Das ist eine Binsenweisheit. Völker setzen sich aus ganz unterschiedlichen anthropologischen Typen zusammen und assimilieren im Lauf ihrer Geschichte immer neue Ethnien. Insofern hat das Haplo-Gerede keine Basis, da Gentypen nicht deckungsgleich mit Völkern sind.
Was die Polen angeht, so so schient sich ihre Ethnogenese so vollzogen zu haben:
Seit dem 4./5. Jh. n. Chr. strömten Westslawen in den Raum zwischen Elbe und Weichsel, den germanische Stämme wie die Burgunder, Wandalen oder Goten im Zuge der Völkerwanderung verlassen hatten. Archäologen haben festgestellt, dass noch eine kleine germanische Restbevölkerung in diesen Sitzen verblieb, die von den nachrückenden Westslawen vollständig assimiliert wurde.
Zu diesen Westslawen zählen u.a. die Abodriten, Liutizen, Heveller, Pomoranen und Sorben, die dicht an der Elbe-Saale-Linie siedelten, die bis ins 11. Jh. die Grenze zwischen dem deutschen und slawischen Siedlungsgebiet bildete. Ferner zählten zu den Westslawen Tschechen, Slowaken, Kaschuben und Polanen im Raum des heutigen Polen, von denen sich der Name "Polen" herleitet.
Da das Herzogtum Polen bereits im 10. Jh. gegründet wurde, muss die Ethnogenese der Polen - die sich aus dem Kontinuum der Frühslawen ausgegliedert hatten - in einem Zeitkorridor erfolgt sein, der vermutlich vom 5.-8. Jh. n. Chr. reichte. Exakt wird man das - wie stets bei der Entstehung von Völkern - nie bestimmen können.
An der Entstehung des polnischen Volks haben vermutlich turkstämmige Völker im Süden (z.B. Petschenegen und Kumanen) sowie baltische und finnische Völker im Norden und NO mitgewirkt, wobei ihr jeweiliger Einfluss schwer abzuschätzen ist.
Eine Binsenweisheit ist eine Weisheit, die so offensichtlich ist, dass man sie nicht aussprechen muss.
Das "Haplogruppen-Gerede" sollte man mit Distanz betrachten, weil das nicht der erste Trend in der Geschichtsforschung wäre, der sich als Flop erweisen würde, außerdem weiß man ja ohnehin nie, wie Statistiken zusammengekommen sind.
Beachten sollte man das allerdings schon. Und es fasziniert mich derzeit.
An eine konstant hohe Durchmischung der europäischen Völker glaube ich nicht, da es in der meisten Zeit der Menschheitsgeschichte für den einfachen Menschen nicht möglich war, weit zu reisen. Ohne bewaffnete Massenbewegungen oder organisiertes Ansiedeln ging da nicht viel. Darüber hinaus war es bis vor 40 Jahren noch sehr wichtig, angepasst zu sein. Der Individualismus ist eine neumodische Erscheinung. Die Gesellschaft in Mittelalter und früher Neuzeit war aber zB. in Gilden organisiert - die Gruppe war wichtiger, als das Individuum, und da schließe ich aus, dass der einfache Bürger ein Interesse daran hatte, sich allein in einen Raum zu begeben, wo eine unverständliche Sprache gesprochen und anderen Bräuchen gefrönt wurde. Darüber hinaus war das "Auswandern" für die meisten schlichtweg ein Problem der Machbarkeit: man musste zu Fuß gehen, in unbekanntes Gebiet, es wimmelte dort von Räubern, mal eben ins Hotel einchecken ging auch nicht, es war auch nicht überall ein Imbißstand und die Menschen glauben damals immerhin noch an Monster, Hexen und Geister, die im tiefen Wald hausten. Laut meinem ehemaligen Geschichtsprof. hat sich der Durchschnittsbürger des Mittelalters von seinem Heimatdorf im ganzen Leben nicht weiter entfernt, als 20 Kilometer.
Deswegen nehme ich an, dass außer in den Gebieten, in denen nachweisbar organisierte Massenwanderung stattfand, die Bevölkerung größtenteils homogen geblieben ist - bis dann irgendwann Reisen für jeden möglich wurde.
Dann sollte man betrachten, dass Assimilation keine selbstverständliche Entwicklung ist. Es gibt zahlreiche ethnische Minderheiten in ganz Europa, deren Existenz aus Wanderungen hervorgehen, die vor Jahrhunderten stattfanden - und trotz teilweise gewaltsamen Assimilationsdrucks haben diese Minderheiten sich ihre eigene Identität bewahrt:
Istro-Romanen, dh. "rumänischsprachige" in Nordwest-Kroatien, von denen man gar nicht genau weiß, wo die herkamen, die manche sogar für Überreste der vorslawischen Urbevölkerung halten, die aber auf jeden Fall seit ca. 600 Jahren in der Region bezeugt sind. In allen Balkanländern gibt es romanischsprachige Minderheiten, die sich dort seit jahrhunderten halten. Oder russische Kleingruppen, wie die Lemken, die ganzen Tartaren oder Finnen in Russland, oder die deutschen Minderheiten, wie die Gottschee in Slowenien oder die "Russlanddeutschen", oder die Burgenland-Kroaten in Österreich - die wohnen da auch schon seit 500 Jahren.
Dass in Polen viel von der vor-slawischen Bevölkerung übergeblieben wäre, glaube ich nicht, da ansonsten auch Sprachinseln entstanden wären, und die werden nirgendwo erwähnt. So gehe ich davon aus, dass die Slawen ein weitgehend leeres Gebiet besiedelt hatten.
Zur Geschichte Polens gehört aber der Mongolensturm von 1241. Der hat weite Teile des Landes dermaßen entvölkert, dass der polnische König, ebenso, wie der ungarische, Siedler in den von Mongolen verschonten Staaten anwerben musste. So wurde bspw. Schlesien deutschsprachig, und laut einem mir bekannten Ungarn wurde nur so Siebenbürgen rumänisch und Slavonien kroatisch. Dass die Vojvodina serbisch ist, hat, wie bei den Burgenland-Kroaten, etwas mit den Türkenkriegen und der Vertreibung von christlichen Dissidenten unter der osmanischen Balkan-Regentschaft zu tun.