Übrigens noch einmal kurz darüber nachgedacht.
Was damals die Lebenswirklichkeit von mehreren Hunderttausend Angehörigen war, als irrelevant abzutun, finde ich grotesk. Es betraf doch sowohl Militärangehörige als auch Zivilisten, nicht nur im Umkreis Munster oder Bergen-Hohne und zwar unmittelbarer und nachfühlbarer als die Kubakrise z.B.
Die Übungen fanden hier in der Norddeutschen Tiefebene statt.
NORTHAG (Northern Army Group, Heeresgruppe Nord) - Deutsche Digitale Bibliothek
NORTHAG (Northern Army Group, Heeresgruppe Nord)
Chef des Stabes, Generalmajor Rolf Zerling an den Inspekteur des Heeres über "Die operative Rolle der Heeresgruppen - Hauptaufgaben, Stärken und Schwächen", 27. Sept. 1985
Das, was hier als vollkommen irrelevant abgetan wird, das betraf dt., britische, holländische und belgische Heeressoldaten auf den freilaufenden Herbstübungen. TRUTZIGE SACHSEN '85, LIONHEART '84, und, und, und ....
Okay, eingeräumt, mit den Operationsplänen auf Bataillons-, Brigade-, Divisions- und Korpsebene beschäftigten sich die jeweiligen Stabsoffiziere in den OpZ (Operationszentralen) ihrer Gefechtsstände.
Geplante Verzögerung ab ECHO-FOXTROTT, Schwerpunkt der Verteidigung bei LIMA-HOTEL, Sperrplan Pioniere, Feuerplan Artillerie etc.
Daraus können auch gewisse Rückschlüsse gezogen werden. Unter vielen anderen Dingen z.B. das Sanitätswesen im scharfen Gefecht. Der Truppenarzt kommt nicht zum Verwundeten am VRV - Vorderen Raum der Verteidigung, es gab bei Massenheeren allein aus Kapazitätsgründen keine beweglichen Arzttrupps, die mit Hubschraubern in die Gefechtszone einflogen.
Der Verwundete musste immer ins Verwundetennest - Bergung durch Kameraden - von dort aus mit dem gepanzerten SanMTW (Pritschen für 4 Verwundete) zum Truppenverbandsplatz Btl und von dort aus zum Hauptverbandsplatz Brigade/Division, wo vielleicht die ersten Notfalloperationen durchgeführt werden mussten.
Je nach Lage evtl. Sanitätszüge in ein ortsfestes Lazarett (Sanbunker Wedel für LANDJUT b. HH - bei NORTHAG mir nicht bekannt).
Nach dem, was mir bekannt ist - das mögen Experten anders beurteilen - wäre das Sanitätswesen der Bundeswehr in der Heeresstruktur IV vielleicht schon nach Gefechtstag 3 wegen Überlastung und Massenanfall Schwerverwundeter zusammengebrochen.
Unzulängliche Ausbildung Selbst- u. Kameradenhilfe b.d. Kampftruppe, Kapazitätsengpässe (in einen SanMTW M113 passen nur 4 Verwundete) und nicht genügend Versorgungsmöglichkeiten für schwere multiple Verletzungsbilder wie mehrfacher Lungendurchschuss, Granatsplitter im Torso. Wenn das Eskalationsszenario einer chemischen Kriegsführung mit Nervenkampfstoffen wie Soman & Co. hinzugekommen wäre, dann wäre die Verwundetenversorgung mMn überhaupt nicht mehr möglich.
Wie soll man Fahrzeuge, Material und Personal an wenigen ABC-Entseuchungsplätzen dekontaminieren und gleichzeitig Notfallmedizin betreiben?
Es hieß, im NORTHAG-Sektor sei die C-Eskalation nicht unerheblich gewesen, weil nur die US-Streitkräfte über C-Kampfstoffe verfügt hätten und diese vielleicht nicht nur als Vergeltungsschlag eingesetzt hätten, BR-, NL-, BE- und DE-Heereskorps hatten diese Kampfstoffe nicht ...
Aber das hat jetzt primär erst einmal wenig mit der Ausgangsfragestellung zu NORTHAG zu tun.