Effektive Reichweite von Bogenschützen

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PontifexMinimus

Gast
Wer hatte die größere effektive Reichweite, ein stehender oder ein reitender Bogenschütze?

Ich frage, weil ich irgendwo einmal gelesen habe, daß Bogenschützen zu Fuß (etwas) weiter schießen konnten. Wenn das der Fall gewesen wäre, hätte man die höhere Mobilität des berittenen Bogenschützen doch durch eine geschickte Positionierung auf Abstand halten können. Etwa indem man die eigenen Bogenschützen zu Fuß an den Flanken positioniert, um Umgehungsmanöver zu erschweren. Oder indem man Bogenschützen zu den anderen Plänklern mischt, die vor den vorderen Reihen der Infanterie operieren und sich bei Gefahr quasi osmotisch hinter die eigene Schlachtreihe der schweren Infanterie zurückziehen können.

Oder man hätte auch eine gemischte Bewaffnung bei den Fußtruppen einführen können, so wie die byzantinischen (und andere) Reiter sowohl mit der Lanze kämpfen als auch dem Bogen schießen konnten, je nach Gefechtssituation. Bei Annäherung feindlicher Bogenreiter hätte diese Infanteristen dann einfach zum Bogen gegriffen.
 
Die Ausbildung von Bogenschützen ist sehr langwierig. Man kann einem Infanteristen daher nicht einfach einen Bogen als zusätzliche Waffe umhängen. (Können natürlich schon, nur kann er damit dann nicht viel anfangen.)

Berittene Bogenschützen haben den Vorteil hoher Mobilität. Sie können sich schnell bewegen, rasch angreifen und sich zurückziehen. Das macht ihre Bekämpfung so schwierig.

Die ideale Truppenzusammenstellung gibt es ebensowenig wie die ideale Gefechtsformation.
Um Deine Idee aufzugreifen: Vorgeschickte oder an den Flanken positionierte Bogenschützen wären anfällig für direkte Kavallerieangriffe. Der Gegner müsste nur berittene Bogenschützen und Nahkampfkavallerie kombinieren: Während die berittenen Bogenschützen schießen, verscheucht die Nahkampfkavallerie die Bogenschützen zu Fuß. Ihr müsste dann mit eigener Kavallerie oder Speerträgern begegnet werden. Und was machen dann die Bogenschützen in dem Durcheinander? ... Alles nicht so einfach.

Übrigens verkamen in der Spätantike Gefechte zwischen Römern und Persern oft tatsächlich zu langen Schießereien zwischen den Bogenschützen beider Seiten. Die Nahkampfeinheiten kamen erst später oder gar nicht zum Zug. Sehr zum Unwillen von Autoren wie Prokopios, die (nach altgriechischer Tradition) den Nahkampf als helden- und ehrenhafter ansahen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Reichweite eines Bogens ist bestimmt durch die Bauweise.
Ein Bogen eines Infanteristen kann anders sein als der eines Reiters.
Da spielt die Handlichkeit eine Rolle, die zu Lasten der Reichweite geht und/oder Durchschlagskraft geht.
Wir müssten uns also erst einigen, von welchen Bögen wir sprechen, oder ob wir annehmen, beide wären gleich (Aber ist das realistisch?)
 
Ich empfehle dazu den YouTube-Kanal von Tod Todeschini (Tod's Workshop, Link fehlt aufgrund der Forenregeln). Er hat mit dem Kurator der Wallace Collection, Dr. Tobias Capwell, und einem nach alten Manuskripten ausgebildeten Schützen in mehreren Experimenten die Leistung mittelalterlicher Bogenschützen untersucht. Demnach lag das Leistungsmaximum eines englischen Langbogens mit 160-180 Pfund Zuggewicht bei etwas über 200 m.
Es gibt Berichte, dass die Kompositbögen der vorder- und zentralasiatischen Reitervölker noch höhere Schussweiten erzielten, aber wahrscheinlich nur mit verminderter Durchschlagskraft.
 
