tejason
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Dieser Thread ist aus einem anderen Thread so weit herausgewachsen, dass ich hier einen neuen Faden eröffne. Etwas Wiederholung lässt sich nicht vermeiden. Nur weil ich so viel vorlegen werde, sollte es aber niemanden abschrecken mitzumachen wie ich hoffe :winke:
Fraktionierung der Goten bereits vor Auftreten der Hunnen?
Heather steht mit solchen Aussagen zu den Goten im Widerspruch zu anderen Experten, darunter auch Herwig Wolfram, der von einer gewissen Geschlossenheit der östlichen Goten vor Auftauchen der Hunnen ausgeht. Wer außer Heather lässt denn die Amaler ebenfalls erst mit Valamir beginnen? Eher wird zwischen „älteren“ und „jüngeren“ Amalern unterschieden. Es spricht doch eigentlich kaum etwas gegen diese klassische Annahme, einer weiter verzweigten Amalersippe? Die offensichtlichen Auflösungserscheinungen und Sonderwege, diverser gotischer Gruppierungen (vor allem der Östlichen!) traten in diesem Ausmaß erst nach dem Auftauchen der Hunnen auf. Vorher sind derartig tiefgreifende Fraktionierungen eben nicht überliefert und es gibt keinen Grund sie anzunehmen. Einzig die Krimgoten sind offensichtlich ein etablierter Sonderfall. Doch wenn das Reich des Ermanarich auf persönlicher Gefolgschaft und Bindungen beruhte, warum hätte es ähnliches nicht auch unter früheren Anführern geben sollen, wie bei Jordanis überliefert?
Wohlgemerkt behaupte ich ebenfalls nicht, dass es (unmittelbar) vor Auftauchen der Hunnen ein geschlossenes Volk der Goten gegeben habe. Auch nicht dass alle „östlichen Goten/Greutungen“ immer nur unter amalischer Führung gestanden hätten. Zumindest zwischen Terwingen und Ostrogothen wird schon vorher sichtbar unterschieden. Die westlichen Goten lebten im Vorfeld des Imperiums und saßen auch in der ehemaligen römischen Provinz Dakien nördlich der Donau. Diese westlichen Goten an der Donau standen sicher unter Kleinkönigen, die jedoch in der Institution eines „Iudex“ (wie unter Athanarich) sehr wohl übergreifende Bindungen und Loyalitäten kannten. Herwig Wolfram und andere sehen im „Iudex“ eine Institution bei den Donaugoten jener Zeit, die nur in Bedrohungslagen aktiviert wurde. Die „Rebellion des Fritigern“ gegen Athanarich wird dadurch doch nur umso bemerkenswerter und kann im Kontext mit Christianisierungsversuchen bei den Goten, dem mehrjährigen Rachekrieg des Kaiser Valens gegen die Goten nach dem missglückten Usurpationsversuch eines Mitglieds der konstantinischen Dynastie (der comes Procopius um 365) und ähnlicher Ereignisse gesehen werden. Hier sind Parallelen zu den Alamannen mit ihren Kleinkönigen in dieser gotischen Gesellschaft unübersehbar, die jedoch ebenfalls bei Bedarf kooperierten, um sich unter gemeinsame Führung zu stellen pflegten, wie etwa bei der Schlacht von Straßburg im Jahre 357 geschehen (also nicht einmal ein Jahrzehnt vor dem missglückten Coup des Procopius).
Schlacht von Argentoratum ? Wikipedia
Kurz:
Es sind sehr wohl Untergruppierungen bei den westlichen Goten gut bekannt, sie kannten dabei verbindende Elemente. Kein Vergleich zu den von Heather zu Recht festgestellten gotischen Kleinfraktionen nach Auftauchen der Hunnen. Bei den östlichen Goten scheint der Zusammenhalt in jener „Vor“-Zeit noch größer gewesen zu sein, als im unmittelbaren Vorfeld des Reiches, wo das Imperium gewöhnlich die Entstehung schlagkräftiger Großgruppen seit Jahrhunderten verhindert hatte! Solche Großgruppen entstanden meist entweder weiter entfernt im Barbaricum (Ermanarich oder frühe Hunnen-Herrschaft) oder noch häufiger erst später auf dem Boden eines geschwächten römischen Reiches (Franken, Westgoten….).
Nachdem ich die Sichtweise auf die „näheren (Donau-) Goten“ dargestellt habe, nun zu den östlicheren, den „Steppen-Goten“. Das ganze Bestreben Heathers die Bedeutung der Amaler für die östlichen Goten (generell vor Theoderich dem Großen) zu relativieren wirkt doch arg gekünstelt. Die östlichen Goten (Ermanarich und davor) sollen gemäß Überlieferung schon länger unter Königen gelebt haben die mehr Macht ausübten. Unter seinem Reich dürfte wohl ein „Personenverbund“ zu sehen sein, wie es ganz ähnlich nun auch die Hunnen wieder aufbauten. Damit will ich die Hunnen nicht als „Wiederherrichtet des Ermanarich-Reiches“ unter ihrer Vorherrschaft abbiegen. Es war halt eine typische Herrschaftsform der Steppe, die keine „archaisierenden“ Anknüpfungspunkte brauchte.
@tejason
Warum sollte Heathers Ansatz zur "Fraktionierung" der Goten falsch sein? Wie anders sind die vielen unabhängig voneinander operierenden Einheiten an allen Ecken des Reiches zu erklären?
