Hier dann die Frage: Warum war das nøtig? Weil die Høhe der Reparationszahlungen noch nicht festgelegt wurde?
Gruss, muheijo
Das ist ein (wichtiger) Grund.
Dann der politische Kompromiss, da die Vorstellungen weit auseinander klafften und die Schäden nicht überschaubar waren.
Schließlich ist die Kriegsschuld reparations
unabhängig als einer der zarten Ansätze der völkerrechtlichen Entwicklung zu sehen, ius ad bellum einzuschränken bzw. den Angriffskrieg zu untersagen. Diese Entwicklung hat natürlich (zukünftig!) Folgewirkung für Reparationen, die sich nun zur Delikthaftung entwickeln - logische Konsequenz, wenn Angriffskriege verboten sind.
Ein vierter Punkt, der sich aus dem Kontext von Artikel 231 und 232, Lansing-Note und Wilsons 14 Punkten ergibt, ist bislang noch nicht angesprochen worden.
Der Text:
Artikel 231.
Die alliierten und assoziierten Regierungen erklären, und Deutschland erkennt an, daß Deutschland und seine Verbündeten als Urheber für alle Verluste und Schäden verantwortlich sind, die die alliierten und assoziierten Regierungen und ihre Staatsangehörigen infolge des ihnen durch den Angriff Deutschlands und seiner Verbündeten aufgezwungenen Krieges erlitten haben.
Artikel 232.
Die alliierten und assoziierten Regierungen erkennen an, daß die Hilfsmittel Deutschlands unter Berücksichtigung ihrer dauernden, sich aus den übrigen Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrags ergebenden Verminderung nicht ausreichen, um die volle Wiedergutmachung aller dieser Verluste und Schäden sicherzustellen.
Immerhin verlangen die alliierten und assoziierten Regierungen und Deutschland verpflichtet sich dazu, daß alle Schäden wieder gutgemacht werden, die der Zivilbevölkerung jeder der alliierten und assoziierten Mächte und ihrem Gut während der Zeit, in der sich die beteiligte Macht mit Deutschland im Kriegszustand befand, durch diesen Angriff zu Lande, zur See und in der Luft zugefügt worden sind, sowie überhaupt alle Schäden, die in der Anlage I näher bezeichnet sind.
Liest man das "rückwärts", ist zunächst eine
deutliche Einschränkung der Reparationen in Art. 232 auf die unzureichenden deutschen Möglichkeiten der Reparationen gegeben. Im Kontext dazu liefen in GB/FRA etc. umfangreiche öffentliche Diskussionen, die hohe Reparationsverpflichtungen Deutschlands forderten. Art. 232 verzichtet außerdem endgültig auf die Forderungen nach "Strafzuschlägen" in der Gesamthöhe der Reparationen.
Um ein einfaches Rechenbeispiel anzufügen:
Reparationsforderungen: 150 (=berechtigt aus Sicht des Siegers)
./. "Strafe": 50
ergibt: 100 Reparationen auf Basis der Wiedergutmachung/Schadenersatz
./. "nicht ökonomisch darstellbare Reparationslast" 30
ergibt: 70 Reparationen, im Folgenden durch den Verlierer zu leisten.
Dieses kleine Rechenbeispiel vor Augen, ergibt sich der Kontext zu Artikel 231.
Angesichts der schäumenden Öffentlichkeit, und politischen Äußerungen betr. massiver Reparationslasten, wirkt nun der berüchtigte Artikel 231 - im Angesicht der ökonomischen Unmöglichkeit zum vollen Schadenersatz - als politische Beruhigungspille für die alliierte Seite, ...
... um
wenigstens deklaratorisch die moralische deutsche Verpflichtung auf die volle Reparationsschuld zum Ausdruck zu bringen. Auch wenn sie sogleich in Artikel 232 wieder eingeschränkt wird und auf den - noch unbekannten, später festzusetzenden - Boden der Realität geholt werden sollte.
Peter Krüger: Deutschland und die Reparationen 1918/1919, Schriftenreihe VfZ 25 (der auch auf die ältere Literatur von Ritter und Schwabe eingeht).
Zur Position Wilsons:
Knock: To End all Wars - Woodrow Wilson and the Quest for a New World Order:
"Actually, Wilson had never contended that reparations, in principle, were unjust. What he objected to wasthe Allies' insistence on binding Germany to an indeterminate [siehe oben zu Artikel 232] obligation."
Schwabe: Woodrow Wilson, Revolutionary Germany and Peacemaking 1918/19, S. 370/371:
"Wilson doggedly defended his experts plans and tried to persuade his Associates
to agree at least to a reparations sum of 100 billion Gold Marks which would be subject to interests. His arguments were those of his financial advisers in every respect [Anm: die diese Begrenzung forderten - dabei spielten rechtliche Erwägnungen überhaupt keine Rolle, sondern ausschließlich ökonomische Gründe - siehe auch oben die verlinkte Keynes-Studie]