Die Rolle von Pius XII.

R.A.

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Hallo zusammen,

die Rolles des Papstes während des dritten Reichs ist ja sehr umstritten.
Im folgenden Artikel wird dazu sehr dezidiert Stellung genommen:
Die Achse des Guten: Ingo Langner: Die Schwarze Legende

Mir kommt das erst einmal plausibel vor - kenne mich aber in dieser Materie fast überhaupt nicht aus.
Wie ist denn der seriöse Forschungsstand zu diesem Thema?
 
Würde mich auch interessieren!

Seltsam, heute morgen hat sich genau dazu Gloria TT geäußert. "Das sei erschöpfend erforscht"
 
die Rolles des Papstes während des dritten Reichs ist ja sehr umstritten. Im folgenden Artikel wird dazu sehr dezidiert Stellung genommen: Die Achse des Guten: Ingo Langner: Die Schwarze Legende
Mir kommt das erst einmal plausibel vor - kenne mich aber in dieser Materie fast überhaupt nicht aus.
Wie ist denn der seriöse Forschungsstand zu diesem Thema?

Wenn ich lese, der Autor Thomas Brechenmacher habe "mit zwei kurzen Sätzen ... eine jahrzehntelange Debatte beendet", sträuben sich mir alle Haare, und bei der "Achse des Guten" sowieso.

B. hat die Kontroverse aus seiner Sicht in http://www.kfzg.de/Downloads/debatte02_2004.pdf (S. 6-8) dargestellt und den Papstkritikern, wie üblich, vorgeworfen, unprofessionell und nur begrenzt sachkundig zu sein, während die andere (eigene) Seite "mit großer Detailkenntnis" zu Werke gehe. Jedenfalls nennt er dort einige der Protagonisten, von den ich aber nur Cornwell's Buch kenne, von vielen älteren mal abgesehen.

B. selbst kommt bei Rezensionen seines Vatikanbuches relativ gut weg (Perlentaucher - Online Kulturmagazin mit Presseschauen, Rezension, Autorenliste, Feuilleton; schärferer Gegenwind fehlt bisher. (Warten wir mal ab, bis in x Jahren auch die Vatikan-Archive nach 1939 freigegeben werden.)
 
Die Süddeutsche hat sich auch damit auseinandergesetzt:
Meinungskampf um Papst Pius XII. - War Schweigen Gold? - Kultur - sueddeutsche.de

Die Argumentation "ohne großes TamTam, habe Pius XII heimlich mehr tun können" mag vielleicht noch einleuchtend sein (auch wenn ich dem widersprechen würde). Das die Altnazis aber erst durch die vom Vatikan unterstützte "Rattenlinie" (Ratlines (history) - Wikipedia, the free encyclopedia) nach Südamerika flüchten konnten, spricht meiner Meinung nach aber entschieden gegen Pius XII.

ich würde sagen:; Im besten Fall ein Mitläufer!
 
Pius XII hat nachweislich mehrfach die Misstände in Nazi-Deutschland angeprangert! Seine allererste Enzyklika "Summi pontificatus" griff den Rassismus und Nationalismus der Nazis so heftig an, dass sie von den alliierten Fliegern über 88.000 mal über Deutschland abgeworfen wurde, um die Deutschen aufzurütteln.

Die Legende, dass Pius XII protestlos zu sah, wie die Nazis die Juden verfolgten, stammt von dem deutschen Theater-Autor Rolf Hochhuth und seinem Stück "Der Stellvertreter". Und diese Legende hält sich in der breiten Öffentlichkeit bis heute.

Aber seit die DDR von der politischen Bildfläche gefegt wurde und die Archive der Stasi geöffnet wurden, weiss die Geschichtsschreibung, dass Hochhuth zu einigen seiner Theaterstücke und Büchern mit Informationen der Stasi, und darüber hinaus vorallem vom sowjetischen Geheimdienst KGB versorgt wurde.
Besonders was den "Stellvertreter" angeht, indoktrinierte der KGB ganz gezielt mit falschen Informationen die Arbeit Hochhuth´s, um in Zeiten des "Klassenkampfes" die katholische Kirche diffamieren zu können.

