Hoch zu Ross?

Frühe nomadische Lebensweise, Pferdezucht, Reiten und Kavallerie - Steppengürtel

„Hoch zu Ross“ ist ein interessantes Thema zum Thema der frühen Reiterei. Wichtig finde ich einige längst genannten Feststellungen: Das Aufkommen von Wagen und Streitwagen war nicht gleichbedeutend mit der Nutzung des Pferdes (erst: Onager & Rinder) dafür. Das Pferd wurde offensichtlich zuerst Beutetier und Fleischlieferant, dann als Zugtier und erst später auch als Reittier genutzt, wobei erst einige Zeit nach dem Aufkommen des Reitens dieses Tier auch militärisch für den Einsatz von Kavallerie Verwendung fand. Das Pferd ist rückblickend geradezu zum Synonym geworden, für die Nutzung des Wagens und die militärische Verwendung berittener Reiterkrieger, was eben nicht eine rasche Folge der Nutzung dieses Tieres durch den Menschen war! Danke auch für die interessanten Einblicke in Pferderassen und Nutzung in der bisherigen Diskussion.

Irgendwie wundert es mich (und auch wieder nicht…), dass bisher im Zusammenhang mit Reiterkriegern ein Volksname noch nicht gefallen ist: Die Kimmerier! Nein, ich meine nicht „Conan den Barbaren“, sondern die bei Herodot und assyrischen Quellen erwähnten Reiterkrieger der frühen Eisenzeit. Andererseits ist dieses Volk sowohl in der Überlieferung, als auch in der archäologischen Deutung so vielfach unterschiedlich interpretiert und „besetzt“, dass es vielleicht deshalb bisher nicht erwähnt worden ist? Laut Herodot lebten die Kimmerier am Nordrand des Schwarzen Meeres und wurden von dort von den aus dem Osten einfallenden Skythen (den wohl bekanntesten frühen Reiterkriegern par excellence) verdrängt und fielen anschließend über den Kaukasus hinweg in den Bereich des uratäisch-assyrischen Herrschafts- & Kulturkreises ein um auch Anatolien zu durchziehen. Die Kimmerier dürften damit die chronologisch frühesten, schriftlich bezeugten Reiterkrieger sein.

Dem ging ein längerer kultureller Prozess voran, was der bisherige Verlauf des Themas bereits erkennen ließ und dem nachzugehen sich als gar nicht so übersichtlich erwiesen hat.


Grob nach V. Klochko (in „Goldener Horizont“) skizziert, entstand die große Steppe nördlich des Schwarzen Meeres bedingt durch Klimawandel, Tierbeäsung, menschliche Weidewirtschaft und Holzeinschlag erst allmählich in mehreren Phasen zwischen dem 7. bis zum Ende des 1. vorchristlichen Jahrtausends, wobei der Wald zurückgedrängt wurde. Am Beginn steht eine „Neolithisierung“ durch ‚reproduzierende Wirtschaft‘ des Menschen parallel zu bedeutenderen Tierhaltung des Menschen, wobei zuerst Hornvieh und später Schweine dominierten. Neben festen Ansiedlungen wurden die Steppenweiden erschlossen durch eine „Schäferwirtschaft“. Die Domestikation des Pferdes beginnt zunächst als Fleischlieferant, während Ochsen die ersten Karren ziehen. Mit Beginn der Metallzeit (zuerst Kupfer) erreicht die Besiedlung einen ersten Höhepunkt ab dem 3. Jahrtausend v.Chr. mit zunehmendem Druck auf die Umwelt, wie auch immer häufigeren militärischen Auseinandersetzungen(Festungsbau)! Die Steppenvölker dehnen ihre Ausbreitung durch Wanderungen aus. Im folgenden Jahrtausend wurde das Klima feuchter und die festen Ansiedlungen/Ackerbau nahmen erheblich zu. Die Pferdehaltung nahm zu, zumal sie nun als Zugtiere für Transportmittel wie für Streitwagen Verwendung fanden. Die härteren Klimabedingungen weiter im Osten führten zu entsprechendem Druck von Völkern aus diesem Raum, während sich die Massenerzeugung von Bronzegütern durchsetzen konnte. Arbeitsgeräte wie Waffen wurden produziert und lassen sich in Gräbern finden. Die Aridisierung, ein weiterer Klimaumschwung an der Wende zwischen dem 13.- und dem 12. Jahrhundert v. Chr., wodurch das Wetter deutlich trockener wurde, führte zu einem gravierenden Wandel in der menschlichen Siedlungsstruktur. Die Ansiedlungen in der Steppe scheinen verschwunden zu sein, es blieben die festen Ansiedlungen an den Flüssen. Wanderungen und Konflikte nehmen an Intensität zu. Die Bestände an Großvieh gehen zurück, zugunsten größerer Pferdehaltung und Schafherden. „Es ist eine deutliche Zunahme einer Fluchtbewegung seitens der Bevölkerung zu beobachten“. Die Welt wird also in der Steppe mobiler! Als in der Steppe Eisen produziert wird, „steckt die Reitkunst noch in den Kinderschuhen. Mit den Kimmeriern kommen die ersten berittenen Krieger ins Land.“ Die Klimaänderung geht parallel mit erheblichen sozialwirtschaftlichen Prozessen im ganzen eurasischen Steppenbereich einher. Mit Beginn des 1. vorchristlichen Jahrtausends kommt die erste Nomadenwelle aus dem Osten. Mit diesen „Protoskythen“ sieht V. Klochko das Aufkommen der ersten wirklichen Kavallerie in den südosteuropäischen Steppen und im Gesichtskreis der Hochkulturen des alten Orients wie der „griechischen Welt“. Letztere schickte sich während der großen Kolonisation an, sich an den Nordküsten des Schwarzen Meeres anzusiedeln. Von dort bezog sie Sklaven und letztlich auch Getreide. Herodot als Grieche ist es auch, der von Kimmeriern und Skythen berichtet, wodurch man auch frühe assyrische Berichte über Reiterkrieger mit den Kimmeriern gleichsetzen kann. Neben die Archäologie tritt nun endlich auch die schriftliche Überlieferung als Quelle.



