Hatte der Messias eine Frau?

In der Apostelgeschichte wird bei der Darstellung des Pfingstereignisses nicht behauptet, dass die jüdischen Bewohner Jerusalems Parthisch oder sonstige exotische Sprachen sprachen. Es ist dort nur davon die Rede, dass die gerade in der Stadt befindlichen Fremden wie z. B. Parther, Kappadokier, Araber etc. die Apostel alle in ihrer eigenen Sprache reden hörten. Genau das war ja das "Wunder": Die Fremden staunten darüber, Galiläer in ihren, also der Fremden, Sprachen reden zu hören, weil das eben normalerweise nicht der Fall war.
 
die Bibel und auch das NT sind (nicht nur) meines Erachtens als Autorentexte zu verstehen, und zwar immer auch vor dem realhistorischen Hintergrund der Texte. Und da nirgends etwas von Jesus´ Frau und Kindern geschrieben steht (jedenfalls nicht in den ernst zu nehmenden Evangelien, Briefen und Berichten), kann man m.E. davon ausgehen, dass es diese auch nicht gegeben hat.

Das wäre ein Missverständnis der Quellengattung Evangelium: Die Evangelien sind nun mal per definitionem Frohbotschaften (εὐ (gut) ἄγγελος (Nachricht) > εὐαγγέλια/εὐαγγέλιον). Biographisches kommt in den Evangelien tatsächlich relativ kurz. Ganz wesentlicher Bestandteil sind vielmehr die Herrenworte, ab und an durch einen Wunderbericht unterbrochen.
Manches was uns biographisch erscheint, stellt sich letztlich als unhistorisch heraus. Ob Jesus also verheiratet war oder nicht, lag überhaupt nicht im Interesse der Evangelisten. Dem realhistorischen Hintergrund der Texte kommen wir nur dort nahe, wo über übliche Dinge berichtet wird - und wir müssen natürlich davon ausgehen, dass die erwähnten Personen der Leser/Hörerschaft mittelbar oder unmittelbar bekannt waren.
Eigentlich - bis auf die zwei Evangelien, welche die Geburt Jesu mit aufnehmen und der Geschichte vom zwölfjährigen Jesus im Tempel, beides aber punktuell - berichten die Evangelien lediglich über die drei letzten Lebensjahre Jesu, knappe neun Prozent seines Lebens werden dadurch abgedeckt. Interessant für die Fragestellung wären allenfalls die +/- zwölf Jahre zuvor, die aber die Evangelisten nicht interessierten. Die Zeit zwischen seines Erwachsenwerdens und der Aufnahme seiner Predigttätigkeit.
Allenfalls könnte man sagen, dass bei seiner Vertreibung aus Nazareth nur von seinen Brüdern und Schwestern und seiner Mutter die Rede ist, nicht von seiner Frau und seinen Kindern. Aber auch hier ist die Botschaft ja eine andere: In seiner Heimat gilt der Prophet nichts. Diese Stelle also ereignishistorisch zu lesen, könnte aufs Glatteis führen.
 
Ob Jesus also verheiratet war oder nicht, lag überhaupt nicht im Interesse der Evangelisten. Dem realhistorischen Hintergrund der Texte kommen wir nur dort nahe, wo über übliche Dinge berichtet wird - und wir müssen natürlich davon ausgehen, dass die erwähnten Personen der Leser/Hörerschaft mittelbar oder unmittelbar bekannt waren.

Ganz richtig, auch deine Bemerkung über den Wert der Evangelien als historische Quelle. Um überhaupt an historische Fakten zu kommen, muss man die Evangelien zwischen den Zeilen lesen und nie vergessen, dass es den Evangelisten keineswegs darauf ankam, über das Leben Jesu zu berichten - denn wenige Jahrzehnte nach Jesu Tod dürften diese Infos ohnehin noch im Umlauf gewesen sein, zumindest unter Jesu Anhängern.

Und genau hier kann die Antwort auf die 3d-Frage einsetzen: Wenn über Jesus bekannt gewesen wäre, dass er verheiratet war, wäre das in irgendeinem Nebensatz eingeflossen, so wie eben auch seine restliche Familie ein paar Mal nebenbei erwähnt wird (wobei m.E. und ganz nebenbei gerade die Vertreibung aus Nazareth vielleicht (!) einen historischen Kern hat, aber so ganz bestimmt nicht abgelaufen ist...)
Von Frau und Kindern ist aber NIRGENDS die Rede, weder in den Evangelien noch in den Briefen noch in der Apostelgeschichte. Der naheliegende Schluss ist dann doch, dass es Frau und Kinder nicht gegeben hat.