Denn im Gegenteil zu Hochhuth´s Darstellung, Pius XII sei Antisemit gewesen und habe den Judenpogrom tatenlos zugesehen, haben die Juden Pius XII geliebt und gelobt! Der Oberrabbiner von Rom, der von Pius gerettet wurde, ist nach dem Krieg sogar Katholik geworden und hat den Taufnamen Eugenio (der Vorname Pius XII) angenommen. Der jüdische Diplomat Pinchas Lapide hat erklärt, Pius XII habe durch seine Diplomatie um die 800.000 Juden gerettet. Bei seinem Tod wurde Pius XII von Golda Meir geradezu überschwänglich gelobt. Und das beste Buch zur Verteidigung Pius XII stammt von einem Rabbiner und Historiker: Rabbi Prof. Dr. David Dalin: "The Myth of Hitler's Pope".


Quellen:
David Dalin: "The Myth of Hitler's Pope"
José Sanchez: "Pius XII. und der Holocaust"
Michael Hesemann: "Die Dunkelmänner: Mythen, Lügen und Legenden um die Kirchengeschichte"
Wikipedia: Summi pontificatus



Saludos!
 
Seine allererste Enzyklika "Summi pontificatus" griff den Rassismus und Nationalismus der Nazis so heftig an, dass sie von den alliierten Fliegern über 88.000 mal über Deutschland abgeworfen wurde, um die Deutschen aufzurütteln.
Ich gehe davon aus, dass die Enzyklika auch auf dem normalen Wege über den deutschen Klerus nach Deutschland gelangt ist; das Abwerfen durch alliierte Flieger war doch direkt kontraproduktiv und sicherlich nicht mit dem Papst abgestimmt.

Was der Rezeption durch die Deutschen betrifft, so vermute ich, dass der Text vielleicht doch nicht klar genug war. Wenn man ihn durchliest (Summi pontificatus (Wortlaut ? Kathpedia)), fällt auf, dass weder "deutsch" noch "Rasse" darin vorkommen und "Jude" nur randständig.

Dass Hitler sich persönlich hätte angesprochen fühlen können, ist auch eher unwahrscheinlich. Schließlich hatte ihm der Heilige Vater zum 50. Geburtstag am 20.04.39 - wenige Wochen nach der Papstwahl und ein halbes Jahr nach der Reichsprogromnacht - noch eine handschriftliche Glückwunschbotschaft geschickt. Was die Enzyklika selbst betrifft, so telegraphierte Menshausen, der deutsche Geschäftsträger im Vatikan, am Jahresende 1939: Der Papst habe ihm gesagt, die Ansicht, er sei gegen totalitäre Staaten, sei nzutreffend. Auf Menshausens Bemerkung, gewisse päpstliche Kundgebungen schlachteten die demokratischen Feindmächte propagandistisch gegen Deutschland aus [sic], sagte Pius: "dass Kundgebungen selbstverständlich nur allgemeinen Charakter hätten und daß er darüber hinaus besonders darauf bedacht sei, sie so zu fassen, daß sie von Deutschland nicht als gegen sich gerichtet mißverstanden werden würden" (zit. nach den Akten des Auswärtigen Amtes).

Dass Pius XII. durchaus bereit war, klare Worte zu finden, bewies aber seine Weihnachtsansprache 1939: Darin geißelte er den "wohlüberlegten Angriff gegen ein kleines, fleißiges und friedliebendes Volk unter dem Vorwand der Bedrohung, die weder besteht noch gewollt noch überhaupt möglich ist" und brandmarkte "den Gebrauch von Zerstörungsmitteln, auch gegen Nichtkämpfer und Flüchtlinge, gegen alte Leute, Frauen und Kinder; die Nichtbeachtung der menschlichen Würde, der Freiheit und des Lebens, aus welcher Handlungen erfließen, die nach Rache rufen vor dem Angesicht Gottes" (zit. nach Giovannetti, Der Vatikan und der Krieg).

