In Anbetracht deiner unverschämten Wortwahl („ob ich den Überblick verliere“) ist eine so offensichtliche Verdrehung meiner Aussagen schon ein dicker Hund. Ein ganz schlechter Diskussionsstil, den du hier pflegst.
Dass Du den Überblick verlierst, ist noch die wohlmeinendste Interpretation. Die Alternative wäre, dass Du absichtlich die Quellen verbiegst und Widersprüchlichkeiten äußerst. Beispiel:
Ein Zangenangriff gegen die Brukterer wäre übertrieben und wird überdies auch nirgends erwähnt.
Zwischen dem Anlanden des Heeres an der Ems und dem Bestattungsakt der Varuslegionen werden als Gegner ausschließlich die Brukterer genannt. Dass der Feldzug „großflächiger“ geführt wurde, geht aus den Quellen nicht hervor.
Was denn jetzt? Ist Germanicus nur gegen die Brukterer vorgegangen oder nicht? Und wenn tatsächlich nur die Brukterer der Feind waren, warum hat Germanicus dann acht Legionen einsetzen müssen? Und wenn er schon das Heer geteilt hat und aus zwei Richtungen angerückt ist, warum hat er dann das Heer erst wieder vereinigt, ehe er den Kampf eröffnet hat?
Im Übrigen nennt die Quelle sehr wohl auch andere Gegner, sogar an erster Stelle. Anlass für den Feldzug war nämlich die Erhebung der Cherusker und der angrenzenden Völkerschaften. Natürlich werden diese Stämme nach "dem Anlanden des Heeres an der Ems" tatsächlich nicht mehr genannt, da hast Du schon Recht. Bestimmt ist Germanicus unterwegs seekrank geworden und hat in seinem Elend vergessen, dass er eigentlich gegen die Cherusker ziehen wollte… (um mal in Deinem Diskussionsstil zu antworten). Fragt sich nur, wie er Caecina über die spontane Änderung der Pläne informiert hat.
Laut Tacitus war der Feldzug ein Präventivschlag, um „den Feind zu zersplittern“. Das wäre mit einem bloßen Angriff auf die Brukterer nicht zu erreichen gewesen.
Deine Schlussfolgerung müsste lauten: Caecina ist von der Lippemündung aus in Richtung Ems marschiert. Dass er den direkten Weg, d.h. den "Hellweg vor dem Berg" (ab Minden "vor dem Sandforde") nicht nahm, stattdessen entlang der Lippe zog, geht aus den Quellen nicht hervor.
Aus der Quelle geht auch nicht hervor, dass er den genannten "Hellweg vor dem Berg" (den ich unter der Bezeichnung Heerweg erwähnt hatte) genutzt hat. Festzuhalten bleibt doch, dass die Truppen zu einem Feldzug ausgerückt sind. Es wäre widersinnig gewesen, Caecina mit seinen Truppen erst zur Ems zu schicken, wenn sie von da aus zur Lippe zurückmarschieren sollten. Schließlich lag das Operationsgebiet direkt vor ihrer Nase: gleich gegenüber von Vetera. Übrigens führt der Hellweg "unter dem Berg" nicht direkt nach Xanten.
Wenn Caecina an der Lippe aufmarschiert wäre, hätte diese Überlegung ihre Berechtigung. Da den Quellen allerdings nichts zu entnehmen ist, das darauf hinweist, erübrigt sich die Frage.
Im Gegenteil: Du hast deine These, dass Caecina die Lippe entlang gezogen sein könnte, damit gleichsam widerlegt.
Zunächst mal habe ich keine These vorgetragen, sondern geschrieben:
Da wäre es sinnvoller gewesen, wenn Caecina an der Lippe aufmarschiert wäre und auf das Eintreffen der Germanicus-Abteilungen gewartet hätte.
Siehst Du die Konjunktive? Gemeint war: Besser das, als zuerst zur Ems zu marschieren und erst danach zu kämpfen. Aber auch das nicht, denn Caecina hat nicht an der Lippe gewartet, sondern ist zur Ems gezogen – und zwar durch das Brukterergebiet hindurch. Denn, wie Du fast richtig bemerkst:
Denn dann hätte er das Gebiet, das später verwüstet wird, bereits durchzogen.
Auf die Weise hatte er das Gebiet nicht nur bereits durchzogen sondern sogar schon mit der Verwüstung begonnen und die Krieger der Brukterer gebunden und vielleicht sogar in Richtung der Streitkräfte von Germanicus gedrängt. All das konnte er schaffen, ohne einen hinderlichen Tross mitzunehmen und ohne erst lange Märsche zu bewältigen – direkt von Vetera aus. All das wäre nicht zu erreichen gewesen, wenn er erst im Bogen um das Brukterergebiet herummarschiert wäre.
Aus diesem Grunde ist es plausibler, dass er den direkten Weg vom Niederrhein zur Ems, den Hellweg vor dem Berge, nahm.
Was soll daran plausibel sein? Es wäre militärisch blödsinnig gewesen.
Wenn ich Front schreibe, meine ich auf Front, nicht Gartenzwerg oder sonstwas. In Anführungszeichen steht der Begriff lediglich, weil er für ein militärisches Konzept steht, das den Römern noch nicht geläufig war und heute nicht mehr zeitgemäß ist. Gemeint ist eine gedachte Linie, die zwei feindliche Streitkräfte trennt.
Nun gut, wenn du meine kleine Brücke nicht annimmst, bist du selbst Schuld.
Während der Germanicusfeldzüge 14-16 n.Chr. gab es rechts des Rheins keine Front, auch nicht „im Sinne einer gedachten Linie.“ Das ist vollkommen falsch.
Mir erscheinen Brücken, die Du zu bauen versuchst, eben nicht tragfähig. Ich habe deutlich geschrieben, dass die Lippelinie seit Drusus nicht mehr als Front anzusehen war und dass Rom diese Linie zu einem Nachschub- und Aufmarschweg ausgebaut hat, um von dort aus die Okkupation Germaniens weiter voranzutreiben. An der Lippe selbst wurde zu dem Zeitpunkt nicht mehr gekämpft. Diese Zone hatten die Römer gut unter Kontrolle. Deshalb ist es auch mehr als unwahrscheinlich, dass Varus mit seinen drei Legionen einen "weit entfernten" aufständischen Stamm ausgerechnet in der Nähe der Lippe gesucht haben soll. Dass dies mit der Niederlage der Varus-Legionen ein Ende hatte, wissen wir alle. Es bedarf nicht Deiner Brückenbaukunst, um diese Erkenntnis zu verbreiten.