Die Jeunesse Dorée und Resteuropa

Brissotin

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Die Jeunesse Dorée war wohl eine schillernsten Bewegungen der Revolutionszeit. Von manchen Autoren wurde die Jeunesse Dorée als eine Art Schlägertruppe von Stutzern bezeichnet, welche mit Schlagstöcken zum Zeitvertreib Jagd auf Jakobiner machte.

Die Mode der Stöcke mit dem wülstigen Knauf kam allerdings schon vor 1792 auf, als an "les incroyables" noch garnicht zu denken war. Diese Stöcke hießen auf Deutsch "Keule des Herkules". (Vgl. Abbildung in dem "Journal des Luxus und der Moden" von 1791)

Die Mode(torheiten) der Incroyables bspw. machten auf ganz Europa Eindruck und schlugen sich sowohl in Karikaturen, aber auch in allerhand ernsthaften zeitgenössischen Stichen nieder.
Für einen besseren Eindruck: 26 octobre 1795 : fin de la Convention (etwa auf der Mitte)
Selbst zur Bemalung auf Tellern, und das auch in Deutschland, dienten Incroyables und ihre weiblichen Pendants die Merveilleuses als willkommene Motive.

Der Wikipediaartikel Jeunesse dorée ? Wikipedia legt nahe, dass quasi die übertriebene Kleidung der Muscardins wie wohl auch später der Incroyables sozusagen die modische Facette der Jeunesse Dorée war.
Modisch wie auch vom Verhalten der Ausgelassenheit (Bälle etc.) wurde deutlich die Freude (die Schreckensherrschaft) überlebt zu haben zur Schau getragen.

Schnell eroberte sich "Le Réveil du Peuple" von Saint-Marc und Gaveaux vom Januar 1795 seinen Stellenwert im umfangreichen Liederkanon der Revolution.

Peuples Français, peuple de frères,
Peux-tu voir sans frémir d'horreur,
Le crime arborer les bannières
Du carnage et de la terreur ?
Tu souffres qu'une horde atroce
Et d'assassins et de brigands,
Souille par son souffle féroce
Le territoire des vivants.


Quelle est cette lenteur barbare ?
Hâte-toi, peuple souverain,
De rendre aux monstres du Ténare
Tous ces buveurs de sang humain !
Guerre à tous les agents du crime !
Poursuivons les jusqu'au trépas ;
Partage l'horreur qui m'anime !
Ils ne nous échapperont pas.


Ah ! qu'ils périssent ces infâmes,
Et ces égorgeurs dévorants,
Qui portent au fond de leurs âmes
Le crime et l'amour des tyrans !
Mânes plaintifs de l'innocence,
Apaisez-vous dans vos tombeaux ;
Le jour tardif de la vengeance
Fait enfin pâlir vos bourreaux.


Voyez déjà comme ils frémissent ;
Ils n'osent fuir, les scélérats !
Les traces de sang qu'ils vomissent
Décèleraient bientôt leurs pas.
Oui, nous jurons sur votre tombe,
Par notre pays malheureux,
De ne faire qu'une hécatombe
De ces cannibales affreux.

Représentants d'un peuple juste,
O vous ! législateurs humains !
De qui la contenance auguste
Fait trembler nos vils assassins,
Suivez le cours de votre gloire ;
Vos noms, chers à l'humanité,
Volent au temple de mémoire,
Au sein de l'immortalité.
(Weiter lesen: Le Réveil du peuple (chant) - Wikipédia )
Hörbar: YouTube - chansons historiques de France 80 : Le réveil du Peuple 1795

Wie kann man den Einfluss der Jeunesse Dorée auf Resteuropa einschätzen?
War die Bewegung allgemein bekannt? (Ich denke mal, das "Journal des Luxus und der Moden" erwähnt sie ohnehin.)
Rehabilitierte sie Frankreich vielleicht in der öffentlichen Meinung im Ausland? Immerhin war man ja von der Grausamkeit der Jahre 1793/94 so allgemein entsetzt, dass auch viele Sympathisanten der Revolution sich von ihr abwendeten.
 
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Ich habe mich nicht ernsthaft mit der J.D. befasst, aber einiges ist dem Überblicksartikel im "Handbuch" [1] zu entnehmen.

Standardautor zum Thema ist wohl François Gendron [2].

