Ich bin eben im englischen Wikipedia-Artikel über den Hl. Patrick, bin ich über eine Neuinterpetation von Patricks Entführung durch Roy Flechner gestolpert.
Patrick selbst schrieb in seiner Confessio:
Traditionellerweise wird das so gelesen, dass Patrick von irischen Piraten entführt wurde.
Roy Flechner sagt nun (ich entnehme das nur dem englischen Wikipedia-Artikel, habe das nicht bei ihm selbst gelesen), dass er wohl eher vor seiner Pflicht geflohen sei, ein städtisches Amt zu übernehmen, wie er das als Sohn eines Beamten wohl hätte tun sollen, und wie es als "Flucht der Kurialen" üblich gewesen sei. Es sei außerdem sehr unwahrscheinlich, dass Patrick aus der Gefangenschaft geflohen eine Missionsreise unternommen habe und Flechner verweist wohl auf Parallelen zum Bibeltext, so dass der Text wohl möglicherweise gar nicht zum wörtlichen Verständnis gedacht gewesen sei.
Und kann man die tausenden anderen Entführungsopfer wegdiskutieren? Konnte Patrick erwarten als glaubwürdig wahrgenommen zu werden, wenn man von solchen Entführungszahlen nichts wusste?
Eigentlich bin ich auf diesen Komplex gekommen, als ich über den Patricksstone bei Erskine in Schottland stolperte. Dort wird erzählt, er sei beim Fischen - auf eben diesem Stein - von irischen Piraten entführt worden - aber wo lag Bannavem Taburniae tatsächlich? Die Glasgower Gegend ist doch reichlich unwahrscheinlich, eigentlich müsste man doch wohl eher in England suchen.
Patrick selbst schrieb in seiner Confessio:
Ego Patricius peccator rusticissimus et minimus omnium fidelium et contemptibilissimus apud plurimos patrem habui Calpornium diaconum filium quendam Potiti presbyteri, qui fuit uico †bannauem taburniae†; uillulam enim prope habuit, ubi ego capturam dedi. Annorum eram tunc fere sedecim. Deum enim uerum ignorabam et Hiberione in captiuitate adductus sum cum tot milia hominum — secundum merita nostra, quia a Deo recessimus et praecepta eius non custodiuimus et sacerdotibus nostris non oboedientes fuimus, qui <nos> nostram salutem admonebant: et Dominus induxit super nos iram animationis suae et dispersit nos in gentibus multis etiam usque ad ultimum terrae, ubi nunc paruitas mea esse uidetur inter alienigenas,
Ich, Patricius,bäuerlichster Sünder und geringster von allen Gläubigen und bei vielen der wertloseste, hatte den Diakon Calpornius als Vater, Sohn eines gewissen Priesters Potitus, welcher im Dorf Bannavem Taburniae war, er hatte dort ein Landhaus zu eigen, wo ich in Gefangenschaft gegeben wurde. Ich war (trug) damals sechszehn Jahre. Den wahren Gott kannte ichnicht und ich wurde nach Irland in Gefangenschaft fortgeführt, zusammen mit tausenden anderen, nachdem wir das verdient hatten welche wir Gott und von Gott zurückgezogen hatten, seine Gebote nicht beachteten und unseren Priestern gegenüber nicht gehorsam waren, welche uns an unser Heil erinnerten. Und Gott führte über uns seinen Zorn und verteilte uns auch an viele Völker bis an das Ende der Welt, wo mir unter Fremden meine Kleinheit vor Augen geführt wurde...
Ich, Patricius,bäuerlichster Sünder und geringster von allen Gläubigen und bei vielen der wertloseste, hatte den Diakon Calpornius als Vater, Sohn eines gewissen Priesters Potitus, welcher im Dorf Bannavem Taburniae war, er hatte dort ein Landhaus zu eigen, wo ich in Gefangenschaft gegeben wurde. Ich war (trug) damals sechszehn Jahre. Den wahren Gott kannte ichnicht und ich wurde nach Irland in Gefangenschaft fortgeführt, zusammen mit tausenden anderen, nachdem wir das verdient hatten welche wir Gott und von Gott zurückgezogen hatten, seine Gebote nicht beachteten und unseren Priestern gegenüber nicht gehorsam waren, welche uns an unser Heil erinnerten. Und Gott führte über uns seinen Zorn und verteilte uns auch an viele Völker bis an das Ende der Welt, wo mir unter Fremden meine Kleinheit vor Augen geführt wurde...
Traditionellerweise wird das so gelesen, dass Patrick von irischen Piraten entführt wurde.
Roy Flechner sagt nun (ich entnehme das nur dem englischen Wikipedia-Artikel, habe das nicht bei ihm selbst gelesen), dass er wohl eher vor seiner Pflicht geflohen sei, ein städtisches Amt zu übernehmen, wie er das als Sohn eines Beamten wohl hätte tun sollen, und wie es als "Flucht der Kurialen" üblich gewesen sei. Es sei außerdem sehr unwahrscheinlich, dass Patrick aus der Gefangenschaft geflohen eine Missionsreise unternommen habe und Flechner verweist wohl auf Parallelen zum Bibeltext, so dass der Text wohl möglicherweise gar nicht zum wörtlichen Verständnis gedacht gewesen sei.
According to Patrick's own account, it was Irish raiders who brought him to Ireland where he was enslaved and held captive for six years.[92] However, a recent alternative interpretation of Patrick's departure to Ireland suggests that, as the son of a decurion, he would have been obliged by Roman law to serve on the town council (curia), but chose instead to abscond from the onerous obligations of this office by fleeing abroad, as many others in his position had done in what has become known as the 'flight of the curiales'.[93] Roy Flechner also asserts the improbability of an escape from servitude and journey of the kind that Patrick purports to have undertaken. He also draws attention to the biblical allusions in Patrick's own account (e.g. the theme of freedom after six years of servitude in Exod. 21:2 or Jer. 34:14), which imply that perhaps parts of the account may not have been intended to be understood literally.[94]
Ich kenne mich leider mit den spätantiken Gepflogenheiten nicht gut aus, weiß aber, dass die Übernahme eines Amtes in der republikanischen Zeit einerseits eine große Ehre war, andererseits aber zunächst auch viel Geld kosten konnte, was dann durch pro-Ämter später vielfach wieder hereingespült und sogar vervielfacht wurde (was auch akzeptiert war, wenn man das nicht so übertrieb, wie Varro auf Sizilien). In der Spätantike, als Rom eher auf dem Rückzug war, dürften Ämter, deren Ausübung privates Geld kosteten, tatsächlich eher unbeliebt gewesen sein. Aber war das so?
Und kann man die tausenden anderen Entführungsopfer wegdiskutieren? Konnte Patrick erwarten als glaubwürdig wahrgenommen zu werden, wenn man von solchen Entführungszahlen nichts wusste?
Eigentlich bin ich auf diesen Komplex gekommen, als ich über den Patricksstone bei Erskine in Schottland stolperte. Dort wird erzählt, er sei beim Fischen - auf eben diesem Stein - von irischen Piraten entführt worden - aber wo lag Bannavem Taburniae tatsächlich? Die Glasgower Gegend ist doch reichlich unwahrscheinlich, eigentlich müsste man doch wohl eher in England suchen.