Die Ausbildung von Bogenschützen ist sehr langwierig. Man kann einem Infanteristen daher nicht einfach einen Bogen als zusätzliche Waffe umhängen. (Können natürlich schon, nur kann er damit dann nicht viel anfangen.)

Schon klar, aber die Doppelbewaffnung gelang den Byzantinern ja auch bei den berittenen Truppen, die neben dem Kämpfen mit zwei unterrschiedlichen Waffenarten auch das Reiten beherrschen mussten.


Berittene Bogenschützen haben den Vorteil hoher Mobilität. Sie können sich schnell bewegen, rasch angreifen und sich zurückziehen. Das macht ihre Bekämpfung so schwierig.

Dafür bieten ihre ungepanzerten Pferde aber auch ein riesiges Weichziel.


Die ideale Truppenzusammenstellung gibt es ebensowenig wie die ideale Gefechtsformation.
Um Deine Idee aufzugreifen: Vorgeschickte oder an den Flanken positionierte Bogenschützen wären anfällig für direkte Kavallerieangriffe. Der Gegner müsste nur berittene Bogenschützen und Nahkampfkavallerie kombinieren: Während die berittenen Bogenschützen schießen, verscheucht die Nahkampfkavallerie die Bogenschützen zu Fuß. Ihr müsste dann mit eigener Kavallerie oder Speerträgern begegnet werden. Und was machen dann die Bogenschützen in dem Durcheinander? ... Alles nicht so einfach.

An den Flanken könnte man zur Abwehr auf die eigene Reiterei zurückgreifen, die noch weiter außen steht. Bewegt die sich fort - etwa, weil sie die gegnerische Reiterei geschlagen und ihre Verfolgung aufgenommen hat - wäre die eigene Flanke trotzdem weiter geschützt.

Bei der Positionierung vor der Schlachtlinie könnten die leichten Truppen sich bei direkter Bedrohung hinter die eigene Schlachtlinie zurückziehen, so wie es die Speerwerfer, Schleuderer und andere Plänkler wie später auch Armbrustschützen vor dem Zusammenprall mit der generischen Schlachtreihe tatsächlich ja auch getan haben.

Übrigens verkamen in der Spätantike Gefechte zwischen Römern und Persern oft tatsächlich zu langen Schießereien zwischen den Bogenschützen beider Seiten. Die Nahkampfeinheiten kamen erst später oder gar nicht zum Zug. Sehr zum Unwillen von Autoren wie Prokopios, die (nach altgriechischer Tradition) den Nahkampf als helden- und ehrenhafter ansahen.

Womit er objektiv auch Recht hatte.
 
Die Reichweite eines Bogens ist bestimmt durch die Bauweise.
Ein Bogen eines Infanteristen kann anders sein als der eines Reiters.
Da spielt die Handlichkeit eine Rolle, die zu Lasten der Reichweite geht und/oder Durchschlagskraft geht.
Wir müssten uns also erst einigen, von welchen Bögen wir sprechen, oder ob wir annehmen, beide wären gleich (Aber ist das realistisch?)

Ich denke, das ist eben nicht realistisch. Die Bögen der Reiter dürften bei sonst gleicher Bauart aus Gründen der Handlichkeit kleiner gewesen sein. Auch die Reflexbögen. Ganz sicher war der Langbogen als größter Bogen eine reine Infanteriewaffe. Aber auch bei den Armbrüsten hatte die Infanterie die schwereren Waffen zur Verfügung, da ein berittener Armbrustler ausschließlich mit einem Fuß spannen konnte.
 
Ich frage, weil ich irgendwo einmal gelesen habe, daß Bogenschützen zu Fuß (etwas) weiter schießen konnten.
Wie bereits angesprochen wurde, hängt das von der Bauart des Bogens ab.