Die mehrfach genannte „Katakombengrab-kultur“ ist sehr schwer zu fassen, da sie unterschiedliche Ausprägungen und Zeitabschnitte umfasst. Sie ist nur archäologisch zu fassen. Die Bestattungsweise in Katakomben und Kurganen wurde über eine sehr lange Zeit gepflegt, sowohl bereits im Neolithikum, als auch in der Bronzezeit und später. Die Übergänge sind teils fließend. So spricht Tante Wiki ordnet sie als eine „spätneolithisch-kupferzeitliche“ Kultur ein. In der Karte im bereits verwendeten Beitrag von V. Klochko wird sie zwischen Donaumündung/Karpartenbogen bis zur Wolgamündung am Kaspischen Meer eingezeichnet und als bronzezeitliche Kultur bezeichnet.
 
Einen handfesten Hinweis kann ich noch hinzu fügen:
Unter dem Tierknochenmaterial aus Troia kommen Pferdeknochen in nennenswerter Zahl erst in der Mittelbronzezeit (Troja V) vor.

Damit ist nichts über die Nutzung aussagbar, da Pferdeknochen meines Wissens nach keine Hinweise darauf bieten, ob die Tiere geritten wurden oder nicht. Höchstens eine Nutzung als Lasttier könnte Knochenveränderungen hervor rufen. Das ist jetzt aber mal eine reine Annahme von mir, bin leider kein Tiermediziner und kein Paläobiologe geworden.

Die von Tejason ansprochenen Kimmerier (sind die nicht irgendwie mehr legendär) markieren einen wichtigen, sicheren Anhaltspunkt: Die Züge der Reiterkrieger um die Mitte des 1. Jtsd. . Die Skythen herrschten 100 Jahre über Asien, ihre Erfolge beruhten eben auf dem Einsatz des (Kriegs-)pferdes. Kurgan-Bestattungen mit 500 einjährigen Hengsten als Grabbeigabe im Ursprungsgebiet (Ukraine bis Ural) belegen dort die Bedeutung des Pferdes und den Umfang der Zucht.

Also: Eine Entwicklung des domestizierten Pferdes zwischen 1800/1700 v. Chr. bis zum Pferd als trainiertem Kampfgenossen um 600/500 v. Chr.
 
Zuletzt bearbeitet:
Damit ist nichts über die Nutzung aussagbar, da Pferdeknochen meines Wissens nach keine Hinweise darauf bieten, ob die Tiere geritten wurden oder nicht. Höchstens eine Nutzung als Lasttier könnte Knochenveränderungen hervor rufen.

Ich weiß nicht, ob man Knochenabnutzungen von Last- und Reittieren unterscheiden kann, aber die Nutzung als Reittier schlägt sich auch in den Knochen des Tieres nieder.
 
Die von Tejason ansprochenen Kimmerier (sind die nicht irgendwie mehr legendär)
Quellenmäßig sind sie - von den Assyrern auch zeitgenössisch - durchaus belegt. Das Problem ist eher archäologischer Natur, da ist es schwer, Funde eindeutig den Kimmerern zuzuordnen.

Die Skythen herrschten 100 Jahre über Asien
100 Jahre ist übertrieben. Herodot behauptete, sie hätten 28 Jahre über Asien geherrscht, aber auch das ist insofern übertrieben, als es sich nicht um eine echte Herrschaft handelte, sondern lediglich um eine Periode, in der die Skythen dank des Niedergangs des Assyrerreiches erfolgreiche Raubzüge im Vorderen Orient durchführen konnten.
 
Ravenik nennt genau das Problem: Die Kimmerier mussten und müssen teils für völlig widersprüchliche Verortungen und Überlegungen herhalten, weshalb oft vom "Kimmerier-Problem" zu lesen ist. Geschichtlich belegt sind sie durchaus, auch als erstes, ernstzunehmendes Reitervolk! Aber wie bei so vielen Reitervölkern können sie archäologisch schwer zugeordnet werden und es wäre durchaus möglich, dass die antiken Kimmerier ähnlich wie später etwa die Hunnen ein multiethnischer Nomadenverband gewesen sind ... Außerdem werden manchmal archäologische Funde aus dem Umfeld der Reiternomaden, gerade im Gebiet des nördlichen Schwarzen Meeres, soweit sie aus der „vorskythischen Zeit“ stammen, wie selbstverständlich den Kimmeriern zugeschrieben. Und dergleichen Wirrwarr mehr!

Daher provoziert das Wort "Kimmerier" schnell ausufernde Fragen. Dass Robert E. Howard für die Figur seines Conan ebenfalls den Namen der Kimmerier vereinnahmt hat, macht es sicherlich nicht einfacher...:devil:
 
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