Im Mittelalter war alles heidnische wohl kaum verschwunden.
ja und nein...
unzweifelhaft enthält das Niebelungenlied einige wenige Elemente "germanisch heidnischen" Ursprungs (etwa die bedingungslose, gänzlich von christlicher Ethik freie fatalistische Gefolgschaftstreue), aber diese sind sowohl negativ konnotiert als auch ohne direkte Beziehung zu heidnischer Religiösität (die "merewib" sind innerhalb des Textes und seiner Konnotationen keine heidnischen Schwanenfrauen mehr, Brünnhilde hat zwar zauberische Kräfte, aber sie ist keine Walküre mehr, Kriemhild mit ihrer Blutrache wird am Ende als "Valandin" (Teuflin!) bezeichnet - so hat zwar Goethe recht, als er über das wiederentdeckte Niebelungenlied schrieb "es ist viel heidnisches darin", aber das heidnische ist kaum greifbar
ebenso verlor sich schon im frühen Mittelalter der Gebrauch synkretistischer Amulette: eine Zeit lang gab es Gußformen, die sowohl für die Herstellung von Kreuzen als auch Thorshämmern dienten - aber das tragen von Thorshämmern verlor sich spätestens im 10. Jh.
was Brauchtum betrifft, so findet sich aus mittelalterlicher Zeit nur sehr wenig, was vielleicht mit Heidentum in Verbindung gebracht werden könnte: z.B. das kirchliche Verbot, "Notfeuer" (nodfyre) zu brennen und zu feiern.
die ländliche Sitte, dem nächtlichen Heer Opfer an den Feldern zu bringen (damit die Sturmgötter die Ernte verschonen), ist refional sehr begrenzt und m.W. nur für das 18. (?) und 19. Jh. belegt.
Berchtenlauf, Fastnacht *) u.a. erwies sich ebenfalls als nicht heidnischen Ursprungs, wie auch allerlei heute folkloristische Volkstrachten überwiegend aus dem 19. Jh. stammen.
das Problem ist also, dass sich schon für das Mittelalter zumindest die germanisch-heidnischen Vorstellungen kaum mehr nachweisen bzw. auffinden lassen. Die Name der Wochentage geben ebenfalls nichts her, sie waren einfach üblich geworden, wobei der Wodanstag recht bald durch Mittwoch ersetzt wurde, der Sonnentag wurde dem christlichen Gott geweiht, auf Schwertern etc. wurden christliche Symbole üblich
Aberglauben heidnischen Ursprungs gibt es heute noch.
aber was soll das
heute sein?
mir fällt keine Fluch- oder Segensformel, keine apotropäische Handlung (sowas wie auf Holz klopfen etc) ein, welche sich an die heidnischen Götter richtet.
der Altweibersommer enthält meiner Ansicht nach keine Hinweise auf heidnischen Ursprung.
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*) hierüber sehr interessant die Arbeiten des Volkskundlers Prof. Moser (genau jener, der dann einen Lehrstuhl für "bayrische literaturwissenschaft" in München erhielt)