...es ist hochinteressant und freilich auch bezeichnend zu sehen, zu welchen durchaus schon diffamierenden Giftigkeiten die Liebhaber und Bewunderer des "Punk" sprachlich greifen...
1. sofern es um "Kunst" geht (was nicht zwingend sicher ist)
- Qualität ist kein Abstimmungsergebnis! und auch keine Folge sozioligischer Untersuchungen
- nehmen wir einen anderen Begriff als tertium comparationis, z.B. den Expressionismus. Diesen findet man ich Skulptur, Malerei, Literatur und Musik; er gebärdete sich zeitweise sehr antibürgerlich, verwendete durchaus krasse Schockelemente, allerdings währte er nicht sonderlich lange (war aber künstlerisch sehr einflussreich) - - - ob es sich bei "Punk" ebenso um einen eigenen
Kunststil handelt, ist äußerst fraglich (bevor Geheule einsetzt: ganz gewiß gibt es einzelne Beiträge aus diesem Bereich, die Kunst sind) ...zumeist wird aufgeteilt in Musik und Jugendkultur, hierzu ist freilich zu bemerken, dass eine Jugendkultur - und es gibt einige verschiedene - nicht automatisch Kunst ist
nebenbei ist ja auch die bürgerliche Lebensweise keine Kunst
2. sofern es um Musik geht (und in diesem Bereich liegt die hauptsächliche
Produktion von "Punk", d.h. literarischer, malerischer etc. Punk ist weitaus seltener vertreten)
ich zitiere spaßeshalber auch mal aus Tanta Wiki: "
Einige der frühen Punk-Musiker studierten an Kunsthochschulen und kannten ältere radikale Avantgarde-Konzepte. Andere waren aus kleinen Verhältnissen stammende Arbeitslose oder Arbeitsverweigerer, die alles zurückwiesen, was es an Kultur und Sinnstiftung zuvor gegeben hatte. Mit ihrem provozierenden Auftreten stießen die Punks in der Gesellschaft auf Unverständnis, Ablehnung und sogar Hass.
Andererseits wurde Punk aber auch zu einer Art Popkultur. Dieser Widerspruch ist bis heute kaum befriedigend erklärt."
Nun gibt es seit Jahrhunderten unterschiedliche Musiksorten welche unterschiedliche Interessen bedienten - eine dieser Musiksorten, welche leider (!!) aus früheren Jahrhunderten
nicht besonders umfangreich dokumentiert ist, ist die so genannte Gebrauchs- und Unterhaltungsmusik.
Aber es ist immer wieder durch die Jahrhunderte hin festzustellen, dass Elemente der Unterhaltungs- und Gebrauchsmusik in die "Kunstmusik" mit einflossen (die berühmtesten Beispiele sind Marschmusik, Wiener Walzer und Ragtime / Jazz) - man kann vorsichtig sagen, dass es immer überlappende Grenzbereiche gab. Dank der Verbreitung neuer Medien im 20. Jh. hatte die Gebrauchs- und Unterhaltungsmusik immense wirtschaftliche Möglichkeiten, und diese wurden weidlich genutzt.
Eine Eigentümlichkeit
jeder Sorte von Unterhaltungsmusik ist der Verzicht auf komplizierte musikalische Techniken (das reicht vom Volkslied bis um Pop-Hit) - dennoch aber perfektionierten sich
innerhalb der Unterhaltungsmusik eigene stilistische Richtungen. Interessanterweise trennte sich hierbei dank des Interesses einzelner Musiker auch beinahe jede Sorte Unterhaltungsmusik des 20. Jh. in rein kommerzielle Mode einerseits, aber auch in anspruchsvolle künstlerische, politische, literarische Aussage
mittels des Mediums "Unterhaltungsgenre".
Innerhalb der doch kurzen, aber sehr produktiven Jahrzehnte von ca 1950-80 entstanden einige eigene Richtungen / "Stile" innerhalb des Unterhaltungsgenres, und
eine von den vielen ist die "Punkmusik".
Diese ist nun deshalb aus musikwissenschaftlicher Perspektive sehr interessant, weil sie einen immensen Spagat wagt: einerseits die radikale Reduktion (gegen die ambitionierte Konkurrenten der 70er 80er Jahre) des musikalischen Materials (freilich ein Rekurs auf express. und avant. Techniken) - andererseits die Ambition, einen unverwechselbaren Stil zu kreieren. Die musikalische Reduktion nötigte natürlich dazu, außermusikalische Elemente zur Abgrenzung mit ein zu beziehen - letzteres entspricht dem allgemeinen bürgerlichen Bild, welches man von Punkmusik oft verbreitet findet. Das aber greift zu kurz, denn die
gelungenen Exempel von Punkmusik sind sehr präzise proportioniert und komponiert, integrieren zudem ungewohnte Spiel- und Darstellungsweisen. Das vermeintliche musikalische Programm der three chords ist nur eine Pose, denn es kommt nicht darauf an, ob man 2-3-4 oder 48 verschiedene Akkorde verwendet, sondern es kommt gerade bei liedhaft einfacher Form auf das typische und wiedererkennbare melodisch-gestische Material an - und in diesem Bereich ist der Punkmusik gerade im schlichtest gehaltenen diatonischen Bereich durchaus eigenes und typisches gelungen! ---- witzigerweise aber widerspricht das ein wenig dem stets als sehr radikal vorgebrachtem anti- bzw. Protest-Programm.
So, zweifelsohne ist der
gelungenen Punkmusik geglückt, unverwechselbar zu werden - das ist keine geringe Leistung!!!
(ich habe versucht, den rein musikalisch-fachlichen Anteil so einfach und allgemeinverständlich wie mir möglich darzustellen)
Letztlich stellt sich die Frage, ob Unterhaltungsmusik "Kunst" sein will - ich glaube, das will sie gar nicht, jedenfalls nicht auf der rein musikalisch-artifiziellen Ebene -- im Bereich des aussagetransportierenden Textes will sie es durchaus (nur die rein modischen, für Tanz etc produzierten kommerziellen Sachen haben diesen Anspruch nicht) ---- da wären dann literarische Kriterien zuständig, um die Texte zu beurteilen.
Ansonsten interessant ist, dass immer wieder Rock-, Punk-, Jazzmusiker gleichsam ausbrechen aus dem Unterhaltungsgenre und sich als avantgardistische/moderne Komponisten etablieren. Ob sich damit ein Gefühl für das Ungenügen des Genres manifestiert, weiß ich nicht (ich weiß nur, was die Motive einiger solcher Komponisten sind)
(((abschließend: hier steht kein negatives Wort über Punk. Welche Produkte musikhistorisch von Belang sind, werde ich nicht sagen, denn sowas führt nur zu Gezänk - ist doch schön, dass es solche gibt!!)))