Wenn das der Fall gewesen wäre, hätte man die höhere Mobilität des berittenen Bogenschützen doch durch eine geschickte Positionierung auf Abstand halten können. Etwa indem man die eigenen Bogenschützen zu Fuß an den Flanken positioniert, um Umgehungsmanöver zu erschweren.
Die Überlegung würde in praxi aus verschiedenen Gründen nicht funktionieren:

1. Es gab in der Gechichte viele Akteure, die berittene Bogenschützen einsetzten, aber kaum welche, die bei ihren berittenen Truppen ausschließlich auf Fernkämpfer setzten.
Bogenschützen massiert an den Flanken zu positionieren, so dass deren einfacher Rückzug nicht möglich gewesen wäre, hätte sie der feindlichen Nahkampfkavallerie gegenüber gefährlich exponiert.
2. Ein weitgehend infanteristisches Aufgebot in Schlachtordnung aufzustellen, benötigt Zeit, vorwiegend berittene Truppen hingegen sind schnell und können recht einfach zu spontanten Angriffsaktionen übergehen. Es ist unwahrscheinlich dass die Berittenen erstmal brav abgewartet hätten, bis ihr überwiegend infanteristtischer Gegner Position bezieht, sondern da wären Störangriffe zu erwarten gewesen um die Etablierung einer gut funktionierenden Schlachtordnung von vorn herein zu verhindern.
3. Selbst wenn die Flanken gut geschützt wären, hätte eine einfache Schlachtreihe noch immer Front und Rücken, die anfällig wären und sich so zu arrangieren, dass ein Gegner von allen seiten gleichzeitig angegriffen werden kann, ist für Berittene kein großes Problem, sofern keine Geländehindernisse im Weg stehen.
Nimm für einen Bogen mal eine Reichewite von 100-200 Metern und für die maximale Länge einer antiken oder mittelalterlichen Kampfformation vielleicht einen halbe Km an (bei den meisten mittlalterlichen Heeren wird das wahrscheinlich weniger gewesen sein).
Dann müssten Berittene Umgehungsmannöver von vielleicht einem oder 1,2 Km oder sowas in der Richtung durchführen um von der einen Seite der Formation auf die andere zu kommen ohne dabei beschossen werden zu können.
Nimm an, dass ein Reiter, wenn die Bodenverhältnisse vernünftig sind, an die 30 km/h problemlos machen kann, dann überwindet der diese Distanz innerhalb von 2 Minuten und wenn das Gelände einigermaßen offen ist, ist diese Entfernung auch nicht zu groß um sich sichtbare Zeichen zu geben und einen gleichzeitigen Angriff von allen Seiten zu koordinieren.
Dagegen würde im Grunde nur ein Carée (Gerüstete mit Stangenwaffen außen, Schützen innen, wie man es aus dem 30-Jährigen Krieg kennt) helfen, aber so etwas aus der Situation heraus zu bilden benötigt Übung und Drill, den man bei den meisten Heeren der Antike nicht vorgefunden haben würde und bei mittelalterlichen Lehensaufgeboten schonmal überhaupt nicht.

Das Effektivste, was sich im Besonderen mit Mittelalterlichen Mitteln gegen berittene Bogenschützen machen ließ, waren schwere Panzerreiter, wenn sie richtig eingesetzt wurden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nur kamen sie den berittenen Bogenschützen in der Regel nicht hinterher.

Die Kreuzritter etwa setzten auf "Turkopolen", leichte Kavallerie, um den berittenen Bogenschützen ihrer Gegner etwas entgegenzusetzen.
 
