Hypothetische Verteilung augusteischer Römerlager in der Germania Magna

Bei einem Erstbeleg 1250 Jahre später sind solche Prämissen (und um mehr handelt es sich bei Dobbertin nicht) wenig zielführend. Es wäre auf jeden Fall schon eine sehr zufällige Namensgebung, dass Drusus an einem Ort starb, der für die Römer Scelerata hieß und von Sueton dann derart missverstanden worden wäre, dass er den Namen als Reaktion auf Drusus' Tod entstanden interpretiert hätte.
 
Es wäre auf jeden Fall schon eine sehr zufällige Namensgebung, dass Drusus an einem Ort starb, der für die Römer Scelerata hieß und von Sueton dann derart missverstanden worden wäre, dass er den Namen als Reaktion auf Drusus' Tod entstanden interpretiert hätte.

Einverstanden. Allerdings wäre es ja nicht singulär, dass ein lokaler Ortsname von römischen Autoren genannt wird (s. teutoburg, idistaviso). Das Missverständnis muss auch nicht zwingend Sueton unterlaufen sein; denkbar wäre immerhin, dass die Römer schon vor Ort angesichts der unglücklichen Umstände den Orts- bzw. Flussnamen in ihrem Sinne volksetymologisch interpretierten.

Ein schwerstverletzter Oberbefehlshaber wäre zudem eine plausible Erklärung für einen Verstoß gegen die vermutete 9-10-Leugen-Regel. Ohne bestätigende archäologische Funde ist das aber reine Spekulation. Was sicher bleibt, sind die 20 Leugen zwischen Hildesheim und Braunschweig.
 
zitat divico

Das ist richtig, hier klafft eine Lücke, es liegen zwischen Hildesheim und Braunschweig ~45 km Fußweg, was ziemlich genau 20 Leugen entspricht. Hier wäre also eine Zwischenstation auf halbem Wege zu erwarten.

Interessanterweise liegt genau an dieser Strecke, allerdings nur ca. 12 km von Hildesheim entfernt, der Ort Schellerten, der von manchen Autoren für den bei Sueton erwähnten Sterbeort des Drusus, Scelerata, gehalten wird.

Edit: Von Mainz nach Worms beträgt die Entfernung ebenfalls 45 km (20 Leugen) und ist mit diesem Wert auch in der Peutingertafel verzeichnet.


Zusatzfragen zur karte Timo von Burg version 1.1:

vom Marktplatz haltern an der Lippe flußaufwärts geht es zu den "germanischen siedlungskernen und bergbaustandorten" brilon und marsberg. die wege dorthin sind u.a. beschrieben bei "braukmann, Hypothesen zum Verlauf römerzeitlicher Wege" im sauerland heft 1/2010,
allerdings nicht in 10 - Leugen - Etappen.

vom Marktplatz waldgirmes an der Lahn flußaufwärts geht es zu dem "germanischen siedlungskern und bergbaustandort" Amöneburg, sind die Wege dorthin in 10 - Leugen - Etappen schon irgendwo beschrieben ?

Und welcher Marktplatz liegt wo an der Leine ( oder Weser ? ) für den "germanischen siedlungskern und bergbaustandort" düna, erreichbar in
10 - Leugen - Etappen ?

Hier bietet sich eher hedemünden als marktplatz an, wenn es denn
auch zivilen lagercharakter gehabt hätte. aber in diesem fall würden die metall transporte zu den märkten untypisch flußaufwärts geschehen sein, ganz anders als auf lippe und lahn.
 
vom Marktplatz haltern an der Lippe flußaufwärts geht es zu den "germanischen siedlungskernen und bergbaustandorten" brilon und marsberg. die wege dorthin sind u.a. beschrieben bei "braukmann, Hypothesen zum Verlauf römerzeitlicher Wege" im sauerland heft 1/2010,
allerdings nicht in 10 - Leugen - Etappen.

Danke für den Literaturhinweis!
Allerdings sind die mutmaßlich (keltisch-)germanischen Siedlungen Brilon und Marsberg tatsächlich 10 Leugen voneinander entfernt, was nebenbei ein weiteres Indiz für einen vorrömerzeitlichen Ursprung des Systems sein könnte.

vom Marktplatz waldgirmes an der Lahn flußaufwärts geht es zu dem "germanischen siedlungskern und bergbaustandort" Amöneburg, sind die Wege dorthin in 10 - Leugen - Etappen schon irgendwo beschrieben ?

Nicht dass ich wüsste. Übrigens ist die Amöneburg in dieser Karte kein Wegpunkt, das ist in der nicht ganz glücklichen Darstellung schlecht zu erkennen. Sie liegt nur nahe mehrerer hypothetischer Lager.

Und welcher Marktplatz liegt wo an der Leine ( oder Weser ? ) für den "germanischen siedlungskern und bergbaustandort" düna, erreichbar in
10 - Leugen - Etappen ?