Bei der Kurzrecherche fiel mir sogleich Oswald Spengler ins Auge, der in einer Schrift von 1930 [3] einen direkten Vergleich zieht von der J.D. zu den "Völkischen": "Sie haben die gleiche leicht entzündliche Begeisterung, den gleichen Tatendrang, dieselbe Ehrlichkeit und dieselbe Beschränktheit." - Sicher kein Kompliment für die J.D. aus heutiger Sicht, aber Indiz für ein sehr breites Spektrum bei der historischen Bewertung...


[1] Handbuch politisch-sozialer ... - Google Bücher (Auszug)
[2] Auszug aus der englisches Fassung: The gilded youth of Thermidor - Google Bücher
[3] Neubau des Deutschen Reiches - Google Bücher
 
Bei der Kurzrecherche fiel mir sogleich Oswald Spengler ins Auge, der in einer Schrift von 1930 [3] einen direkten Vergleich zieht von der J.D. zu den "Völkischen": "Sie haben die gleiche leicht entzündliche Begeisterung, den gleichen Tatendrang, dieselbe Ehrlichkeit und dieselbe Beschränktheit." - Sicher kein Kompliment für die J.D. aus heutiger Sicht, aber Indiz für ein sehr breites Spektrum bei der historischen Bewertung...
Ehrlichkeit, Tatendrang, Begeisterung und Beschränktheit.

Interessant.

Ich kenne nur Charakterisierungen, welche Tatendrang quasi auf Vandalismus (wie oben angedeutet) und Begeisterung auf die Feindschaft gegenüber den Jakobinern, begrenzt darstellen. Ich glaube sogar schonmal einen Begriff wie "Weißer Terror" im Zusammenhang mit der Jeunesse Dorré gelesen zu haben.
Ehrlichkeit fand ich bis jetzt nicht in einer Beschreibung der J.D.. Da würde ich mich interessieren, worauf diese Ehrlichkeit bezogen war.
 
Der Begriff hat im Laufe der Zeit eine Wandlung erfahren:
So versteht man doch heute unter "Jeunesse dorée" eine Leichtlebigkeit und Freizügigkeit, die in Zeiten des Terrors überhaupt nicht in das Wunschdenken der Menschen passte.
Das Durchsetzen und damit Leben der Menschenrechte musste noch erkämpft werden.
Die Überzeichnung des Auslebens menschlicher Grundrechte, für die die Jeunesse dorée heute auch steht, ist nach meiner Meinung ein Luxusprodukt, das sich erst durch die Sicherung der Menschenrechte und die damit verbundene Freiheit ergeben konnte.
 
Der Begriff hat im Laufe der Zeit eine Wandlung erfahren:
So versteht man doch heute unter "Jeunesse dorée" eine Leichtlebigkeit und Freizügigkeit, die in Zeiten des Terrors überhaupt nicht in das Wunschdenken der Menschen passte.
Das Durchsetzen und damit Leben der Menschenrechte musste noch erkämpft werden.
Die Überzeichnung des Auslebens menschlicher Grundrechte, für die die Jeunesse dorée heute auch steht, ist nach meiner Meinung ein Luxusprodukt, das sich erst durch die Sicherung der Menschenrechte und die damit verbundene Freiheit ergeben konnte.
Kannst Du mir das nochmal verständlicher ausbreiten?

Die Jeunesse Dorée war doch, wenn ich es recht verstehe eine Erscheinung, Neuheit nach dem Terror.

Worauf beziehst Du das Wort "Freizügigkeit"? Bei der Jeunesse Dorée würde ich zuerst an die leichte Bekleidung der Merveilleuse denken.

Das Wunschdenken von welchen "Menschen" meinst Du?

Ich befürchte, ich missverstehe Dich momentan völlig.:rotwerd:
 
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Kannst Du mir das nochmal verständlicher ausbreiten?
Sorry, habe wohl in Rätseln den Sprung vom Ursprung der Jeunesse dorée zu dem gewagt, was sie heute (und auch schon vor Jahrzehnten) bedeutete.

Ich wollte ausdrücken, dass das Wunschdenken der Menschen zur Entstehungszeit nicht dem Wunschdenken der schon freiheitsge(ver)wöhnten Menschen der heutigen Zeit entsprach.

Jeunesse dorée "moderne" verkörpert u.a. auch sexuelle Freizügigkeit etc. Die hat z.B. nichts mit den ursprünglichen Intentionen zu tun.