Schon klar, aber die Doppelbewaffnung gelang den Byzantinern ja auch bei den berittenen Truppen, die neben dem Kämpfen mit zwei unterrschiedlichen Waffenarten auch das Reiten beherrschen mussten.
Ihre berittenen Bogenschützen rekrutierten die Oströmer vornehmlich aus Reitervölkern, bei denen die Reiter das Reiten und Schießen von Kindesbeinen an übten und dieses Dasein gewohnt waren.
Das kann man also nicht mit einem Infanteristen vergleichen, der erst neu ausgebildet werden muss - und, falls er zwangsrekrutiert wurde, vielleicht nicht einmal besonders lernwillig ist.
Dafür bieten ihre ungepanzerten Pferde aber auch ein riesiges Weichziel.
Das man trotzdem erst einmal treffen muss.
An den Flanken könnte man zur Abwehr auf die eigene Reiterei zurückgreifen, die noch weiter außen steht. Bewegt die sich fort - etwa, weil sie die gegnerische Reiterei geschlagen und ihre Verfolgung aufgenommen hat - wäre die eigene Flanke trotzdem weiter geschützt.
Dann sollen die eigenen Bogenschützen (die zu Fuß sind) über die eigenen Reiter drüberschießen, um die gegnerischen berittenen Bogenschützen abzuwehren?
Bei der Positionierung vor der Schlachtlinie könnten die leichten Truppen sich bei direkter Bedrohung hinter die eigene Schlachtlinie zurückziehen, so wie es die Speerwerfer, Schleuderer und andere Plänkler wie später auch Armbrustschützen vor dem Zusammenprall mit der generischen Schlachtreihe tatsächlich ja auch getan haben.
Die militärische Realität war und ist leider komplizierter als sich das manche Schreibtischkrieger vorstellen. Die optimale, für alle Situationen perfekte, Truppenzusammenstellung und Gefechtstaktik gibt es nicht. Bisher hat noch jede auch noch so erfolgreiche Armee auch Schlachten verloren - und das nicht unbedingt, weil ihre Kommandeure (mit teils jahrzehntelanger Erfahrung) zu blöd waren, um die optimale, unbesiegbar machende, Truppenzusammenstellung, Aufstellung und Gefechtstaktik zu erkennen. Also was man sich am Schreibtisch als perfekte Lösung vorstellen mag (insbesondere wenn man keine eigene reale Einsatzerfahrung hat), funktioniert in der Praxis nicht auch zwingend, zumindest nicht in jeder Situation.
Insbesondere übersehen Schreibtischkrieger gerne das menschliche Element. Im realen Krieg sind Soldaten nicht bloße Schachfiguren, die man nach Belieben (und Lehrbuch) einsetzen kann, sondern Menschen, die man zwar (mehr oder weniger gut) ausbilden und disziplinieren kann, die aber trotzdem ihren eigenen Kopf und ihre eigenen Schwächen behalten. Was am Schreibtisch toll klingen mag, funktioniert nicht, wenn dann in der Praxis die Soldaten z.B. in Panik geraten und weglaufen.

Also in der Theorie klingt es toll: Leichte Truppen mit Fernwaffen positionieren sich vor der Schlachtlinie, feuern standhaft bis zum letzten Moment auf die heranbrausende feindliche Kavallerie und ziehen sich dann im letzten Augenblick hinter die (sich öffnende und rasch wieder schließende) eigene Schlachtlinie zurück. In der Praxis stellt sich allerdings die Frage, ob die leichten Infanteristen nicht schon früher abhauen, und ob das Öffnen und Schließen der Schlachtlinie wirklich wie im Lehrbuch oder auch auf dem Exerzierplatz funktioniert oder ob sie nicht komplett durcheinandergerät, die fliehenden leichten Infanteristen nicht vielleicht gar ihre Kameraden mitreißen. (Gerade geplante Scheinfluchten und gewollte Rückzüge hatten immer wieder das Potential, in echte Fluchten auszuarten.)
Womit er objektiv auch Recht hatte.
Was bitte ist daran "objektiv"? Ob man den Nahkampf als "helden- und ehrenhafter" ansieht, ist doch reine Ansichtssache - ebenso wie die Frage, was überhaupt "heldenhaft" und "ehrenhaft" sein soll.
 
