Genetischen Verteilungen in Irland - Bewertung einer Inetseite?

Luziv

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Meine Frage ist etwas unverschämt, weil wohl recht aufwändig zu beantworten. Ich wüßte gerne, was von einer Internetseite zu halten ist, die etwas zur haplogenetischen Verteilung in Europa sagt.

Ich bin auf die Seite gestoßen, weil ich etwas dazu wissen möchte, ob die alten Iren/Gälen/Goidelen zu den Kelten gehören. Eindeutig ist dem Bereich eine keltische Sprache zuzuordnen, aber es gibt fast keine Latene-ähnlichen archäologischen Funde, daher ist die Sache umstritten. Ich habe mal gelesen, genetisch seien die Iren eher mit den Bewohnern der iberischen Halbinsel verwandt, daher sei die Besiedlung von dort erfolgt, es sei keine keltische, sondern eine eigenständige Kultur. Das finde ich seltsam, daher die Suche nach Genetik-Daten.

Nach der gefundenen Seite kann man, jedenfalls so weit ich das verstehe, nicht überzeugend sagen, die Besiedlung Irlands sei von Spanien aus erfolgt, es wird eher eine normale indoeuropäische RIb-Besiedlung von Südosten aus zur vorhandenen I1 und I2b Bevölkerung dazu stattgefunden haben, da sich die RIb-Untergruppen in Spanien und Irland quasi zeitgleich bilden. Schluß: die Sprache ist daher in meinem Fall das entscheidende Argument für die Einordnung, nicht die Genetik, die wenig aussagt. Vielleicht interpretiere ich die Daten auch falsch.

Die Seite:

Eupedia : Geographic spread and ethnic origins of European haplogroups

Ziemlich lang. Einiges scheint mir nicht ganz auf dem neuesten Stand (Einwanderung der Dorer z.B.), aber da hier so vieles unklar ist, will ich nicht vorschnell urteilen. Im großen und ganzen scheint mir die Seite zuverlässig zu sein.

Stimmt das oder steht da viel Unsinn?

Ich halte genetische Verteilungen zwar nicht für sonderlich wichtig, um Kulturen zu erklären, aber diese Irland-Spanien-Verbindung, die ich jetzt nicht mehr so sehe, hatte mich etwas verwirrt.

Edit: hatte den Titel noch kurz vor Abschicken umgestellt, daher die dämliche Gramatik. Kann man den Titel ändern in "Genetische Verteilungen..."? :pfeif:
 
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Der Link ist recht umfangreich, die einzelnen Gruppen stark gegliedert. Inwieweit das Sinn macht, wenn man sich überlegt, was die Eingruppierung der mtDNA und yDNA von heute lebenden Menschen über Wanderungsbewegungen in der Vorgeschichte überhaupt aussagen können.
Natürlich ist es faszinierend, archäologische Reste einzelnen Menschengruppen zuzuordnen.
Ich habe nur oberflächlich drübergeguckt, bei Haplogroup G2a, deren Schwerpunkte im Kaukasus, den Alpen, Randgebirgen liegen, wird eine Verbindung zur Metallverarbeitung hergestellt, für diese Verteilung wären auch ganz andere Ursachen denkbar.
 
Über die These, wonach Briten von Spaniern abstammen, hat schon vor einiger Zeit die "Ärztezeitung" berichtet:

Stammen Briten von Spaniern ab?


Allerdings erschien der Artikel in der Rubrik "Auch das noch !"

Die These wurde vom britischen Humangenetiker Bryan Sykes aufgestellt. Hier auf wiki kann man auch was dazu lesen:

Bryan Sykes - Wikipedia, the free encyclopedia


Er hat das in seinem populärwissenschaftlichen Buch "Blood of the Isles" publiziert:

Blood of the Isles: Amazon.de: Bryan Sykes: Englische Bücher
 
Die niedrige Mutationsrate auf den untersuchten DNA-Abschnitten macht es eigentlich fragwürdig, über Wanderungsbewegungen des Menschen im Neolithikum und danach zu spekulieren, sofern sie nicht interkontinental oder zumindest sehr weiträumig waren. Die lokale Durchmischung seitdem verwischt das alles.
Bei den frühen Migrationen des Homo sapiens ist das etwas anderes. Da aber Irland erst relativ spät besiedelt wurde und als Insel ziemlich isoliert ist, kann auch Gendrift ? Wikipedia
die festgestellten Abweichungen verursacht haben.

Ich hoffe, ihr habt verstanden, was ich damit ausdrücken will.
 