Friedi
 
Ich würde allerdings anstatt eines "gab es nicht" ein "lässt sich anhand des vorhandenen Quellenmaterials nicht beantworten" setzen.
 
Ganz richtig, auch deine Bemerkung über den Wert der Evangelien als historische Quelle. Um überhaupt an historische Fakten zu kommen, muss man die Evangelien zwischen den Zeilen lesen und nie vergessen, dass es den Evangelisten keineswegs darauf ankam, über das Leben Jesu zu berichten - denn wenige Jahrzehnte nach Jesu Tod dürften diese Infos ohnehin noch im Umlauf gewesen sein, zumindest unter Jesu Anhängern.
Ich vermute zwar auch, dass es den Evangelisten in erster Linie auf eine Darstellung von Jesu Lehren und Wirken ankam, allerdings würde ich den biographischen Aspekt doch etwas höher bewerten. Das Christentum verbreitete sich schließlich in den Jahrzehnten nach Jesu Tod weit über den Kreis derer, die ihn noch persönlich gekannt hatten, hinaus. Da wird bei den Neubekehrten schon ein gewisses Bedürfnis bestanden haben, etwas mehr über die Person Jesus zu erfahren. Insofern könnten die Evangelien schon auch den Zweck gehabt haben, dieses Informationsbedürfnis zu stillen und auch zu verhindern, dass irgendwelche Sagen entstehen. (Ich verweise dazu auch auf den Prolog des Lukasevangeliums.) Dass Markus und Johannes Jesu Zeit vor seinem Wirken aussparten, lässt sich wohl auch damit erklären, dass man über seine Jugend einfach keine wirklich zuverlässigen Informationen hatte, wie sich anhand der deutlich voneinander abweichenden Darstellungen bei Matthäus und Lukas gut erkennen lässt.
 
Ich würde allerdings anstatt eines "gab es nicht" ein "lässt sich anhand des vorhandenen Quellenmaterials nicht beantworten" setzen.

Genau darum geht´s doch! Lässt das vorhandene Quellenmaterial (bzw. seine Nichtvorhandenheit) eindeutige Schlüsse zu oder nicht?
Für einen Historiker korrekter ist natürlich deine Formulierung...:red:

Friedi
 
Abgesehen von Matthäus' und Lukas' Versuchen, zumindest in den Grundzügen auch Jesu Geburt vor seinem öffentlichen Auftreten darzustellen, verweise ich z. B. darauf, dass auch das weitere Schicksal von Jesu Verwandten und Vorgänger Johannes dem Täufer geschildert wird, obwohl dessen Gefangennahme und Tod für eine Darstellung von Jesu Lehre und Wirken nicht von unmittelbarer Relevanz waren. Bei Markus nimmt die Darstellung von Jesu Lehren verglichen mit den Schilderungen seines Auftretens - verglichen mit den anderen Evangelisten - einen vergleichsweise kleinen Raum ein. Und das Lukas-Evangelium muss man ohnehin in Zusammenhang mit der Apostelgeschichte sehen, die sich in erster Linie auf die Entwicklung der Urgemeinde und die Schilderung der Missionsarbeit konzentriert, wogegen Aspekte von Lehre und Wundern - von den ersten Kapiteln abgesehen - eher in den Hintergrund treten. Lukas spannt also einen Bogen von der Geburt Johannes des Täufers bis zu Paulus' Gefangenschaft und versucht somit, wie er es im Prolog zum Lukasevangelium auch formuliert, eine Gesamtdarstellung von Jesus und dessen Bewegung zu bieten.
 
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Von Frau und Kindern ist aber NIRGENDS die Rede, weder in den Evangelien noch in den Briefen noch in der Apostelgeschichte. Der naheliegende Schluss ist dann doch, dass es Frau und Kinder nicht gegeben hat.