Nur kamen sie den berittenen Bogenschützen in der Regel nicht hinterher.
Das nicht, aber wenn die Bedingungen einen Hinterhalt hergaben und eine vorgetäuschte Flucht anderer Truppen, die berittenen Bogenschützen weit genug hinein lockte, war das auch nicht notwendig.
Oder alternativ, wenn den Bogenschützen irgendwie der Rückzugsweg verlegt werden konnte.

Wie gesagt, ein gutes Mittel, wenn sie richtig eingesetzt wurden.
 
Ich denke, das ist eben nicht realistisch. Die Bögen der Reiter dürften bei sonst gleicher Bauart aus Gründen der Handlichkeit kleiner gewesen sein.
Was allerdings Auswirungen auf die Spannkraft und damit die Reichweite gehabt haben dürfte.
Die Bewegungstechnischen Nachteile etc. der Langbögen hat man nicht umsonst inkauf genommen.

Aber auch bei den Armbrüsten hatte die Infanterie die schwereren Waffen zur Verfügung, da ein berittener Armbrustler ausschließlich mit einem Fuß spannen konnte.
Armbrüste waren zunächst mal sehr viel aufwendiger zu bauen, als Bogen und damit auch sehr viel teurer.
Das waren keine Massenwaffen.
Die meisten Armeen des Mittelalters (jedenfalls vor dem Spätmittelalter) waren keine Berufssoldaten, sondern das waren in der Regel Lehensaufgebote, die zu großen Teilen aus Leuten bestanden, die sonst Bauern, Handwerker oder sonst etwas waren, die gelgentlich von ihrem Herrn zur Heeresfolge herangezogen wurden und die in der Regel lediglich verpflichtet waren, Minimalbewaffnnung, in Form von Bogen und Pfeilen oder irgendeiner Form von Spießen oder Stangenwaffen vorzuhalten.
Die waren nicht einheitlich ausgerüstet, die hatten keine militärische Erfahrung, waren nie zum Zusammenwirken in Kriegssituationen gedrillt worden etc.

Viel mehr als einen mit Spießen bewährten Schildwall ein paar Bogenschützen und daneben einige völlig verschieden ausgerüstete, weitgehend unorganisierte Einzelkämpfer, gab das Früh- und Hochmittelalter in der Regel nicht her.

Deswegen ist auch der Begriff "Infanterie" hier etwas fehl am Platz.
Das war keine Infanterie, dass war ein weitgehend unorganisierter Haufen von dürftig ausgerüsteten Amateurkämpfern zu Fuß.

Was das Thema Armbrust generell angeht:

Für Belagerungssituationen sehr brauchbar, für Feldschlachten insgesamt eher weniger brauchbar, weil das Nachladen so lange dauert, dass die Schützen permanent in Gefahr gewsen wären von der Schlachtentwicklung mehr oder weniger überrollt zu werden.

Als eigene Waffengattung unter den Fernkampfwaffen erher zu vernachlässigen, da aufwendig herzustellen, teuer, und in den meisten Schlachtszenarien eher unbrauchbar, sofern man das nicht als Wegwerf-Waffe (einmal abschießen, dann sofort weg damit, und zur nächsten Waffe übergehen, so wie das in der FNZ bis ins 18. Jahrhundrert teilweise mit Pistolen gehandhabt werden konnte) betrachtet.
Aber dafür war es eigentlich zu teuer und in Massen schonmal überhaupt nicht.
 
Das man trotzdem erst einmal treffen muss.

Salvenfeuer. Etwas anderes taten die berittenen Bogenschützen bei Annäherung an das feindliche Heer ja auch nicht.

Was bitte ist daran "objektiv"? Ob man den Nahkampf als "helden- und ehrenhafter" ansieht, ist doch reine Ansichtssache - ebenso wie die Frage, was überhaupt "heldenhaft" und "ehrenhaft" sein soll.

