Es entwickelt sich hier wohl das Spiel des Schusses auf die laufende Quelle und auf die Qualität der verwendeten Wasserfilter. Daher zu Fragen der Quellenkritik: Hierbei verhält es ich im Prinzip analog zu einer Interviewkonstellation: Desto mehr ich über eine Person weiß, desto bessere und präzisere Fragen kann ich stellen. Desto mehr ich also von einem Vorgang weiß, desto bessere Fragen kann ich an eine Quelle stellen und diese derart beurteilen. Wenn dieser Filter jedoch durch eine vermutete oder tatsächliche politische Haltung der Publikation ersetzt werden soll, gebe ich genau die erwünschte Autonomie auf, die ich mir durch Wissensarbeit angeeignet habe. Nur wenn ich über kein Wissen verfüge, kann dies als ressourcenneutraler Schnellfilter gelten.
Die ‚Zeit-Fragen’ habe ich gezielt erwähnt - und eben nicht die im sicheren Bereich liegende NZZ- , nicht um sie als etablierte Quelle einzuführen- dazu ist zu kämpferisch- , sondern um einzubringen, wie schwierig oft die Einschätzung einer politischen Haltung ist. Dass deren betont kritische Palästina-Haltung nicht immer auf freudige Gegenliebe stößt, ist leicht absehbar, nur nicht tauglich als politischer Kompass. Zudem glaube ich prinzipiell, dass ich mir nach 15 Jahren Publikationstätigkeit und knapp einem Dutzend Fach-Ausstellungen einigermaßen die Fähigkeit erworben habe, an Hand der Qualität der Ausführungen zu unterscheiden, was eine brauchbare und eine nicht brauchbare Quelle ist.
Mir stellt sich eben hier am konkreten Vorgang eine ganz andere Frage: Wieso schafft es eine linke Wochenzeitung, die pazifistischen Strömungen nicht abgeneigt ist, eine derart fundierte und kenntnisreiche Artikelserie auf die Beine zu stellen, die ich der TAZ zum Beispiel nicht zutrauen würde? Denn hinter diesem Ressourcenverbrauch verbergen sich ja auch klare redaktionelle Entscheidungen. Daß die WOP dies aber realisiert hat, ist ihr nicht als sektorale Störung des eingeübten Weltbildes, sondern als positiver und konstruktiver Beitrag anzurechnen.
Nun, was ist hier noch strittig? Ich habe die Formulierung oben‚ einfliegende deutsche Maschinen ‚mehrfach abgeschossen’ gezielt gewählt, da ich wusste, dass es zur Zahl der Einflüge wie zur Zahl der Abschüsse wie zu den Abläufen unterschiedliche Darstellungen gibt. Unstrittig ist jedoch in allen Quellen jedoch, dass es mehrere Einflüge gab und auch mehrere Abschüsse- insofern ist dies eine präzise Angabe, eben soweit möglich. Die letzte mir untergekommene französische Quelle gab mehrere Bomberabschüsse an, die hier nicht erwähnt werden. Die Schweizer Luftwaffe gibt selbst in ihrer Eigenpräsentation ohne Nennung genauer Zahlen und Umstände an: ‚Die Fliegertruppe schoss im Luftkampf mehrere Flugzeuge der Luftwaffe Görings ab.’ Sie bewertet dies als Nachweis für das damalige Ringen um ‚Neutralitätsschutz’.
Nun zum anderen Teil meines ‚brisanten’ Kommentars’, der Lieferung von Rüstungsgütern. Ich habe während der Erarbeitung eines Gutachtens große und unübersichtliche Teile der einzelnen Aktenbestände der Baugruppen innerhalb der Generalbauinspektion durchgesehen. Dort fiel mir ein etwas verirrter Bestand in die Hände, der die Auseinandersetzungen um die Lieferung und Bau eines Überschallwindkanals für Forschungszwecke der Deutschen Luftwaffe dokumentierte. Dieser Windkanal, wenn ich mich an meine damaligen Recherchen genau erinnere, wäre der einzige und erste weltweit gewesen und sollte das Strömungsverhalten während des Übertritts in die Schallmauer untersuchen, das damals als Phänomen in den Wirkungen völlig unbekannt war. Die DVL und das RLM hatten diesen bereits 1941 in der Schweiz bestellt.
Am Schriftverkehr ließ sich nun wie in Parabel deutlich machen, unter welchem enormen Druck die Schweiz in der damaligen Zeit stand, und mit welchen Techniken schweizerseits operiert wurde, um hier nicht weitgehend instrumentalisiert zu werden. Obwohl dieser Vorgang hohes Empörungs- und Profilierungspotential besaß, habe ich ihn nicht veröffentlicht, da er unmittelbar und kurzschlüssig anders gelesen worden wäre, als ein eindeutiges weiteres moralisches Indiz für die Verwicklung der Schweiz in den Rüstungsapparat des Ministeriums Speer. Dafür war er aber nach einer Einschätzung überhaupt nicht tauglich, eher für das Ringen um eine Form der damals möglichen Autonomie.