Ab der Northeimer Stadtmauer sind es exakt 10 Leugen zur damaligen Hütte Düna.

Hier bietet sich eher hedemünden als marktplatz an, wenn es denn auch zivilen lagercharakter gehabt hätte. aber in diesem fall würden die metall transporte zu den märkten untypisch flußaufwärts geschehen sein, ganz anders als auf lippe und lahn.

Die Frage, auf welchen Wegen Metalltransporte vom Harz erfolgten ist sehr interessant. Der ökonomischste Weg wäre wohl leineabwärts über Aller, Weser und Nordsee in den Rhein. Andererseits ist auch ein Transport mit Ochsenkarren über Land vorstellbar (zumindest bis zur Lippe), wie er wahrscheinlich schon seit Urzeiten betrieben wurde.
 
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Langres - 66,6 km (= 30 Leugen) - Dijon

Noch ein starkes Indiz für das vermuteten 10-Leugen-System liefert in besonderer Präzision die schnurgerade Straße vom Hauptort der Lingonen, dem "uralten Straßenzentrum" [1] Andematunnum (Langres) nach Diviodunum (Dijon), die wieder einen Teil der Route Lyon -Trier darstellt.

Die Entfernung zwischen beiden Orten von exakt 66,6 km (= 3 x 10 Leugen) könnte noch ein weiterer Zufall sein. Aber wenn man sich die Lokalitäten bei Kilometer 22,2 resp. 44,4 anschaut stellt man fest, dass jeweils dort die weiterhin schnurgerade Strecke absichtlich einen auffälligen Hügel schneidet.

[1] Gerold Walser: Bellum Helveticum. Studien zum Beginn der caesarischen Eroberung Galliens.- Historia Einzelschriften, Franz Steiner, Stuttgart, 1998, p. 78
 

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Dass die Römer zwischen ihren Lagern einigermaßen genormte Abstände wählten, ließe sich ja unter Vorbehalt noch akzeptieren (wobei man im Mittelalter gut 30 Km von einer Pfalz zur anderen Tagesetappe zog) :winke:.
Dass aber Siedlungen nach Entfernungen angelegt wurden, ist eigentlich nicht plausibel zu machen. (Ausnahmen: marktorientiere Latifundien, schon die antiken Militärschriftsteller weisen darauf hin und die Archäologie gibt ihnen Recht: Latifundien und andere marktorientierte Landgüter häufen sich im näheren Umkreis der Städte). Die Auswahl von Siedlungenorten findet nach Wegeanbindung, Schutzfunktion, Ackerfläche etc. statt.
Im Prinzip ist die Feststellung, dass zwei Siedlungen genau zehn Leugen auseinanderliegen ein Indiz für die Zufallsabhängigkeit deiner Überlegungen.
 
Dass die Römer zwischen ihren Lagern einigermaßen genormte Abstände wählten, ließe sich ja unter Vorbehalt noch akzeptieren (wobei man im Mittelalter gut 30 Km von einer Pfalz zur anderen Tagesetappe zog) :winke:.
Dass aber Siedlungen nach Entfernungen angelegt wurden, ist eigentlich nicht plausibel zu machen. (Ausnahmen: marktorientiere Latifundien, schon die antiken Militärschriftsteller weisen darauf hin und die Archäologie gibt ihnen Recht: Latifundien und andere marktorientierte Landgüter häufen sich im näheren Umkreis der Städte). Die Auswahl von Siedlungenorten findet nach Wegeanbindung, Schutzfunktion, Ackerfläche etc. statt.
Im Prinzip ist die Feststellung, dass zwei Siedlungen genau zehn Leugen auseinanderliegen ein Indiz für die Zufallsabhängigkeit deiner Überlegungen.

Einen solchen Zufall an einer Straße kann ich auch noch hinnehmen, aber genau auf dieser Straße von Lyon nach Trier tritt das Phänomen mehrfach auf!

Wie weiter oben schon erwähnt, beträgt auch die Entfernung zwischen Lyon und Mâcon (via Anse) 66,9 km = 30 Leugen.
 
... Die Auswahl von Siedlungenorten findet nach Wegeanbindung, Schutzfunktion, Ackerfläche etc. statt.
...

Moin

Die ersten beiden genannten Fakoren würden doch auch auf die Errichtung eines Lagers zutreffen!

Kenne mich mit dem römischen Lagerbau nicht sonderlich gut aus und muß daher vprerst auf mein Bauchgefühl zurückgreifen.
Ich stelle es mir so vor, das in Friedenszeiten/im Freundesland, die römischen Marschlager an stärker frequentierten Strecken nicht jedesmal abgerissen wurden. Ganz im Gegenteil vermute ich, dass die Lager mit der Zeit etwas ausgebaut wurden (z.B. Holzhäuser). Nach dem späteren Abzug der Römer stünde dann doch ein attraktiver Siedlungsplatz (im Hinblick auf Verkehrsanbindung, geschützter Lage und Infrastruktur) zur Verfügung!?
Oder sehe ich das falsch?

