Ravenik
Aktives Mitglied
Als Gelehrter war Claudius anerkannt. Dass er in der Lage war, im Stübchen eine gut durchdachte und ausformulierte, obendrein wissenschaftlich fundierte, Rede auszuarbeiten, bezweifle ich nicht. Das ist aber etwas anderes als wenn jemand spontan reden soll. Dazu passt auch das von Galeotto in #21 gebrachte Zitat.Immerhin gibt die aufgefundene Rede, die durch die Widerspiegelung seiner Gelehrsamkeit durchaus ihm selbst zuzuschreiben ist, einen Hinweis, dass die ihn beschreibenden Quellen maßlos übertrieben.
Viele dieser Lösungsversuche bekämpften aber eher die Symptome und setzten nicht wirklich bei den Ursachen an. Landverteilungen z. B. sind zwar gut und schön (mal abgesehen von der Frage, inwieweit ein Proletarier oder Veteran ohne Verbindung zur Landwirtschaft wirklich in der Lage war, sein neuerhaltenes Stückchen Land zu bewirtschaften), änderten aber nichts am grundlegenden Problem der fortschreitenden Zerstörung der kleinbäuerlichen Strukturen durch Großgrundbesitzer, die mit mehr oder minder legalen Methoden immer mehr Land an sich brachten und auch den ager publicus sich unter den Nagel zu reißen versuchten. Die Gracchen setzten noch nicht einmal wirklich beim Problem an, dass Bürgersoldaten aufgrund jahrelanger Abwesenheit oft nicht in der Lage waren, sich um ihr Land zu kümmern.Und in Ansätzen zeigen ja schon die Gracchen, daß sie auf Probleme reagieren und Lösungen suchen. Selbst die Heeresreform des Marius ist ja nicht nur punktuell, sondern strukturell zu sehen, und auch Caesars Maßnahmen lassen sich so sehen, daß er durchaus schwerwiegende strukturelle Probleme lösen wollte. Natürlich ist jede Problemanalyse und Lösungsentwicklung zunächst immer im Rahmen der Interessen der aktiven Person zu sehen. Wenn dadurch Grenzen gesetzt werden, heißt das aber nicht, daß der jeweilige Akteur nicht auch hinter diese Grenzen blicken kann.
Dass viele Lösungsversuche eher populistisch motiviert waren als an einer echten Problemlösung interessiert, kommt noch hinzu. Ein popularer Politiker hat ohnehin mehr davon, wenn er den Massen in Rom einfach Land verspricht, als wenn er etwas dagegen tut, dass sie ihr angestammtes Land überhaupt erst verlieren, denn letzteren Falls würden sie erst gar nicht nach Rom strömen und zu seiner Anhängerschaft werden.
Es reicht nicht, auf Ideen zu kommen, man muss sie auch umsetzen (wollen). Und da stellt sich die Frage, wer denn in Rom überhaupt Interesse an einer grundlegenden Staatsreform hatte. Letztlich wollte doch jeder nur seine eigene Position stärken, aber nur ja keine Macht abgeben oder sich mehr kontrollieren lassen. Der Senat hatte sicher kein Interesse daran, in echten freien Wahlen - womöglich gar unter Beteiligung der Provinzialen - gewählt zu werden, er wollte nur die Magistrate und die Gerichtsbarkeit verstärkt kontrollieren und als eigentlicher Gesetzgeber fungieren, dessen Beschlüsse die Volksversammlungen nur noch formal absegnen durften. Die führenden Familien hatten sicher auch kein Interesse daran, dass am die Vornehmen begünstigenden Wahlmodus für die hohen Ämter etwas geändert würde. Aber auch das einfache Volk in Rom konnte kein echtes Interesse daran haben, seinen Status als alljährlich mit Spielen und Geschenken (die nur von wohlhabenden Kandidaten, nicht von irgendeinem armen Schlucker, finanziert werden konnten) umworbene Wählerschaft zu verlieren. Von der Machtlosigkeit der Provinzialen profitierten ohnehin alle.Das ist etwas zu plakativ gefragt. Wie kommen denn Menschen auf Ideen? Durch Überlegung! Und natürlich hätte auch die römische Gesellschaft anders strukturiert funktionieren können.
Diese Bindung bestand in der Kaiserzeit in dieser Form allerdings nicht mehr.Klug ist es natürlich, dies nur als ein Symptom zu begreifen, Zeichen eines viel größeren Problems: die Bindung der Soldaten an ihren Feldherren, das wiederum Problem eines Berufsheers.
Das große Problem der Republik - bei dem sich die Kurzsichtigkeit und Reformunfähigkeit des Senats ganz besonders krass zeigte - war, dass die Soldaten auf ihren Feldherrn angewiesen waren, wenn sie zu ihrem versprochenen Land kommen wollten. Der Senat selbst verweigerte die Landzuteilungen gerne - schon um den Feldherrn zu demütigen. Die Soldaten waren also darauf angewiesen, dass ihr Feldherr Druck machte, und hatten letztlich gar keine andere Wahl, als ihm auch gegen den Senat zu folgen, wenn sie nicht leer ausgehen wollten. Dieses Problem hätte sich ganz einfach lösen lassen, indem der Senat selbst die Zuteilung von Land an die Veteranen organisiert. Wenn jeder Soldat gewusst und darauf vertrauen können hätte, dass er vom Senat sein Land erhalten wird, hätte er keinen Grund mehr gehabt, seinem Feldherrn zu folgen. Aber so viel Weitsicht besaß der Senat nicht.
In der Kaiserzeit wurde dieses Problem gelöst, weil sich nunmehr der Kaiser als Oberfeldherr um die Veteranenversorgung kümmerte. Die Soldaten waren für ihre Altersversorgung also nicht mehr auf ihre Feldherrn angewiesen.
Das neue Problem war, dass den Soldaten bewusst wurde, wie sehr sich die Macht des Kaisers aufs Heer stützte und dass es somit in ihren Händen lag, Kaiser einzusetzen. Somit entstand die Versuchung, einen Feldherrn, der reiche Geschenke versprach, zum Kaiser zu proklamieren.
In Griechenland entstanden sie vor allem dort, wo sich mehrere Städte freiwillig zusammentaten. Das war etwas anderes als wenn eine Stadt (Rom) nach und nach andere Städte unterwarf. In ersterem Fall konnte eine Föderation nur zustandekommen, wenn die Städte darauf verzichteten, die Herrschaft über ihre Partner zu beanspruchen. In zweiterem Fall hätte eine Föderation einen freiwilligen Machtverzicht vorausgesetzt. Aber auch in Griechenland scheiterten Bünde mitunter daran, dass doch eine Stadt die Hegemonie im Bund beanspruchte, siehe die beiden Attischen Seebünde.Föderale Strukturen gab es bereits im alten Griechenland, in Form von Bündnissen verschiedener Städte.