Ob Ermanarich wirklich "Amaler" war? Heute wird meist davon ausgegangen, dass erst mit Valamir die Amaler an die Macht kamen, nach 454. Jordanes (bzw. Cassiodor?) scheut sich ja auch nicht, als Echo einen Hunnenkönig Balamir zu erfinden, den er in Ermanarichs Nähe rückt.
Natürlich war die Loyalität der Germanen zu den Hunnen gekauft, genau davon ist ja oben die Rede. Der Preis war hervorragend!
Fraktionierung der Goten bereits vor Auftreten der Hunnen?
Heather steht mit solchen Aussagen zu den Goten im Widerspruch zu anderen Experten, darunter auch Herwig Wolfram, der von einer gewissen Geschlossenheit der östlichen Goten vor Auftauchen der Hunnen ausgeht. Wer außer Heather lässt denn die Amaler ebenfalls erst mit Valamir beginnen? Eher wird zwischen „älteren“ und „jüngeren“ Amalern unterschieden. Es spricht doch eigentlich kaum etwas gegen diese klassische Annahme, einer weiter verzweigten Amalersippe? Die offensichtlichen Auflösungserscheinungen und Sonderwege, diverser gotischer Gruppierungen (vor allem der Östlichen!) traten in diesem Ausmaß erst nach dem Auftauchen der Hunnen auf. Vorher sind derartig tiefgreifende Fraktionierungen eben nicht überliefert und es gibt keinen Grund sie anzunehmen. Einzig die Krimgoten sind offensichtlich ein etablierter Sonderfall. Doch wenn das Reich des Ermanarich auf persönlicher Gefolgschaft und Bindungen beruhte, warum hätte es ähnliches nicht auch unter früheren Anführern geben sollen, wie bei Jordanis überliefert?
Wohlgemerkt behaupte ich ebenfalls nicht, dass es (unmittelbar) vor Auftauchen der Hunnen ein geschlossenes Volk der Goten gegeben habe. Auch nicht dass alle „östlichen Goten/Greutungen“ immer nur unter amalischer Führung gestanden hätten. Zumindest zwischen Terwingen und Ostrogothen wird schon vorher sichtbar unterschieden. Die westlichen Goten lebten im Vorfeld des Imperiums und saßen auch in der ehemaligen römischen Provinz Dakien nördlich der Donau. Diese westlichen Goten an der Donau standen sicher unter Kleinkönigen, die jedoch in der Institution eines „Iudex“ (wie unter Athanarich) sehr wohl übergreifende Bindungen und Loyalitäten kannten. Herwig Wolfram und andere sehen im „Iudex“ eine Institution bei den Donaugoten jener Zeit, die nur in Bedrohungslagen aktiviert wurde. Die „Rebellion des Fritigern“ gegen Athanarich wird dadurch doch nur umso bemerkenswerter und kann im Kontext mit Christianisierungsversuchen bei den Goten, dem mehrjährigen Rachekrieg des Kaiser Valens gegen die Goten nach dem missglückten Usurpationsversuch eines Mitglieds der konstantinischen Dynastie (der comes Procopius um 365) und ähnlicher Ereignisse gesehen werden. Hier sind Parallelen zu den Alamannen mit ihren Kleinkönigen in dieser gotischen Gesellschaft unübersehbar, die jedoch ebenfalls bei Bedarf kooperierten, um sich unter gemeinsame Führung zu stellen pflegten, wie etwa bei der Schlacht von Straßburg im Jahre 357 geschehen (also nicht einmal ein Jahrzehnt vor dem missglückten Coup des Procopius).
Schlacht von Argentoratum ? Wikipedia
Kurz:
Es sind sehr wohl Untergruppierungen bei den westlichen Goten gut bekannt, sie kannten dabei verbindende Elemente. Kein Vergleich zu den von Heather zu Recht festgestellten gotischen Kleinfraktionen nach Auftauchen der Hunnen. Bei den östlichen Goten scheint der Zusammenhalt in jener „Vor“-Zeit noch größer gewesen zu sein, als im unmittelbaren Vorfeld des Reiches, wo das Imperium gewöhnlich die Entstehung schlagkräftiger Großgruppen seit Jahrhunderten verhindert hatte! Solche Großgruppen entstanden meist entweder weiter entfernt im Barbaricum (Ermanarich oder frühe Hunnen-Herrschaft) oder noch häufiger erst später auf dem Boden eines geschwächten römischen Reiches (Franken, Westgoten….).
Nachdem ich die Sichtweise auf die „näheren (Donau-) Goten“ dargestellt habe, nun zu den östlicheren, den „Steppen-Goten“. Das ganze Bestreben Heathers die Bedeutung der Amaler für die östlichen Goten (generell vor Theoderich dem Großen) zu relativieren wirkt doch arg gekünstelt. Die östlichen Goten (Ermanarich und davor) sollen gemäß Überlieferung schon länger unter Königen gelebt haben die mehr Macht ausübten. Unter seinem Reich dürfte wohl ein „Personenverbund“ zu sehen sein, wie es ganz ähnlich nun auch die Hunnen wieder aufbauten. Damit will ich die Hunnen nicht als „Wiederherrichtet des Ermanarich-Reiches“ unter ihrer Vorherrschaft abbiegen. Es war halt eine typische Herrschaftsform der Steppe, die keine „archaisierenden“ Anknüpfungspunkte brauchte.