Gruß
Andreas
 
Noch einer, eben festgestellt:

Von Dijon zum lingonischen Stammesheiligtum Mediolanum (Mâlain) beträgt die Entfernung wieder ganz genau 10 Leugen (22,2 km).

Was für ein Wahnsinn.
 
Richtig,carrus ist keltisch.Wurzel von la chaussée,die Fernstrasse oder die Heerstrasse.

Voies romaines en Gaule - Wikipédia

Kurze Übersetzung-Das Strassennetz der Römer in Gallien fußt auf dem Gallischen

Ah! Danke für den Link, das ist hochinteressant.

Jetzt folgt natürlich für unser Thema im Thread die Frage: warum finden wir dieses System auch in Teilen der Germania Magna und in Rätien? Ich sehe da zwei Möglichkeiten:

1. Es wurde vor der römischen Invasion von keltischen Stämmen angelegt, die in der La-Tène-Zeit bis in Höhe Osnabrück und im Osten mindestens bis Hessen nachgewiesen sind.

2. Die Römer erkannten den Vorteil von regelmäßigen Stationen und übernahmen das System nach der Eroberung Galliens zumindest kurzfristig.
 
Jetzt stutze ich .....

Daß sich die Röemer eine gewissen Systematik bei der Entwicklung ihrer
Wegenetze bedienten und damit letzendlich genau wussten, wie sie
wohin und unter welchen Entfernungen und Bedingungen marschieren
würden - das würde ich logisch nennen - gerade, weil die Römer ja
zuerst alles unter den Bedingungen des Militärs betrachteten und sie
in neueroberten Gebieten sich damit in Vorteil vor evtl. Ereignissen
setzen konnten.

Da mutet es schon seltsam an , daß der Kollege Varus samt einem
behäbigen Troß in unvorbereitete und geografisch vermutlich kaum
bekannte Gefilde loszog .....

Das verblüfft mich schon .....
 
Jetzt stutze ich .....
[...]
Da mutet es schon seltsam an , daß der Kollege Varus samt einem
behäbigen Troß in unvorbereitete und geografisch vermutlich kaum
bekannte Gefilde loszog .....

Huch? Von Varus war war hier eigentlich noch nicht die Rede. Die 'unbekannten Gefilde' wurden wohl zuvor von Drusus, Tiberius und Anderen erkundet.

Falls du direkt auf Kalkriese anspielen solltest -- nun, das liegt gerade eben außerhalb des in der La-Tène-Zeit von eher keltischen Menschen bewohnten Gebietes, nördlich der Schnippenburg. Ohne alten Straßenbau und Weginformationen könnte dann dort der Weg in die Katastrophe geführt haben -- nur mal so ins Blaue gedacht.

Edit: Waren die 'unbekannten Gefilde' überhaupt so unbekannt, oder besaßen die Römer womöglich von gallischer Seite Informationen über ein altes Wegenetz im rechtsrheinischen Germanien südlich einer Linie Osnabrück-Hannover, d.h. in den ehemals von der L-T-Kultur geprägten Gebieten?
 
Zuletzt bearbeitet:
Dass aber Siedlungen nach Entfernungen angelegt wurden, ist eigentlich nicht plausibel zu machen.

Denkbar wäre, dass es sich ursprünglich um ein ziviles, womöglich vorrömisches System von regelmäßigen Stationen gehandelt hat, an denen man z.B. die Pferde oder Ochsen wechseln und sich verpflegen und erfrischen konnte, ähnlich heutiger Raststellen. Um diese 'Poststationen' herum wären dann teils florierende Siedlungen entstanden.

Eine in England zunächst für römisch gehaltene keltische Straße sah nach der Ausgrabung noch besser aus als mancher deutsche Überland-Radweg. :pfeif:
 
zitat divico

Denkbar wäre, dass es sich ursprünglich um ein ziviles, womöglich vorrömisches System von regelmäßigen Stationen gehandelt hat, an denen man z.B. die Pferde oder Ochsen wechseln und sich verpflegen und erfrischen konnte, ähnlich heutiger Raststellen. Um diese 'Poststationen' herum wären dann teils florierende Siedlungen entstanden.


nach leiermann, gelbbuch 3, auch so zu erklären:

Selbst, wenn Rom nur von 11 vor christus bis 9 nach christus in germanien war, mußten seine legionäre 20 mal im frühjahr einmarschieren und im herbst zurückkehren. Es ist unwahrscheinlich, daß rom 40 mal jeweils andere wege ging und jeweils neue lager bezog ...

Römische lager zogen händler an, nach dem truppenabzug blieben die händler...
 
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