Sorry nochmals für meine vielleicht etwas arg verquere Ausdrucksweise... :rotwerd:
 
Jeunesse dorée "moderne" verkörpert u.a. auch sexuelle Freizügigkeit etc. Die hat z.B. nichts mit den ursprünglichen Intentionen zu tun.
Mit der Intention vielleicht nicht, aber die Zeit der Jeunesse Dorée galt ja gerade im Gegensatz zu derjenigen des Tugendhaften (Robespierre) als die von Ausschweifungen. Und gerade diese (auch sexuellen) Freizügigkeiten wie die Lebensfreude schienen mir stets geradezu symbolhaft für die J.D. zu stehen. (Man denke an die Mätressen von Barras und anderen großen Leuten dieser Zeit.)
 
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Mit der Intention vielleicht nicht, aber die Zeit der Jeunesse Dorré galt ja gerade im Gegensatz zu derjenigen des Tugendhaften (Robespierre) als die von Ausschweifungen. Und gerade diese (auch sexuellen) Freizügigkeiten wie die Lebensfreude schienen mir stets geradezu symbolhaft für die J.D. zu stehen. (Man denke an die Mätressen von Barras und anderen großen Leuten dieser Zeit.)
Da gebe ich Dir Recht. Aber die Tugendhaftigkeit eines Robbespierre war nur ein Intermezzo, anschließend wurde an Altbekanntes und Gewohntes angeknüpft und stellte vielleicht insofern nichts Außergewöhnliches dar.

Hingegen die Freizügigkeit im Hinblick auf die Selbstbestimmtheit der Frau im Zuge der "sexuellen Revolution" erscheint mir doch anders zu sein, zumal gerade Deutschland ein Jahrhundert der Prüderie hinter sich hatte.

Dort sehe ich die Unterschiede in der Intention. Eine Frau konnte sich unabhängig- also nicht in der Abhängigkeit einer Mätresse- zur Freizügigkeit entschließen. Sie wurde nicht zur Mätresse erwählt, wie es Ewigleiten vorher der Fall und damit in meinen Augen nichts Neues war.

Ich möchte hier keinesfalls ein feministisches Fass aufmachen!!! ;-)

Außerdem: Mit meinen (aus)schweifenden Gedanken führe ich zu weit von Deiner Ausgangsfragestellung weg, da ich die Auswirkungen auf Resteuropa im 20. Jahrhundert beschreibe.
 
Zuletzt bearbeitet:
Da gebe ich Dir Recht. Aber die Tugendhaftigkeit eines Robbespierre war nur ein Intermezzo, anschließend wurde an Altbekanntes und Gewohntes angeknüpft und stellte vielleicht insofern nichts Außergewöhnliches dar.

Irgendwo (Rot und Schwarz?) las ich mal wie der franz. Romanheld alles liest was er erwischen kann, darunter auch die "schlimmen Schriften:hmpf:" des vergangenen Jahrhunderts, (des 18.!) der Romanheld war aber so tugendhaft, dass es ihm nicht schadete! er hat die Anzüglichkeiten schlicht überlesen!:rofl:

Mit anderen Worten, auch in Frankreich hat das Pendel zurückgeschlagen.
 
Irgendwo (Rot und Schwarz?) las ich mal wie der franz. Romanheld alles liest was er erwischen kann, darunter auch die "schlimmen Schriften:hmpf:" des vergangenen Jahrhunderts, (des 18.!) der Romanheld war aber so tugendhaft, dass es ihm nicht schadete! er hat die Anzüglichkeiten schlicht überlesen!:rofl:

Mit anderen Worten, auch in Frankreich hat das Pendel zurückgeschlagen.
Aber es schlug eben französisch :rofl:
 
Ich glaube sogar schonmal einen Begriff wie "Weißer Terror" im Zusammenhang mit der Jeunesse Dorré gelesen zu haben.
Ja, völlig richtig! Es handelte sich z. T. um regelrechte Schlägertrupps, die Jagd auf alles machten, was nach Jakobiner aussah [1].

Mit meinen (aus)schweifenden Gedanken ...
... gibst Du jedenfalls ein schönes Stichwort: Fréron, selbst zuerst Jakobiner und später einer der Einpeitscher der J.D. (deshalb auch "la jeunesse de Fréron"), hetzte in seinem "L'orateur du peuple" unermüdlich zur Gewalt. Eine der bekanntesten Parolen lautete: "Vive la convention, à bas les Jacobin, à bas le queue [sic] des Robespierre!"


