aha
und wie kommst du dann dazu, immer wieder zu schreiben (in verschiedenen Fäden hier), dass die Wikinger so ganz herausragend mordgierig und grausam gewesen sind??? ...da passt doch was nicht........ du erklärst den Unterschied in der Aufmerksamkeit nirgendwo, sondern du gibst als Tatsache wieder, dass die Wikinger so schlimme Bestien gewesen seien (du schreibst nicht, dass das lediglich das von überwiegend klerikalen historiographischen Quellen dargestellte tendenziöse Bild ist)
Das stimmt doch überhaupt nicht. Ich schreibe imer wieder, dass die Wikinger eine Entwicklung durchgemacht haben, und die "grausamen Bestien" der Endpunkt dieser Entwicklung in einer bestimmten Region gewesen sind.
Mit Verlaub, das halte ich für Unsinn.
Ebenso die Hervorhebung der angeblichen Mordlust der Wikinger, die sich in nichts etwa von den Massakern an Sachsen, Ungarn oder den Bewohnern Jerusalems unterschied.
Jetzt sind wir schon in Jerusalem. Und im Pazifik wurde der Kannibalismus praktiziert.
...wen soll diese aus der Luft gegriffene Behauptung beeindrucken?
Niemand tritt hier Quellen in die Tonne, nicht mal ich - aber so ein bissel was von frühmittelalterlichen Texten verstehe ich, und da erlaube ich mir, völlig normale Fragen bzgl. der Quellen zu stellen (das ist mir nämlich lieber, als irgendwas unkritisch aber wörtlich zu übernehmen)
Ja wie denn nun. Haben die Ereignisse nun so stattgefunden oder nicht. Ersteres bedingt das "Wörtlichnehmen".
Hier steht zur Debatte, ob "die Wikinger" in ihrer Zeit ganz besonders auffallende mordgierige Bestien gewesen sind, oder ob das nicht ein etwas überzeichnetes Bild gerade im Kontext dieser gelinde gesagt sehr rustikalen und barbarischen Zeit ist.
Die Frage ist verkürzt gestellt. Nicht "in ihrer Zeit" sondern "in ihrer Zeit und an dem Ort der Ereignisse"!
...so langsam wäre ich mal an Argumenten dafür interessiert, dass die Wikinger solche abnormen bestien gewesen sind - bis jetzt habe ich in dieser Diskussion aber nichts finden können, was diese Behauptung stützen würde. Noch bleibe ich bei meiner Darstellung: dass nämlich Beutezüge wie Kriegshandlungen damals von allen rücksichtslos, brutal, grausam gehandhabt wurden und dass da die Wikinger nicht grausamer als andere vorgingen -- und bitte: Beutezüge, wenn auch nicht per Drachenboot, fanden in allerlei Grenzgebieten statt.
Ich rede vor tauben Ohren. Das ist unbestritten. Die Frage ist, ob das in den Handelsstädten an der norddeutschen und französischen Küste so war.
Nein! Tendenziös ist nicht das ausblenden der erholungs- oder Kosolidierungszeiten der überfallenen - tendenziös ist die Überzeichnung der wikingischen Grausamkeiten. Zu den Gründen, warum ich das so sehe, habe ich schon mehr als genug mitgeteilt.
Überzeichnung? Ich denke, wir akzeptieren die Schilderung als Wiedergabe der tatsächlichen Ereignisse. Und Tendenziös können Ereignisse selbst nicht sein, sondern allenfalls ihre Wertung.
du bemerkst den immanenten Widerspruch? ...es ist hoffnungslos, sich in eine Lage hineinzuversetzen über die man nichts weiß :winke: ...es sei denn, man will die Sache belletristisch angehen
Oh, sooo ahnungslos ist man nun auch nicht. man kann aus den Chroniken und Annalen schon ablesen, über was der Autor informiert war. Nur über den Gesamt-Informationsfluss wissen wir nichts.
Du, Fingalo, verstrittst doch die Meinung, dass die Wikinger (unter diesem Begriff willst du nur und ausschließlich heimatlos gewordene, daheim nicht reintegrierbare Piraten verstehen) in ihrer Zeit als besonders grausam aufgefallen sind - begründest du das auch demnächst einmal? Mich jedenfalls überzeugt diese Sichtweise noch nicht, und zwar aus den in diesem Faden hier wiederholt genannten Gründen.
Oh Gott, ist das mühsam.