Von Genetik und Haplogruppen verstehe ich nichts, da sollen dir andere antworten. Von mir nur so viel: Linguistisch sind die Iren ursprünglich Kelten. Ursprünglich, weil die meisten Iren (Schotten, Waliser, Cornwaliser etc.) heute nicht mehr in der Lage sind ein keltisches Idiom zu sprechen bzw. dies nicht mehr ihre erste Muttersprache ist. Wie du schon festgestellt hast, stimmt dies nicht mit der archäologischen Kultur überein. Wieder eine andere Sache ist die Genetik. Sprache und Kultur sind für die Genetik irrelevant. Die Iren gehören nicht zu den archäologisch als >>keltisch<< definierten Kulturen Hallstatt oder La Téne, wobei wir gar nicht mal so sicher sagen können, ob die Menschen hinter diesen archäologischen Kulturen auch wirklich ein keltisches Idiom sprachen, es sei denn der Ortsnamenbefund ist eindeutig.
Nehmen wir den Dünsberg: Der wird den Ubiern zugeordnet. Der Dünsberg ist ein typisch keltisches Oppidum, die Ubier prägten Münzen keltischen Stils und dennoch werden sie - nach Caesar und Tacitus - als germanisches Volk bezeichnet.
Was die Einwanderung nach Irland von der iberischen Halbinsel aus angeht, auch dort lebten Kelten, wenn auch die Einwanderung recht spät erfolgte. Die Einwanderer gehören sowohl von der archäologischen Kultur, als auch vom linguistischen Befund her (typisch keltische Ortsnamen) zu den Kelten, wobei der archäologische Befund wohl in Teilen von den cispyrenäischen Kelten abweicht. In irischen Sagen wiederum ist von hispanischen Königen die Rede.
 
Danke für die Antworten und Links. Irgendwelchen genetischen Variationen Kulturen zuzuordnen, würde mir nicht in den Sinn kommen. Es geht mir eigentlich nur um die Frage, ob die Iren genetisch eher mit nicht-keltischen Hispaniern oder mit den von Südosten kommenden Menschen verwandt sind. Meiner Meinung nach kann die Verteilung der Haplogruppen dazu keine eindeutige Antwort geben (laut der gelinkten Seite jedenfalls), was mir als Antwort ausreicht. Die Zuverlässigkeit und Aussagekraft der Methode muß gar nicht mehr hinterfragt werden, man kann sie einfach unterstellen/bestreiten.

Die Unterscheidung zwischen Germanen und Kelten ist eine spannende Frage. Ich glaube, hier gehen Sprachverteilung, materielle Kultur und antike politisch motivierte Bezeichnung so auseinander, daß man in den Randbereichen kein klares Bild gewinnen kann, wie z.B. bei den sogenannten linksrheinischen Germanen, die wahrscheinlich keltische Idiome sprachen.

Ich würde übrigens nicht sagen, daß die Iren keine Verbindung zu Latene haben. Sogar die Verzierungen an den im 8. und 9. Jhr. entstehenden berühmten Klosterbüchern haben oft noch lateneartige Rankenverzierungen. Die Fundarmut aus früheren Zeiten ist allerdings merkwürdig.

In Spanien waren die Lusitanier und die im baskischen Bereich lebenden Völker sicher keine Kelten, auch kein keltisch-iberisches Mischvolk wie die Keltiberer, auch wenn es wechselseitige Einflüsse gab. Das ist oberflächlich angelesen, mit der Region kenne ich mich zugegebenermaßen wenig aus.
 
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Ich bin auf die Seite gestoßen, weil ich etwas dazu wissen möchte, ob die alten Iren/Gälen/Goidelen zu den Kelten gehören.

Ziemlich lang. Einiges scheint mir nicht ganz auf dem neuesten Stand (Einwanderung der Dorer z.B.), aber da hier so vieles unklar ist, will ich nicht vorschnell urteilen. Im großen und ganzen scheint mir die Seite zuverlässig zu sein.

Das ist in der Tat ein großes und bis heute ungelöstes Problem: Die Archäologen haben in Irland für Latène eine außerordentliche Fundleere, sodass man überrascht sein könnte, überhaupt Kelten in Irland zu finden.

Irgenwie muss aber die keltische Sprache nach Irland gelangt sein und somit gibt es u.a. folgende Hypothese: Danach war die Dominanz der autochthonen vorkeltischen Bevölkerung so stark und die keltische Erobererschicht so dünn, dass sich eine keltische Kultur nicht in dem Maß entwickelt hat, wie das z.B. in Britannien der Fall war.