Was ist daran heldenhaft, aus der Distanz auf jemanden in der Hoffnung zu schießen, nicht selbst getroffen zu werden? Noch dazu wenn einfach in eine Menge hineingefeuert wird. Das ist geradezu die Definition des Feigen. Natürlich erfordert Nahkampf mehr Mut. Da begibt man sich zwangsläufig in die Reichweite des Gegners und MUSS mit Schlägen rechnen.
 
Das nicht, aber wenn die Bedingungen einen Hinterhalt hergaben und eine vorgetäuschte Flucht anderer Truppen, die berittenen Bogenschützen weit genug hinein lockte, war das auch nicht notwendig.
In der Praxis waren es allerdings eher die berittenen Bogenschützen, die eine Flucht vortäuschten, um ihre Gegner zu veranlassen, ihnen zu folgen.
 
Salvenfeuer. Etwas anderes taten die berittenen Bogenschützen bei Annäherung an das feindliche Heer ja auch nicht.
Das waren aber keine MGs, bei denen ziemlich egal wäre, wenn sich die Entfernung des Ziels ändert. Mit dem Bogen wurde auf große Distanz nicht in gerader Linie geschossen, sondern in die Luft. Das Ziel sollte sich also dort befinden, wo die Pfeile wieder herunterkommen. Je schneller es sich bewegt, umso schwieriger.
Was ist daran heldenhaft, aus der Distanz auf jemanden in der Hoffnung zu schießen, nicht selbst getroffen zu werden? Noch dazu wenn einfach in eine Menge hineingefeuert wird. Das ist geradezu die Definition des Feigen. Natürlich erfordert Nahkampf mehr Mut. Da begibt man sich zwangsläufig in die Reichweite des Gegners und MUSS mit Schlägen rechnen.
Dann sind also seit dem weitgehenden Verschwinden des Nahkampfs alle Soldaten nur noch ehrlose Feiglinge, die im Krieg eh kaum ein Risiko eingehen, dass ihnen etwas zustößt?

Übrigens war sogar das Verhältnis der alten Griechen zum Fernkampf durchaus ambivalent: Wenngleich sie den Nahkampf als heroischer ansahen, verwendete ausgerechnet ihr größter Held (der nach seinem Tod sogar in den Olymp aufgenommen worden sein soll), Herakles, neben der Keule auch den Bogen. Als ehrlosen Feigling sahen ihn die Griechen bestimmt nicht.
 
Übrigens war sogar das Verhältnis der alten Griechen zum Fernkampf durchaus ambivalent: Wenngleich sie den Nahkampf als heroischer ansahen, verwendete ausgerechnet ihr größter Held (der nach seinem Tod sogar in den Olymp aufgenommen worden sein soll), Herakles, neben der Keule auch den Bogen. Als ehrlosen Feigling sahen ihn die Griechen bestimmt nicht.
 

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Patton soll gesagt haben: Im Krieg geht es nicht darum, für dein Land zu sterben, sondern darum, dass der Bastard auf der anderen Seite für seines stirbt.

Man könnte übrigens auch zu dem Urteil kommen, dass eine Kriegsführung, die eine schnelle Entscheidung – und damit das Ende der Schlacht – erzwingt, letztlich humaner ist als eine weniger effektive, aber vermeintlich ehrenhaftere, die zu einer brutalen Abnutzungsschlacht führt.

Was den Konflikt zwischen Ehre und Kriegsrealität anlangt, zumindest im Kontext des europäischen Mittelalters, sei gesagt, dass stereotype Ritterlichkeit in der Realität so selten war, dass sie in den Quellen besonders hervorgehoben wird. Was nicht geschehen wäre, wäre sie alltäglich gewesen. Persönlich bin ich der Ansicht – anders als so mancher Historiker, den ich gelesen habe –, dass Ritterlichkeit für Europäer zwischen 1100 und 1600 kein leeres Wort war und man wirklich versuchte, sie zu leben, aber Ideale scheitern nun mal meist an der Realität.
 