Nein, die Wikinger waren nicht "nur und ausschließlich heimatlos gewordene, daheim nicht reintegrierbare Piraten". Egill Skallagrim war Wikinger und gebildeter Dichter. Es handelt sich um eine Entwicklung, die in einer bestimmten Region so endete.
fingalo hat vielleicht deshalb etwas Mühe damit zu erläutern warum die Wikinger allen Zeitgenossen als "Leute wie Bestien" (der Begriff ist übrigens von einem Muslim!) vorkamen weil er sich meiner Ansicht nach immer stark vom Königstum her, den organisierten Staaten Skandinaviens nach oder am Ende der Wikingerzeit und von einem christianisierten Skandinavien an die Wikingerzeit her annähert.
Keineswegs. Aber ich besatehe auf einer Änderung der wikingischen lebensweise in Zeit und Raum - und ihr wollt mich dauernd auf ein statisches Wikingerbild der Endzeit an der französischen Küste festnageln.
Und es ist gerade eben diese heidnische Kultur, die insbesondere die Wikinger als Gruppe vor allem anderen prägte, bzw kulturell definierte. Während die Heimat bereits sich christianisierte und mässigte, verblieb das Heidentum bei den ins Ausland ziehenden Wikingern oder bei den im Ausland lebenden Wikingern am stärksten und längsten verankert.
Im Danelag kann man die Gräber der Skandinavier bis zum Schluss anhand von Grabbeigaben ganz einfach ausmachen, weil die christlichen Gräber der Angelsachsen im gleichen Raum keine Grabbeigaben aufweisen.
Die Dänen in der Bretagne brachte noch Menschenopfer dar, zu einem Zeitpunkt wo es in der Heimat keine offenene Heiden mehr gab und König wie Landbevölkerung bereits seit vielen Jahrzehnten christianisiert waren.
Genau das habe ich mit der mangelnden Reintegrierbarkeit der Wikinger in der Schlussphase gemeint - in der Schlussphase, man kann es nicht oft genug betonen.
Selbst die "normalen" Skandinavier weisen in allen Quellen eine immense Nicht-Achtung menschlichen Lebens als Teil ihrer heidnischen Kultur auf. Menschen zu töten war absolut normal und wurde schon von Kindern praktiziert. Die Überlieferungen sind voll von Geschichten, wo Kinder aus purem Spaß oder weil sie damit sich rächen wollen andere Kinder oder Menschen töten.
Voll davon? Da wirst Du mir sicher Beispiele nennen können. (Achtung: Der Mann war mit 16 Jahren, in einigen Regionen mit 15 bereits volljährig, also kein Kind mehr).
Ein Kind wird im Ringkampf besiegt, es holt eine Axt und tötet den Spielkameraden. Ein anderes Kind wird gehänselt, weil es noch kein Blut vergossen hat, es holt einen Speer...
Quelle, an die erste Episode erinnere ich mich schwach, aber das wurde nicht gebilligt.
Ein Jugendlicher hat ein Schwert und ist davon ganz begeistert, und schlägt aus purer Freude daran einem Leibeigenen seines Vaters den Kopf damit ab.
Wo steht das? Und wie ist das mit der Quellenkritik gegen tendenziös überhöhte Darstellungen?
Und im Erwachsenen-Alter steigert sich das noch. Man erwartete von Männern absolute Todesverachtung und absolute Nicht-Achtung menschlichen Lebens. Andere wegen kleinster Geringfügigkeiten zu töten war absolut legitim, und wurde in vielen Fällen von der Gesellschaft auch erwartet. Rache war ein wesentliches Motiv der heidnischen Kultur Skandinaviens.
Nein, sondern nur ein Element unter vielen.
Und diese Einschätzung einer absoluten Verachtung menschlichen Lebens, und der extremen Mordlust speziell der Wikinger teilen eben nicht nur die Klösterbrüder und christlichen Autoren, sie wurde von allen gleich wahrgenommen, auch von den Muslimen und sie findet sich auch in den eigenen Schriften, der Innenperspektive. Selbst in den bereits christlich beeinflussten Sagas dreht sich die Handlung ständig um Mord und Totschlag. Würden diese Attribute eben nur von Schreibern der Klöster angeführt werden, dann könnte man relativieren und eine tendenziöse Darstellung annehmen.
