Hallo William,
obwohl ich zu lange Diskussionen über Illig, seine Theorie und seine Anhänger bzw. Verehrer (die sog. Illigisten) eigentlich für verschwendete Zeit und auch verschwendete Worte halte, möchte ich Dir dennoch antworten, da ich annehme, Du willst die Meinungen verschiedener Leute hier und wahrscheinlich auch die Begründungen dazu wissen :fs:
William Wallace schrieb:
Sicher habt ihr schon von der Theorie gehört, dass 300 Jahre nach 700 frei erfunden wurden.
Ehrlich gesagt, mehr als mir lieb ist, und es geht übrigens um die Zeit von 614 bis 911
William Wallace schrieb:
Es heißt auch, dass es keine Aufzeichnungen von dieser Zeit gibt. Das würde dann auch heißen, dass es Karl den Großen nie gegeben hätte.
Doch gibt es wirklich überhaupt keine Aufzeichnungen von dieser Zeit? Was meint ihr dazu?
Illig bzw. die Illigisten leugnen gar nicht, daß es Aufzeichnungen aus jener Zeit gibt, nur werden diese als Fälschungen betrachtet - wie Hyokkose schon schrieb.
Sie deuten tatsächlich an mehreren Stellen an, daß Chronisten aus verschiedenen "Kreisen" Schriftstücke quasi "in gemeinsamer Arbeit" dahingehend gefälscht hätten bzw. Erdichtetes gegeneinander kopiert hätten.
Meiner Meinung nach ist das aber schon deswegen unsinnig, weil ich mir schon beim ersten Lesen dieser Theorie folgende Fragen gestellt habe...
1. Das Kaisertum Karls d. Gr. - um den Kernpunkt herauszugreifen - stellte sich in die römische Kaisertradition, was den ebenfalls in dieser Tradition stehenden byzantinischen Kaisern nun überhaupt nicht paßte; der Zwist dauerte bekanntlich bis hin zu Otto I., der erst mit dem 3. Italienzug (966/72) die Anerkennung seines Kaisertums erreichte.
Frage: Welches Interesse sollten byzantinische Chronisten deshalb an einer solchen erfundenen Geschichte haben?
2. Bleiben wir bei Karl d. Gr.: er unterhielt sehr gute diplomatische Beziehungen zum Kalifen von Bagdad, Harun ar-Raschid. Die arabischen Chronisten hätten deswegen ihrerseits nicht nur diesen Kalifen, sondern dessen gesamte Dynastie - die Abbasiden - wie auch die vorherige Dynastie der Umayyaden sowie die rechtgeleiteten Kalifen davor und letztlich damit auch den Propheten selbst erfinden müssen.
Frage: Warum sollten sich Chronisten der islamischen Welt zur Fälschung einer derart umfassenden und für die Herausbildung ihrer Religion so wichtigen Geschichte bringen lassen, nur damit eine Herrscherfigur des christlichen Kulturkreises legitimiert wird?
3. Betrachten wir den Zeitraum: 614 sind die Sachsen als nördliche Nachbarn der Franken im Gegensatz zu diesen noch keine Christen, 911 aber existiert ebendort innerhalb des ostfränkischen Reichsteils das Herzogtum Sachsen, ein durchweg christliches Territorium, dessen Herzog dann 8 Jahre später deutscher König wird (Heinrich I.).
Frage: Wie kann so etwas in einem derart kurzen Zeitraum sein?
Noch eine Anmerkung zu den Fälschungen: die Illigisten nutzen dabei auch aus, daß sich inzwischen nicht wenige Dokumente jener Zeit als Fälschungen erwiesen haben. Allerdings handelt es sich dabei um Fälschungen im Sinne der Datierung, sprich: etwa in der Art, als wenn ich heutzutage eine Banküberweisung mit dem Datum von vorgestern versehe, weil ich ansonsten eine bestimmte Frist überschritten habe! Es ist dann ja ziemlich unsinnig zu behaupten, das Geld sei gar nicht überwiesen worden - nur das Datum auf der Überweisung war halt falsch bzw. gefälscht...
Hier liegt ein Fehler in der Vorgehensweise von Seiten der Illigisten vor: eine falsche Datierung bedeutet eben keineswegs, daß das im Dokument beschriebene Ereignis nicht stattgefunden hat!
Wichtige Anmerkung: Das Beispiel mit der Banküberweisung war nur zur Verdeutlichung gedacht und nicht als Ermunterung!!!
Danke an der Stelle nochmals in Richtung Fingalo, der mir die Relativierung des Begriffes der Fälschung(en) erklärt hat... (das Bankenbeispiel habe ich mir aber selbst ausgedacht)
William Wallace schrieb:
Also ich finde das ganze sehr weit hergeholt.
Das finde ich auch
William Wallace schrieb:
Ich möchte aber eure persönlichen Meinungen hören.
Et voila...
Viele Grüße
Timo