Friedi

Ich bin zu diesem Thema nun absolut kein Experte, aber habe ich es falsch in Erinnerung, dass Jesus irgendwo als "Rabbi" bezeichnet wird? Und musste man dazu nicht verheiratet sein?
 
Man darf die Ehrenbezeichnung nicht mit dem Amt verwechseln. Schließlich ist in Matthäus 23 auch die Rede davon, dass sich die Pharisäer generell gerne "Rabbi" nennen ließen, und Jesus fordert seine Anhänger auf, sich nicht "Rabbi" nennen zu lassen. Aber auch ein Rabbiner muss nicht verpflichtend verheiratet sein.
 
Abgesehen von Matthäus' und Lukas' Versuchen, zumindest in den Grundzügen auch Jesu Geburt vor seinem öffentlichen Auftreten darzustellen, verweise ich z. B. darauf, dass auch das weitere Schicksal von Jesu Verwandten und Vorgänger Johannes dem Täufer geschildert wird, obwohl dessen Gefangennahme und Tod für eine Darstellung von Jesu Lehre und Wirken nicht von unmittelbarer Relevanz waren. Bei Markus nimmt die Darstellung von Jesu Lehren verglichen mit den Schilderungen seines Auftretens - verglichen mit den anderen Evangelisten - einen vergleichsweise kleinen Raum ein. Und das Lukas-Evangelium muss man ohnehin in Zusammenhang mit der Apostelgeschichte sehen, die sich in erster Linie auf die Entwicklung der Urgemeinde und die Schilderung der Missionsarbeit konzentriert, wogegen Aspekte von Lehre und Wundern - von den ersten Kapiteln abgesehen - eher in den Hintergrund treten. Lukas spannt also einen Bogen von der Geburt Johannes des Täufers bis zu Paulus' Gefangenschaft und versucht somit, wie er es im Prolog zum Lukasevangelium auch formuliert, eine Gesamtdarstellung von Jesus und dessen Bewegung zu bieten.

Ich kann deine Auffassung nicht teilen:

a) Geburtsgeschichte
Dass die Geburtsgeschichte sich in historischen Widersprüchen verstrickt, dürfte weitestgehend bekannt sein; ihre Funktion ist es, Jesus als einen legitimen Nachkommen Davids herauszustellen. Auffällig sind die großen
Lücken zwischen Geburt und der Taufe durch Johannes, abgesehen von Lukas, der die Episode vom zwölfjährigen Jesus im Tempel erzählt, aber auch hier befinden sich vorher und nachher große Lücken und die Stelle hat wiederum einen theologischen Sinn.

b) Johannes der Täufer
Ob Johannes nun ein Verwandter Jesu war, wie die Bibel berichtet, jedenfalls scheint er prominenter als Jesus gewesen zu sein (siehe auch Flavius Josephus) und stellte damit die Anhänger Jesu vor ein Problem, denn genau das schienen ja einige Leute zu glauben, dass Jesus Johannes sei. Weshalb sonst hätten die Evangelisten sonst den Jüngern die Antwort in den Mund legen sollen, dass die Leute Jesus für Johannes hielten und diesen die Rückfrage stellen lassen "Für wen aber haltet ihr mich?"? Johannes wird möglicherweise von den Evangelisten funktionalisiert, um quasi dessen Anhänger zu Anhänger Christi zu machen.

Alles, was wir über Verwandte Jesu erfahren oder sein Wirken vor seinem Auftreten als Wanderprediger, erfahren wir eher beiläufig, müssen es aus Nebensätzen und Aussagen anderer über ihn, die seine Rolle in Frage stellen, herausfiltern.
 
Alles, was wir über Verwandte Jesu erfahren oder sein Wirken vor seinem Auftreten als Wanderprediger, erfahren wir eher beiläufig, müssen es aus Nebensätzen und Aussagen anderer über ihn, die seine Rolle in Frage stellen, herausfiltern.

Auffällig dabei auch, dass Jakobus der Gerechte, vermutlich eine der prominentesten Figuren im Judäa der damaligen Zeit, in den Evangelien fast völlig ausgespart wird. Wäre es um biographische Informationen gegangen, so hätten gerade diese Zusammenhänge die Leser ganz besonders interessiert.
 
