Ich bin durch das Buch „Das Jahrhundert meines Vaters“ von Gert Maak auf das Thema gekommen. Maak hat sich an der Biografie der eigenen Familie durch die Geschichte der Niederlande im 20. Jahrhundert gehangelt. Ich habs noch nicht ganz geschafft, das hat aber nichts mit dem Buch zu tun. Es ist wirklich gut lesbar und als Ferienlektüre uneingeschränkt zu empfehlen.
Im Klappentext steht „niederländische Durchschnittsfamilie“. Das stimmt zum Glück nicht. Maaks Vater war protestantischer Pfarrer in der Kolonie Indonesien, im Krieg Militärpfarrer auch in den japanischen Kriegsgefangenenlagern, da kommt mehr Diskussionsstoff auf, als sagen wir mal aus dem Lebensweg eines holländischen Bankangestellten.
Interessant ist natürlich der Blick aus einem Nachbarland auf die Ereignisse der 30er und 40er-Jahre, deswegen auch die Frage zu Faschismus in den Niederlanden.
In Kürze: es gab faschistische bzw. nationalsozialistische Gruppierungen. Die bedeutendste war, wie Thane schon schrieb, die Nationaal-Socialistische Beweging NSB unter dem „Leider“ Anton Adriaan Mussert. Zweites Gründungsmitglied war Cornelius van Geelkerken. Später wurde Rost van Tonningen wichtig. Der Rechtsanwalt brachte antisemitische Ideen in die Partei. Van Tonningen wurde während der Besatzung von den Deutschen Mussert vorgezogen (siehe auch Scorpios Beitrag).
Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern waren die Erfolge der NSB gering. 1935 erreichte die NSB bei Wahlen 8 Prozent, Anfang 1936 hatte sie 47.000 Mitglieder. Davon 5.000 in Batavia. Aber schon 1937 wählten nur noch 4,2 Prozent extrem rechts. Die Wähler kamen vor allem aus dem protestantischen Milieu. Hier war wohl durchaus eine gewisse Sympathie für die Idee eines starken, nationalistischen Staates vorhanden. Der langjährige Ministerpräsident Hendrik Colijn versuchte auch, die Wirtschaftskrise durch Abgrenzung nach außen zu überwinden, erinnert an die Austeritätspolitik der Weimarer Republik. Die Weltwirtschaftskrise traf Holland erst in den 30er-Jahren mit voller Wucht, daher auch der Zeitversatz bei den Wahlerfolgen der Radikalen.
Das die Nazis schwach blieben, mag auch an der Figur Colijns gelegen haben, ein Ex-Soldat mit Vaterfigur-Zügen. Seine Partei nannte sich „Anti-Revolutionäre Partei“, anti-revolutionär als Abgrenzung zur französischen, nicht zur kommunistischen Revolution. Maak zeigt sich verwundert, dass die extreme Rechte nicht mehr Zulauf hatte, die Ideen war unter Protestanten zumindest in den Kolonien und in der Kleinstadt, aus der seinen Familie stammt, wohl durchaus wohl gelitten. Wobei die NSB bis 1938 nicht anti-semitisch war. Rassismus war dagegen in der Gesellschaft normal, nicht verwunderlich bei einem Kolonialstaat. Maaks Buch gibt zum Thema der Beziehungen zwischen Holländern und Asiaten in Niederländisch-Indien einiges her.
Während der Besatzung hatte die NSB die gleichen Probleme, wie andere faschistische Parteien in Europa. Von der Bevälkerung als Kollaborateure wahrgenommen, wurden sie auch von deutscher Seite nicht unterstützt. Mussert wurde zwar „Führer des niederländischen Volkes“, bekam aber als Reichskommissar Arthur Seyß-Inquart vor die Nase gesetzt. Damit ging es ihm ähnlich wie Quisling in Norwegen. Hoffnungen, dass die „germanischen Nachbarvölker“ eine eigenständige Rolle im NS-Europa spielen sollten, scheiterten am kompletten deutschen Desinteresse.
Quellen: Bauerkämper, Der Faschismus in Europa 1918 – 1945, Spiegel-Geschichte 3/2017 Faschismus und natürlich ein bisschen Wiki.