In der Praxis waren es allerdings eher die berittenen Bogenschützen, die eine Flucht vortäuschten, um ihre Gegner zu veranlassen, ihnen zu folgen.
Ja, siehe Mongolen, Magyaren und andere.

Allerdings hat die Schlacht auf dem Lechfeld ja auch gezeigt, was mit den berittenen ungarischen Bogenschützen passirte, als sie zu nah an die Panzerreiter heran kamen.
 
Allerdings hat die Schlacht auf dem Lechfeld ja auch gezeigt, was mit den berittenen ungarischen Bogenschützen passirte, als sie zu nah an die Panzerreiter heran kamen.
Was sich für die Schlacht auf dem Lechfeld festhalten lässt, ist eine umfangreiche Niederlage der magyarischen berittenen Bogenschützen. Welche Faktoren diese Niederlage beeinflussten, zeigt sich meines Wissens vielfältig, ist in Teilen auch nur spekulierbar. Ziemlich sicher scheint die Niederlage nicht auf ein einziges taktisches Ausmanövrieren zurückzuführen zu sein.
So soll bspw. der Faktor Gier zum Tragen gekommen sein. Nach einem zunächst erfolgreichen Angriff auf das Ende des im Schutze eines Waldes vorrückenden ottonischen Heerzuges scheinen die Magyaren den Tross zu plündern begonnen haben und mussten dann eine erfolgreiche Gegenattacke über sich ergehen lassen.
Weitere mögliche Gründe werden für die Niederlage in Betracht gezogen, so auch Witterungsbedingungen. Durch möglicherweise über Tage hinweg auftretende Niederschläge könnten die Bögen der Magyaren nahezu unbrauchbar geworden sein.

Aus einer Rezension* zu C. R. Bowlus (2012): Die Schlacht auf dem Lechfeld:
"Die Vorkommnisse an den Augusttagen 955 bei Augsburg sind aus den Quellen – vor allem durch Widukind – gut bekannt: Am 8. August begann der ungarische Angriff auf Augsburg, das von Bischof Ulrich verteidigt wurde. Einen Tag später rückte Ottos Heer an, konnte den ersten Angriff der Ungarn abwehren, und am 10. August fand die eigentliche Schlacht statt. Charles R. Bowlus’ Rekonstruktion zufolge fand diese aber nicht auf dem Lechfeld, sondern am Rand des Rauhen Forstes westlich von Augsburg statt (S. 243). Seine zentrale These bezieht sich jedoch nicht auf die Bestimmung des Ortes, an dem die Schlacht ablief, sondern auf die Annahme, dass die Vernichtung der ungarischen Kriegerverbände und der durchgreifende Sieg nicht am 10. August erreicht wurden, sondern erst in den darauffolgenden Tagen. Dieser zweite Abschnitt des Kampfes soll durch zwei Aspekte bestimmt worden sein: erstens durch unwetterartige, über Tage andauernde Regenfälle, die sowohl die Reflexbögen der Ungarn außer Kraft gesetzt als auch ihren Rückzug behindert hätten, da sie eine starke Überflutung der Flüsse verursachten. Zweitens sollen die zersplitterten ungarischen Truppen mit ständigen Attacken ottonischer Einheiten konfrontiert gewesen sein, ganz nach dem Prinzip der vorher geschilderten Methode der „Verteidigung in der Tiefe“: Sie sollen von befestigten, an den Flussübergängen gelegenen Anlagen aus überfallen und vernichtet worden sein."

Ein sich über mehrere Tage hinweg hinziehendes Kampfgeschehen mit Aufsplitterung in Klein(st)gefechte scheint demnach durchaus wahrscheinlich.

* Rezension zu: C. R. Bowlus: Die Schlacht auf dem Lechfeld
 
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