1. Beim Lesen hatte ich den Eindruck, dass es Manstein darum ging, seinem Ruf als hervorragender Truppenführer gerecht zu werden. Wenn man mich nur hätte machen lassen - dieser Grundtenor zieht sich durch das ganze Buch.
2. Vor allem schien Manstein gar nicht zu begreifen, dass der Krieg gegen die Sowjetunion Hitlers 'eigentlicher Krieg' war.
Im letzten großen Kriegsverbrecherverfahren wurde Mannstein zu 18 Jahren verurteilt (vgl. Reichel, S. 116). Es wurden ihm unter anderem eine Durchführungsverordnung zum "Kommissarbefehl" vorgehalten.
Er wurde 1953 vorzeitig aus der Haft entlassen, aus gesundheitlichen Gründen und lebte bis zu seinem 86 Lebensjahr bis 1973 weiter.
Die Diskussion um Manstein stand unter dem "Stern", als aktuelle Konfliktlinie des heißen "Kalten Krieges", des Korea-Krieges und der von Churchill beschworenen "Schicksalsgemeinschaft" mit Westdeutschland.
Vor diesem Hintergrund argumente die Presse, allen voran Paul Sethe von der FAZ, dass es für einen deutschen Soldaten nicht erträglich sei, den Soldatenrock im Zuge der Wiederbewaffnung anzuziehen, sofern wichtige Repräsentaten der ehemaligen Wehrmacht (Manstein und Kesselring) noch wegen Kriegsverbrechen, "ungerechtfertigter Weise", da sie nur ihren Dienst am Vaterland getan haben, in Gefangeschaft waren (vgl. Frei, S. 198).
In diesem Sinne war die politische Formel gegenüber den West-Alliierten, Soldaten gegen Rehabilitierung der WM-Offiziere. Es gab ein direktes Junktim! und dieses war Adenauer und allen!! Politikern in der BRD bewußt und auch konsensual zwischen CDU und SPD so gemeinsam getragen! Unterstützt auch aus dem Umfeld der Kirchen.
Vor diesem Hintergrund ist m.E. die Arbeit von Manstein einzuschätzen.
Vergangenheitspolitik: die Anfänge der Bundesrepublik und die NS ... - Norbert Frei - Google Books
Vergangenheitsbewältigung in Deutschland: die Auseinandersetzung mit der NS ... - Peter Reichel - Google Books
Als generelles Problem für die Funktionseliten bei Frei in folgendem Buch dargestellt:
Karrieren im Zwielicht - Norbert Frei - Google Books
Bei Müller findet sich eine Problematisierung der Rolle von Halder, der in ähnliche Weise wie Manstein und Guderian für den "Nachkriegs-Mythos" einer "sauberen" lediglich militärisch agierenden WM gewirkt hat.
Der Feind steht im Osten: Hitlers geheime Pläne für einen Krieg gegen die ... - Rolf-Dieter Müller - Google Books
Der Kontext der Kriegsverbrecherprozesse zur Wiederbewaffnung der Bundewehr findet sich hier bei Large als "kurze" Zusammenfassung
Germans to the Front: West German Rearmament in the Adenauer Era - David Clay Large - Google Books
Und ausführlicher hier im "Original" beim MGFA
Anfänge Westdeutscher Sicherheitspolitik 1945-1956: 4 Bde.: Amazon.de: Militärgeschichtliches Forschungsamt: Bücher
Zu 2: Doch das war der höheren Generalität durchaus klar. Und sie hatte auch im weitesten Sinne eine Bedrohungsvorstellung durch die UdSSR, definiert durch einen tiefsitzenden Anti-Kommunismus in Kombination mit der Angst vor dem "Untergang des Abendlandes". Es geht dabei gar nicht um die reale Einschätzung, sondern nur um die kollektive Wahrnehmung der Situation Deutschlands durch die höheren Offiziere der WM um 1940.
In diesem Sinne wurde dann der Angriff auf die UdSSR in einem indirekten Sinne als "Präventivkrieg" durchaus wahrgenommen, z.B. durch Kesselring. Obwohl sich in einem direkten Sinne das OKW und OKH durchaus bewußt, dass es keinen aktuellen Anlaß gab, einen Angriff durch die UdSSR zu befürchten (vgl. Aussagen bei Liddel Hart)
Deutsche Generale des 2. Weltkriegs: Aussagen, Aufzeichnungen und Gespräche - Sir Basil Henry Liddell Hart - Google Books
Es war eher die Wahrnehmung einer grundsätzlichen Inkompatibilität des nationalsozialistischen Deutschland und der sowjetischen UdSSR. Auch verstärkt durch die Propaganda beider Seiten. In dieser Haltung mag man auch eine Spätfolge des Sozialdarwinismus sehen und auch die unmittelbar aufgegangene Saat der Ideologie von Hitler zum Kampf der Rassen.
Und vor diesem Hintergrund ergab sich durchaus auch eine ideologische Übereinstimmung von Hitler zum Wertesystem seiner höchsten Generale.