Dass die dünne keltische Erobererschicht dennoch gegenüber den Autochthonen ihre Sprache durchsetzte, wird damit erklärt, dass die Kelten als Invasoren die Herrschaft ausübten und ihre Sprache der angestammten Bevölkerung aufzwangen. Ob diese Hypothese zutrifft, muss zweifelhaft bleiben, ist aber nicht ausgeschlossen.

Woher die vorkeltische Bevölkerung einst kam, ist ungewiss. Besonders in Großbritannien nimmt ein Teil der Forschung an, dass es - wie du schon sagtest - Verbindungen zu Spanien gibt. Das müssten dann möglicherweise die Glockenbecherleute grwesen sein, die um 2500 v. Chr. einen Teil der Bevölkerung stellten. Die Glockenbecherkultur ist in Britannien archäologisch nachgewiese. Ein anderer Bevölkerungsteil könnte zur bandkeramischen Zeit im 5.-3. Jahrtausend v. Chr. vom europäischen Festland nach Irland gekommen sein und die Kenntnis des Ackerbaus mitgebracht haben.

Aber wie gesagt - das sind alles nur Hypothesen, deren Wahrscheinlichkeit ungewiss ist. :confused:
 
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Jo, danke für die Vorstellung der Hypothese. Klingt immerhin möglich. Mehr kann man bei dem flüchtigen Forschungsgegenstand wohl nicht erwarten. Vorsicht hinsichtlich des eigenen Kenntnisstands ist zusätzlich immer angesagt, ich war z.B. überrascht, als ich kürzlich gelesen habe, daß die lusitanische Sprache von einigen für eine keltische Sprache gehalten wird.
 
J Vorsicht hinsichtlich des eigenen Kenntnisstands ist zusätzlich immer angesagt, ich war z.B. überrascht, als ich kürzlich gelesen habe, daß die lusitanische Sprache von einigen für eine keltische Sprache gehalten wird.

Ist zwar Off Topc, aber dennoch: Das Lusitanische ist aus rund 70 Inschriften aus vorrömischer Zeit bekannt. Dennoch ist seine Zugehörigkeit zu irgendeiner der aus dem vorrömischen Hispanien bekannten Sprachen unklar.

Einige vermuten, das Lusitanische sei eine indoeuropäische Sprache gewesen und habe dem Keltischen der Iberischen Halbinsel nahegestanden. Andere Forscher tendieren dazu, das Lusitanische in Südportugal mit dem Tartessischen zu identifizieren, das zu den vorindoeuropäischen Sprachen zählt. Wie sich manche eine hypothtische Verteilung der vorrömischen Sprachen auf der Iberischen Halbinsel denken, zeigt diese Wiki-Karte:

Datei:Ethnographic Iberia 200 BCE.PNG ? Wikipedia


:eek:fftopic:
 
Hat sich mittlerweile jemand näher mit den Thesen dieser Seite beschäftigt?

Die Zuordnung der einzelnen y-DNA-Haplogruppen zu den neolithischen oder gar bronzezeitlichen Kulturen scheint mir etwas gewagt, was ja auch Balticbirdy schon meinte. Normalerweise werden diese Gruppen ja eher mit groberen vorgeschichtlichen Ereignissen wie die erste Einwanderung nach Europa (I), die zweite Einwanderung von Osten nach dem letzten Kältemaximum der Eiszeit (R1) oder der Verbreitung des Ackerbaus (J?) verbunden.

Die Seite wird ja ständig geupdated und erschlägt einen fast mit nicht überprüfbaren Informationen:

Geographic spread and ethnic origins of European haplogroups - Eupedia

Maps of Neolithic and Bronze Age migrations in Europe and the Near East - Eupedia
 
In http://ubm.opus.hbz-nrw.de/volltexte/2006/1017/pdf/diss.pdf ist in Einführung/Grundlagen der Stand bis 2005 sowie die unterschiedlichen Positionen und ihre Vertreter angeführt.
Bis 2005 kann man in der Arbeit die Entwicklung der genetischen Forschung als Hilfswissenschaft der Geschichte gut nachvollziehen, allerdings bezieht sie sich in erster Linie auf die frühen Wanderungsschübe 1. Erstbesiedelung durch HS, 2. Wiederbesiedlung nach Eiszeit, 3. neolithische Bauern.
In den letzten 6 Jahren sind weitere Erkenntnisse dazugekommen, die manchmal im entsprechenden Forum gepostet wurden.
 
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