.. .weiss die Geschichtsschreibung, dass Hochhuth zu einigen seiner Theaterstücke und Büchern mit Informationen der Stasi, und darüber hinaus vorallem vom sowjetischen Geheimdienst KGB versorgt wurde. Besonders was den "Stellvertreter" angeht, indoktrinierte der KGB ganz gezielt mit falschen Informationen die Arbeit Hochhuth´s...
Hochinteressant! Das hatte ich mir immer schon gedacht.
 
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Herzlichen Dank für alle Antworten.

jschmidt hat zwar zu Recht moniert, daß der Ausgangsartikel von Langner in den Formulierungen übertreibt - aber die eigentliche wissenschaftliche Arbeit von Brechenmacher scheint wohl valide zu sein, d.h. Hochhuths Vorwürfe und die darauf basierende übliche Einschätzung der deutschen Öffentlichkeit sind falsch.

Dem widerspricht nicht die Nachkriegsbetrachtung von treppenwitz.
Mir scheint eher, der Papst hätte immer denen helfen wollen, die gerade verfolgt werden - unabhängig von Schuld oder Unschuld.
Das kann man im Detail durchaus kritisieren, scheint aber schon einem logisch konsistenten christlichem Weltbild zu entsprechen.
 
Alles als kommunistische Lüge abzutun, werde ich trotzdem nie können.
Tut mir Leid, aber nicht nur die Rattenlinie regt mich zum Überlegen an.
Es gab genug anderer Verbrechen zur Zeit des zweiten Weltkriegs.

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ja ich weiß, tendenziös, aber ganz der Heilige war Pius auch nicht, und irgendwas wird schon stimmen und nicht vom KGB erfunden worden sein.
:winke:
 
Wenn Hochhuth Dokumente vom KGB bekommen hätte, wäre aus historischer Sicht in erster Linie oder gar überhaupt nur zu fragen: Waren sie echt oder nicht?
Diese Frage, so denke ich, stellte sich für Hochhuth gar nicht, denn für ihn war es (sowieso?) unmöglich, das zu verifizieren. Er war, möglicherweise, guten Glaubens, und hat sich, wiederum möglicherweise, linken lassen. Ich möchte ihm, ehrlich gesagt, nicht unterstellen, vorsetzlich gehandelt zu haben - sofern überhaupt diese Vorwürfe zutreffend sind!

Im Genenteil: Ich schätze ihn und seine Werke/Bücher/Theaterstücke sehr, hab' sie fast alle gelesen/gesehen (explizit: "Judith" u. "Eine Liebe in Deutschland" etc.) ...



Saludos!
 
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Ich denke auch, dass eine einseitige Sicht auf Pius XII unzulänglich ist.

Eine vor einigen Jahren hochbetagt verstorbene Dame, der von Nazischergen übelst mitgespielt wurde, erwähnt in ihren Erinnerungen an die Reichspogromnacht das herzlose Verhalten einer katholischen Oberin, die ihrer Meinung nach sicher nicht im Sinne der christlichen Lehre und der geistlichen Vorgesetzten (gemeint ist hier wohl der Papst) gehandelt habe.
Sie berichtet in dem Zusammenhang auch davon, dass der Papst jüdische Flüchtlinge aufgenommen habe.

(Es wäre nicht im Sinne dieser sich stets um objektive Darstellung bemüht habenden Dame, sie hier namentlich zu erwähnen, deshalb zitiere ich nicht. Sie schrieb ihre bewegenden Erinnerungen erst nach langwährender intensiver Überredung auf.)

Mir ist klar, dass die grundsätzliche Frage, was passiert wäre, wenn die katholische Kirche offensiv gehandelt hätte, nicht beantwortet werden kann.
Sinn meines Beitrags ist lediglich zu verdeutlichen, dass Pius XII eine differenzierte Sichtweise verdient hat.
 
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