[1] Siehe z.B. Encyclopedia of the age of political ... - Google Bücher (ab S. 594 Mitte)
 
Dort sehe ich die Unterschiede in der Intention. Eine Frau konnte sich unabhängig- also nicht in der Abhängigkeit einer Mätresse- zur Freizügigkeit entschließen. Sie wurde nicht zur Mätresse erwählt, wie es Ewigleiten vorher der Fall und damit in meinen Augen nichts Neues war.
Hast Du dafür Beispiele, außer vielleicht Madame de Stael?

Die recht unabhängigen Malerinnen waren ja im Grunde Kinder des Ancien Régime. ( http://www.geschichtsforum.de/472647-post108.html , http://www.geschichtsforum.de/421936-post46.html )
 
Mich verunsichert die Zuordnung der Jeunesse Dorée als Schlägertrupp der Thermidorianer, wie man stellenweise lesen kann. Aber lösten diese (Thermidorianer) nicht das Terror-Regime ab? Wozu brauchten sie dann einen "Schlägertrupp"? Oder handelt es sich dabei einfach um negative Propaganda, die mit der Wahrheit nur wenig gemein hat? Den "Feind" zu diffarmieren war ja schon immer beliebtes politisches Spiel. :grübel:
 
Mich verunsichert die Zuordnung der Jeunesse Dorée als Schlägertrupp der Thermidorianer, wie man stellenweise lesen kann.
1.)
Aber lösten diese (Thermidorianer) nicht das Terror-Regime ab?
2.)
Wozu brauchten sie dann einen "Schlägertrupp"?
3.)
Oder handelt es sich dabei einfach um negative Propaganda, die mit der Wahrheit nur wenig gemein hat?
Den "Feind" zu diffarmieren war ja schon immer beliebtes politisches Spiel.
1.)
Richtig.
2.)
Die Thermidorianer brauchten keinen Schlägertrupp. Die Jeunesse Dorée war ja auch keine staatlich gelenkte Truppe, sondern eine Jugendbewegung.
3.)
Kommt drauf an. Z.T. könnte das Bild über die Jeunesse Dorée, das wir heute haben, auf den sozialistischen Historikern beruhen, welche freilich den Gegnern der Jakobiner feindlich gegenüber standen.

Zum Wahrheitsgehalt des Bildes:
Leider habe ich das woanders von mir erwähnte Buch "Ah ca ira" nicht mehr. Aber darin stand u.a. ein Lied der Jeunesse Dorée worin ausdrücklich zum Verprügeln von Jakobinern aufgemuntert wurde, wenn ich mich recht entsinne.
 
Mich verunsichert die Zuordnung der Jeunesse Dorée als Schlägertrupp der Thermidorianer...
...ein Lied der Jeunesse Dorée worin ausdrücklich zum Verprügeln von Jakobinern aufgemuntert wurde...
Die etwas, äh, saloppe Bezeichnung "Schlägertruppe" nehme ich mit dem Ausdruck tiefsten Bedauerns zurück...:rotwerd:

Um die Fakten kommt man allerdings nicht herum. Johann Wilhelm Zinkeisen z.B., sicher kein Jakobiner-Anhänger, berichtet [1] von "einer Fluth von Pamphleten und Spottgedichten" voll des "unversöhnlichsten Hasses" gegen die Jakobiner. Dabei blieb es nicht: Die Muscadins durchzogen "vorzüglich des Abends schaarenweise die Strassen", um Jakobiner zu finden und womöglich zu verprügeln; insbesondere am 18.09.1794 sei es "zu einer entsetzlichen Rauferei" gekommen, und später kam es auch zu Todesfällen, z.B. in Maiseille. [2]


[1] Der Jakobiner-Club. Ein Beitrag zur Geschichte der Parteien und der politischen Sitten im Revolutions-Zeitalter. Zweiter Theil. Berlin 1853, S. 950 ff.
[2] Zur Entwicklung siehe Gendron, aaO, S. 15 ff.; dort S. 16 auch Hinweis auf einige Pamphlete und S 14 zu den verschiedenen Bezeichnungen, unter denen die J.D. auftrat. - Siehe auch den Handbuch-Artikel in Historical dictionary of the French ... - Google Bücher S. 164 f.
 
Interessant finde ich dabei den englischen Wictionary bzw. Definitionen. Hier gilt die Jeunesse Dorée, was ja auch "goldene Jugend" heisst, wie ihr wisst, schlicht als "young people of wealth and fashion".

