nicht Thema des Investiturstreites. Auch das Verhältnis Theoderichs zu Johannes I. ist kein Thema des Investiturstreites. Thema ist: Wer bestimmt mit welcher Kompetenz, wer welchen Posten zu bekleiden hat. Innerhalb dieses Themas werden dann theologie-politische Ereignisse und Positionen ausgegraben, die nicht selbst Gegenstand des Streites sind, sondern nun als Argumentationsbestandteil in neuer Problemstellung verwendet werden.
Im übrigen hat nicht Theodosius den Cäsaropapismus erfunden, sondern wohl schon Konstantin.
Dabei kommt natürlich auch die Frage auf, wie es zu diesem Streit kommen konnte und warum es in Ostrom nichts vergleichbares gab.
Fingalo
Aber an einen Investitur"streit" als Machtkampf dachte zur Zeit ihrer Abfassung noch niemand. Man dachte und schrieb unter ganz anderen Gesichtspunkten. Erst unter Gregor bekamen die Texte plötzlich rückblickend eine andere Bedeutung und konnten im neuen Zusammenhang für die eigenen Positionen instrumentalisiert werden.
Nehmen wir Gelasius. Der schrieb an Kaiser Athanasius: "Denn ihr wißt es, allergnädigster Sohn: wohl überragt Ihr an Würde das ganze Menschengeschlecht; dennoch beugt Ihr fromm den Nacken vor den Amtswaltern der göttlichen Dinge und erwartet von ihnen die Mittel zum Seelenheil. Ebenso erkennt Ihr, daß Ihr beim Empfang der himmlichen Sakramente, wenn sie geziemend ausgeteilt werden, nach geheiligter Ordnung eher der demütig Nehmende, nicht aber der Befehlende seid. In diesen Dingen seid Ihr demnach vom Urteil der Priester abhängig und dürft sie nicht Eurem Willen unterjochen wollen. Wenn nämlich im Bereich der staatsrechtlichen Ordnung auch die Vorsteher der Religion willig anerkennen, daß Euch die kaiserliche Herrschaft durch göttliche Anordnung übertragen ist und deshalb auch sie Euren Gesetzen Gehorsam zu leisten haben, um nicht etwa in weltlichen Dingen Eurer einzig maßgeblichen Befehlsgewalt entgegen zu sein - wie freudig, so frage ich Euch, muß man denen gehorchen, die zur Austeilung der geheimnisvollen Mysterien gesetzt sind?"
Das Gelasius-Zitat ist in seinem Original kein Machtmittel, das für einen Investiturstreit entwickelt wurde.
Wenn man nach dem Einsatz von Mitteln im Investiturstreit fragt, dann muss man die Texte des konkreten Investiturstreites selbst nehmen und fragen, woher diese ihre Zitate genommen haben, mit denen sie operierten, und nicht, wie die zitierten Stellen selbst entstanden sind. Der Streit des Gelasius darüber, wer in theologischen Fragen zur Einheit der Kirche das Sagen hat, ist nicht Thema des Investiturstreites. Auch das Verhältnis Theoderichs zu Johannes I. ist kein Thema des Investiturstreites. Thema ist: Wer bestimmt mit welcher Kompetenz, wer welchen Posten zu bekleiden hat. Innerhalb dieses Themas werden dann theologie-politische Ereignisse und Positionen ausgegraben, die nicht selbst Gegenstand des Streites sind, sondern nun als Argumentationsbestandteil in neuer Problemstellung verwendet werden.
Im übrigen hat nicht Theodosius den Cäsaropapismus erfunden, sondern wohl schon Konstantin.
Dabei kommt natürlich auch die Frage auf, wie es zu diesem Streit kommen konnte und warum es in Ostrom nichts vergleichbares gab.
Fingalo