Die wichtigste Frage, die sich in diese Zusammenhang stellt, ist doch, wie schnell die deutschen Gase sich wieder verflüchtigen, denn sollte dieser Zeitpunkt sehr schnell erreicht sein, so kann auch ein Einsatz im Bewegungskrieg sinnvoll sein.
Eine sowjetischer Angriffsplan gegen Westeuropa sah mW einen vorbereitenden chemischen Angriff mit einem schnell flüchtigen Gas vor. Dieses sollte den Gegner töten und sich dann innerhalb der ersten 24 Stunden wieder verflüchtigen. Vor allem bei einem solchen Einsatz in der Tiefe kann von einer nachhaltigen Schwächung der Verteidigungsfähigkeit des jeweiligen Gegeners ausgegangen werden, von der psychologischen Wirkung mal ganz zu schweigen. Allerdings bleibt auch hier immer die Vergeltungsfrage offen.
Pläne gab es viele. Aber sehen wir den Tatsachen ins Gesicht:
-auch ein "schnell" verflüchtigendes Gas braucht seine Zeit, bis es sich verflüchtigt hat; ein Grund dafür ist ja, dass es sich, um wirksam zu sein, auch nicht zu schnell verflüchtigen darf; somit geht unterm Strich wertvolle Zeit verloren
- wie sich das Gas verhält, hängt mitunter vom Wetter ab; die Wettervorhersagen waren damals noch wenig ausgereift; somit ist ein solcher Einsatz damals nur schlecht planbar gewesen; die aus dem ersten WK bekannten Schwierigkeiten waren immer noch nicht behoben; Wirkung und Verflüchtigung ließen sich nur unter optimalen Bedingungen sicher bestimmen, die selten gegeben waren
- erschwerend kommt hinzu, dass man allseits von einem C-Waffen-Krieg ausging und diesen Aspekt bei der Vorbereitung auf den nächsten Krieg bei Ausbildung und Ausrüstung nachdrücklich berücksichtigte; folglich stellt sich die Frage, inwieweit eine hinreichend tödliche Wirkung des Gases überhaupt zu erreichen gewesen wäre
- abschließend muss man berücksichtigen, dass die Fronten im Gegensatz zum 1. WK weit weniger stabil waren; Angriffe und Gegenangriffe, Kessel und Ausbrüche aus diesen bringen für einen Gasangriff zusätzliche Probleme; die Gasgeschosse müssen an die Front herangebracht und dort gelagert werden; diese Lager sind aber infolge der Art der Kriegsführung auch immer der Gefahr ausgesetzt, dem Feind in die Finger zu fallen; Treibstoff- und Munitionslager konnten oft genug nicht rechtzeitig verlegt werden
- allenfalls um Kessel auszuräuchern, hätte man mit Gas operieren können; andererseits warum das Gas verschleudern, wenn der Hunger dieselbe Leistung kostenfrei liefert und man zudem Kriegsgefangene erhält, die man zur Arbeit zwingen kann?
Man könnte noch zahlreiche andere Gründe anführen.
Jedenfalls ergibt sich aus solchen Überlegungen für mich die Schlussfolgerung, dass Gas für den Krieg, wie er im 2. WK geführt wurde, kein taugliches Mittel darstellt.