Es gibt neuerdings ein österreiches Journal, das sich genau so nennt. JEUNESSE dorée

Wenn diese Gruppe nun von Anfang an überwiegend aus der reichen Oberschicht bestand, die nun auch ihren eigenen Status und ein entsprechendes Selbstbewusstsein entwickelte, kann das negative Image z.T. auch in Neid und Mißgunst gegen die "Neureichen" begründet liegen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn diese Gruppe nun von Anfang an überwiegend aus der reichen Oberschicht bestand, die nun auch ihren eigenen Status und ein entsprechendes Selbstbewusstsein entwickelte, kann das negative Image z.T. auch in Neid und Mißgunst gegen die "Neureichen" begründet liegen.
Der Aspekt der Neureichen, trifft sicherlich zu, so bemerkte Talleyrand (als Altadeliger wohlgemerkt) und definierte als Merveilleuses
"Frauen der Neureichen, die an die Stelle der höfischen Damen getreten waren und ebenso wie die letzteren von Weibsbildern imitiert wurden, die sich gegenseitig an Luxus und Extravaganz zu überbieten versuchten."
*
Talleyrand merkte allerdings auch an, dass es für die führenden Damen in Mode sei, beim Tanz Politik zu machen und der Monarchie nachzuseufzen. **

Einige Bürgerliche (aber auch manche Aristokraten wie Barras, die gut durchgekommen waren) hatten von Anfang an herrliche Profite aus der Veräußerung der Emigranteneigentümer und eingezogenen Kirchengüter gezogen. Der Terreur hatte verhindert, diese Gewinne zur Schau zu tragen. Nun aber war mit dem Köpfen des Triumvirats auch peu à peu alle Scheu der Zurückhaltung gewichen. Die Überlebenden des Terreur feierten ihr Glück davon gekommen zu sein. Und auch wenn man durch den Germinal- und Prairal-Aufstand daran denken mag, dass die Unterschicht unzufrieden mit den neuen Herren war, so treffen wir doch auch immer wieder Zeitzeugenaussagen an, die untermauern, dass das Tanzen allgemein beliebt war (überhaupt stellt die Zeit um 1800 einen großen Umbruch in Richtung Tanzkultur dar).

* J.F.Bernard: "Talleyrand: Diplomat-Günstling-Opportunist" Heyne, München, 1979 S. 184-185
** ebenda S.186
 
1.
Die etwas, äh, saloppe Bezeichnung "Schlägertruppe" nehme ich mit dem Ausdruck tiefsten Bedauerns zurück...

2.
Um die Fakten kommt man allerdings nicht herum. Johann Wilhelm Zinkeisen z.B., sicher kein Jakobiner-Anhänger, berichtet [1] von "einer Fluth von Pamphleten und Spottgedichten" voll des "unversöhnlichsten Hasses" gegen die Jakobiner. Dabei blieb es nicht: Die Muscadins durchzogen "vorzüglich des Abends schaarenweise die Strassen", um Jakobiner zu finden und womöglich zu verprügeln; insbesondere am 18.09.1794 sei es "zu einer entsetzlichen Rauferei" gekommen, und später kam es auch zu Todesfällen, z.B. in Maiseille. [2]
zu 1.:
Zumindest bei Michelet klingt es so im Zusammenhang mit dem Vorabend des 13 vendémiaire.

"Die Jeunesse dorée pflegte mit ihren Knütteln die Türen der Versammlung zu umlagern und wenn ein Abgeordneter kam, irgendwelche Beschimpfungen auszustoßen."
*

Das liest sich schon nach einer selbstbewussten Schlägertruppe, welche wohl ganz klar royalistischen Hintergrundes war.




Im Zusammenhang mit den Royalisten findet man allerdings auch, dass man sich nicht immer selbst die Hände schmutzig machte.