Für meinen Geschmack werden von einigen hier ganz allgemein die Evangelien zu ereignishistorisch gesehen. Geschichtsschreibung war nie Sinn oder Zweck dieser Schriften, eher sogar das Gegenteil.
Das ist zwar richtig, aber gleichwohl sind sie auch ereignishistorische Quellen. Hänsel und Gretel sind eine ereignishistorische Quelle dafür, dass es zur Abfassungszeit des Märchens Lebkuchen gab. Es kommt immer auf die Frage an, die man an den Text stellt.

Hinsichtlich der hier zu behandelnden Frage muss festgehalten werden, dass es keine hinreichenden Quellen dafür gibt, wie vor der Tempelzerstörung das soziale Gefüge in Israel funktionierte.

Und was ich zum Pfingstwunder schrieb, dafür sind die Evangelien überhaupt nicht relevant. Das steht nämlich in der Apostelgeschichte - eine ganz andere Textgattung. Der Verfasser geht von einem echten Wunder aus, das ist seine Erzählabsicht an dieser Stelle. Dann ist es aber - gerade weil die Episode nicht historisch ist - unzulässig, den Wundercharakter dadurch zu beseitigen, dass man den predigenden Galiläern Fremdsprachenkenntnisse andichtet, um die Geschichte ereignishistorisch glaubhaft zu machen. Denn die Zuhörer kannten die Männer ja gar nicht, sie wussten also nicht, dass es sich um einfache Fischer handelt. Sie hätten die Tatsache, dass sie in einer fremden Sprache predigten, vielleicht für eine ungewöhnliche Leistung gehalten, aber niemals für ein Wunder. Wenn der Verfasser also ein Wunder in seine Erzählung einbaut, dann solte man diese Erzählabsicht auch respektieren und hier "Übernatürliches" beschrieben sehen.

In Jerusalem waren als religiösem (und auch wirtschaftlichem) Zentrum der jüdischen Welt nicht nur zum Passah-Fest ausländische Besucher vorhanden. Man darf davon ausgehen, dass die unmittelbaren Adressaten der Apostelgeschichte die soziologischen Verhältnisse Jerusalems noch bekannt waren, in die der Verfasser die Wundergeschichte einbettete. Die Wundergeschichte hätte ihre Wirkung verfehlt, wenn den damaligen Hörern/Lesern bekannt gewesen wäre, dass 40 Tage nach Passah nur noch Römer und Jerusalem-Einwohner in der Stadt gewesen sind. Das wäre so, als wenn im Evangelium der Verfasser Jesus über das Wasser gehen ließe, wo überhaupt kein See vorhanden ist.
 
Auffällig dabei auch, dass Jakobus der Gerechte, vermutlich eine der prominentesten Figuren im Judäa der damaligen Zeit, in den Evangelien fast völlig ausgespart wird. Wäre es um biographische Informationen gegangen, so hätten gerade diese Zusammenhänge die Leser ganz besonders interessiert.

Sowieso ist es ein Wiederspruch das er sich mit seiner Mutter und seinen Brüdern zerstritten habe und dann ein Bruder (wie auch immer er nun genau verwandt ist) so eine bedeutende Stellung im Urchristentum hatte.
 
Sowieso ist es ein Wiederspruch das er sich mit seiner Mutter und seinen Brüdern zerstritten habe und dann ein Bruder (wie auch immer er nun genau verwandt ist) so eine bedeutende Stellung im Urchristentum hatte.

Der Terminus "Urchristentum" ist hier schon diskussionswürdig, da Jakobus vermutlich die Position eines (Gegen-)Hohenpriesters bekleidete, was durch sein Beten im Tempel an Jom Kippur belegt wird.
Auffällig auch seine Bezeichnung als Jakobus der Nasiräer, was nun gar nichts mit einem Kaff in Galliläa zu tun hat, aber sofort Assoziationen weckt.
 
Der Terminus "Urchristentum" ist hier schon diskussionswürdig, da Jakobus vermutlich die Position eines (Gegen-)Hohenpriesters bekleidete, was durch sein Beten im Tempel an Jom Kippur belegt wird.
Auffällig auch seine Bezeichnung als Jakobus der Nasiräer, was nun gar nichts mit einem Kaff in Galliläa zu tun hat, aber sofort Assoziationen weckt.

Wurde nicht der Disput zwischen Juden- und Heidenchristen nicht geschlichtet.
 
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