Sie handeln auch von Mord und Totschlag, aber ganz wesentlich von Streitvermeidung und von Vermittlung. Die Verfasser hatten ganz anderes im Sinn. Sie wollten - jedenfalls für Island - zeigen, dass die "republikanische" Gesellschaft des Freistaates vor 1062 (dem "Alten Vertrag" mit dem König von Norwegen) ganz gut auch ohne den König zurechtgekommen wäre. Das System der Streitbeilegung versagte erst in der Sturlungenzeit.
die "Konstruktion Walhall", das Pantheon der Norgermanen - dabei kann es sich auch um eine spätere literarische Stilisierung handeln. Es gibt ja (später als zur Wikingerzeit aufgezeichnet) Quellen, in welchen Wikinger mehr auf die eigene Stärke als auf Odhin vertrauen. (((dieser Gedanke wirkt im gesamten Kontext derart modern, dass man geradezu verblüfft fragt: warum wurden die als Heiden und nicht als Atheisten wahrgenommen?)))
Richtig. Walhall war das höfische Konstrukt von gelehrten Dichtern. Die Ehefrauen der Kämpfer waren bezeichnenderweise da gar nicht vorgesehen. Wenn ich recht sehe, war der Begriff "Atheismus" nioch nicht etabliert. Heide war der Sammelbegriff.
Aber: waren denn, kurz zuvor, zeitgleich und kurz danach andere Kulturen denn weniger oder abgeschwächtere Kriegerkulturen? Die Avaren legitimierten ihre Angriffe nicht, aber sie brauchten sie, da ihre Kriegerkultur nur im Fall von Beute bezahlbar war - Stagnation war da tödlich. die Ungarn des frühen Mittelalters dito. Und wenn man Beutezüge zu Nachbarn tätigte, dort verheerte und metzgerte, dann holte man sich da keine Legitimierung (egal ob Sachsen bei Franken, Franken bei Wenden, Wenden bei Franken oder wer auch immer loslegte)
Darum geht es doch gar nicht. Der Wettlauf in Grausamkeit ist doch Unsinn. (Ätsch, ich habe ein noch grausameres Gemetzel gefunden!)
Was die Quellen betrifft:
- es gibt literarisch stilisierte, gut 200 und mehr Jahre nach der Wikingerzeit verfasst
- es gibt Quellen zur Außenperspektive aus der Wikingerzeit: diese überzeichnen das Fremdartige gern und übergehen die Barbarei in den eigenen Reihen (hierein zählt auch das Scheinargument der Legitimation von Grausamkeiten)
- äußerst lapidar sind die Selbstzeugnisse (Runensteine aus dem 8.-frühen 11. Jh.)
Überzeichnen? ich denke, wir nehmen die geschilderten Ereignisse als reale Ereignisse? Was denn nun? Und die Barbarei in den eigenen reihen wird keineswegs übergangen - sonst wüssten wir davon nichts.
Das "Bild" der Wikinger, die Überlieferung, ist also heterogen und man kann sie kaum als wissenschaftlich oder realistisch bezeichnen.
Welche Überllieferung? die zeitgenössische haben wir ja als realistisch anerkannt. Davon wäre die Rezeption zu unterscheiden.
Ach, wisst ihr, ich bin es müde geworden gegen immer die gleichen Windmühlen anzukämpfen.
Immer wieder die Suche nach ähnlichen Grausamkeiten anderswo, als ob sich damit die Bezeichnung einer Epoche skandinavischer Geschichte erklären ließe.
Dann das völlig verzerrte Bild skandinavischer vorchristlicher Gesellschaft, die eine Unterwerfung unter den König verhindert habe, wegen Ehre und Rache usw. Aber im Brustton der Überzeugung vorgetragen. Die ganze sehr komplexe Bereich der Rituale zur friedlichen Streibeilegung (Eheliche Verbindung mit feindlichen Sippen, Vermittlung, Bußzahlung usw.) -völlig unbekannt. (Ich empfehle Gert Althoff: Macht der Rituale)
Dann die Einwanderung von Wikingern auf Grönland. Weil die Schafzüchter Schwerter besessen haben und die Erstsiedler auf Island eine (früh)wikingische Vergangenheit hatten, die nichts mit den Wikingern an der französischen Küste in der Endzeit zu tun hatten.
Als mir als Tatsache verkauft werden sollte, dass die Wikingerzüge dazu dienen sollten, den Führern die Machtübernahme in der Heimat zu finanzieren, habe ich endgültig gemerkt, dass hier wohl vieles aus dem Bauch heraus argumentiert wird.
Und nun bekam ich auf den Post #20 außerhalb der hiesigen Texte von einem Diskutanten die Kritik: "Sorry, vorm Herrn sind wir alle Gleich ... Gesellschaftliche Größe ist hier aber nicht als Norm gefragt!"
Da hat hier die Diskussion ein Niveau erreicht, dass ich nicht mehr mithalten kann. Ich habe geschrieben, was ich weiß, und ziehe mich aus allen drei Diskussionssträngen zurück.