"Bei den großen Volksunruhen, wo man kräftige Arme und Beine braucht, beschaffen sie die Mordbuben. Mercier versichert, daß sie in einer Spelunke beim italienischen Theater einige der Leute mieteten, die man "Dreinschläger" Robespierres nannte, Leute, die mächtig trinken, nichts begreifen, zuschlagen und töten."
**
zu 2.:
So ganz klar ist mir nicht der Unterschied zwischen Muscadins und Jeunesse dorée. Wenn ich es recht auf dem Zeiger habe, werden die Muscadins - zu Deutsch Moschusbrüder genannt - schon vor dem 8/9 thermidor erwähnt. Währenddessen trat die Jeunesse dorée erst später auf.
Die Rolle der Muscadins jedenfalls wandelte sich. Sollten sie schlicht die royalistischen Parteigänger gewesen sein und quasi nur eine andere Bezeichnung für die Jeunesse dorée, so ist das Verhältnis zum Konvent sehr unterschiedlich.
Bevor die Royalisten im vendémiaire den Konvent militärisch angriffen, hatte zumindest dieser die Muscadins auch für eigene Zwecke genutzt.
So versuchte der Konvent nach den Prairial-Unruhen die Bestrafung der Täter, so der Mörder des Abgeordneten Jean Bertrand Féraud, und die Entwaffnung des Faubourg St. Antoine, welches ein Sammelbecken der Unruhestifter zweifellos war. Zu dem Zweck stellte man eine Eingreiftruppe von 1.200 Mann, welche neben 200 Soldaten aus "Herren, Muscadins und Journalisten"*** bestand, rasch zusammen. Das Unternehmen blieb zwar erfolglos, aber dafür gelang es daraufhin General Menou, als genügend Truppen eingetroffen waren, die Einwohner des Faubourg zu entwaffnen.

Bei Markov habe ich den Bericht über eine "Jesus-Kompanie" gefunden, welche in Lyon unter den Republikanern für Angst und Schrecken sorgte, worüber ein Bürger, der vom Konvent dorthin gesendet worden war, nach Paris berichtete.**** Interessant wäre, ob man wohl auch diese "Jesus-Kompanie", die übrigens 300-köpfig gewesen sein soll, zu der Jeunesse dorée zählen könnte. Der besagte Bericht kündet recht deutlich davon, dass zurückgekehrte Emigranten wohl den Kern dieser Leute ausmachten.

* Jules Michelet: "Geschichte der Französischen Revolution" Band II, Zeitausendeins, Frankfurt am Main, 2009
S. 941
** ebenda
S. 887
*** ebenda
S. 898
**** Walter Markov: "Revolution im Zeugenstand" Band II, Reclam jun., Leipzig, 1982
 
Bei Markov habe ich den Bericht über eine "Jesus-Kompanie" gefunden, welche in Lyon unter den Republikanern für Angst und Schrecken sorgte, worüber ein Bürger, der vom Konvent dorthin gesendet worden war, nach Paris berichtete.**** Interessant wäre, ob man wohl auch diese "Jesus-Kompanie", die übrigens 300-köpfig gewesen sein soll, zu der Jeunesse dorée zählen könnte. Der besagte Bericht kündet recht deutlich davon, dass zurückgekehrte Emigranten wohl den Kern dieser Leute ausmachten.

**** Walter Markov: "Revolution im Zeugenstand" Band II, Reclam jun., Leipzig, 1982
Gemeint ist der Brief des Bürgers Gonchon an den Sicherheitsausschuß aus dem Frühjahr 1795.*

Gehässige Gegner versuchten scheinbar besagten Bürger Gonchon mit Reden zu einem verdächtigen oder gefährlichen Handeln zu reizen. Interessant ist der Versuch, worin einer von "4000 junge Männer mit weißen Haarschleifen" spricht. Dass weiße Kokarden, und hier eben in Vertretung dafür "Haarschleifen", für die Treue zum Königtum stehen, ist ja klar. Nun wirkt es aber so, als ob die Zahl "4000" eine enorme Übertreibung war. Zumindest Gonchon legt nahe, dass der große Teil der Einwohner garnicht hinter den Emigranten stand, sondern diese nur wegen deren Gefährlichkeit gewähren ließ. Es mag m.E. sein, dass die Zahl nur zur weiteren Einschüchterung gedacht war und in Wahrheit auch nicht viel mehr als die oben genannten 300 Mann der "Jesus-Kompanie" hinter den Zielen der Royalisten standen.
Selbst im großen Paris scheint ja der harte Kern der Aufrührer vom 13 Vendémiaire überschaubar gewesen zu sein, wenn man sich den Verlauf des Aufstandes anschaut. Als es gefährlich wurde, stoben scheinbar rasch die Aufständischen auseinander und tatsächlich gab es "nur" um die 200-300 Tote an diesem Tag, was eher gegen eine so extreme Ernsthaftigkeit beim Sturm auf den Konvent spricht.


* In:
Walter Markov: "Revolution im Zeugenstand" Band II, Reclam jun., Leipzig, 1982
"198. Royalisten und Jesus-Kompanie"
S. 655-657
 
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