"I'm in the army (zivi) now"

Zwei Möglichkeiten, dem Wehrdienst zu entgehen, haben wir noch gar nicht angesprchen, die "Flucht" nach Westberlin und 10 Jahre im Katastrophenschutz (Feuerwehr, THW).

Gibts jemanden, der das gemacht hat?
 
die "Flucht" nach Westberlin

Dafür musste man allerdings Jahrgang 1970 oder älter sein (glaub, das war die Grenze). Ein Bekannter von mir (geborener West-Berliner, Jahrgang 1972) wurde in den 90er Jahren noch nachgezogen. Hat dann ein Jahr auf der Hallig Hooge verbracht, Schutzstation Wattenmeer. Vermutlich der abgelegenste Ort für den Zivildienst, aber auch einer der interessanteren...

Mich hat der Geburtsort dann auch nicht vor der Musterung bewahrt, aber sie haben mich mit T5 ausgemustert. Ich hätte anderfalls auch verweigert, hab das aber nicht angegeben (und war mir ziemlich sicher, dass die mich kurzsichtigen Maulwurf nicht wollen...). Dass mir dann mit mitleidiger Stimme mitgeteilt wurde, ich sei leider nicht tauglich für den Krieg, aber wenn ich mich dadurch schlecht fühlen würde gäbe es Beratungsmöglichkeiten und Therapien, war schon i-wie süß... aber auch nicht leicht, da eine halbwegs ernste Mine zu bewahren...
 
Zwei Möglichkeiten, dem Wehrdienst zu entgehen, haben wir noch gar nicht angesprchen, die "Flucht" nach Westberlin und 10 Jahre im Katastrophenschutz (Feuerwehr, THW).
Auch "Totalverweigerung" war möglich. Ein etwas jüngerer Kumpel von mir (Jahrgang 1979) wollte weder zum Bund noch Zivil-/Ersatzdienst leisten. Eigentlich war das damals mit ein paar Monaten Knast strafbewehrt. Aber er hat sich nicht erwischen lassen, sich nie umgemeldet etc. Er kam damit durch.
Ein weiterer Bekannter war 10 Jahre bei der freiwilligen Feuerwehr. Das bedeutete hauptsächlich Bereitschaftsdienste an vielen Wochenenden.
 
Direkt in den Knast ging es wohl selten, aber Geld- und Bewährungsstrafen gabs. Irgendwann hat man wohl eingesehen, dass es den Aufwand nicht wert ist, gab ja mehr als genug junge Männer. Und als die knapper wurden, war die Bundeswehr schon viel kleiner.

Interessant sind in der Beziehung die Zeugen Jehovas, die staatlichen Zwang, also auch Zivildienst ablehnen. In einer meiner Vorstellungsrunde saß einer, der weder noch gemacht hat. Stattdessen aber freiwillig 2 Jahre im Altenheim gearbeitet hatte (und auch nur ein Taschengeld erhalten hat).

Das war wohl ein beidseitiges Gentleman agreement, der Staat lässt die Zeugen in Ruh, dafür arbeiten die wie Zivis, ohne Musterung, ohne Einberufung. Aufgrund der Verfolgung von 33-45 eine gesichtswahrende Lösung für beide Seiten.

Und noch eine religiöse Gruppe musste nicht dienen, jüdische Männer. Daniel Cohn-Bendit nutzte das aus, er hatte ja Anspruch auf den deutschen Pass, um nicht in Frankreich eingezogen zu werden. Mit seiner Ausweisung hatte er wohl nicht gerechnet.
 
Nach der Grundausbildung folgte dann die 3-monatige Spezialausbildung, in der uns rudimentär polnisch bzw. russisch beigebracht wurde. Kurz nach dem Fall der Mauer hieß es: "Polen ist von nun an der potentielle Feind Nr.1" und beim Nacht-Alarm wurden wir mit den Worten: "Im 1. Stock wird schon mit Zloty bezahlt!" aus den Federn geholt.
Nach den 3 Monaten waren wir dann bereit für den Einsatz in Rotenburg an der Wümme. Es folgten 6 Monate im Schichtdienst, in denen 24/7 Funkverkehr aufgespürt, abgehorcht und per Triangulation geortet wurde.
Das begreife ich nicht so ganz: Man hat Leute, die gerade einmal 3 Monate lang Polnisch oder Russisch gelernt hatten, zum Abhören von Funksprüchen eingesetzt? Dafür braucht es doch wohl solide Sprachkenntnisse. Zumindest in Ostdeutschland sollte es doch zur Genüge Menschen gegeben haben, die in der Schule vernünftig Russisch gelernt hatten. Warum hat man nicht nach Möglichkeit sie eingesetzt? (Ich wage es kaum zu schreiben, aber: Hat man ihnen möglicherweise so kurz nach Wende und Wiedervereinigung noch nicht so recht getraut?)
 
Das begreife ich nicht so ganz: Man hat Leute, die gerade einmal 3 Monate lang Polnisch oder Russisch gelernt hatten, zum Abhören von Funksprüchen eingesetzt? Dafür braucht es doch wohl solide Sprachkenntnisse. Zumindest in Ostdeutschland sollte es doch zur Genüge Menschen gegeben haben, die in der Schule vernünftig Russisch gelernt hatten. Warum hat man nicht nach Möglichkeit sie eingesetzt? (Ich wage es kaum zu schreiben, aber: Hat man ihnen möglicherweise so kurz nach Wende und Wiedervereinigung noch nicht so recht getraut?)

Also ich kann nicht erinnern, dass jemand aus den neuen Bundesländern in unserer Truppe war. Es waren lediglich ein paar Muttersprachler (Schlesier und Russlanddeutsche) dabei. Ich kann allerdings nicht sagen, ob es 91 eine Beschränkung in der Wehrpflicht für die neuen Länder gab. Jedenfalls wurden alle in unserer Einheit vorher vom MAD durchleuchtet und es gab zusätzlich eine Befragung, um die Geheimhaltungsstufe zu erlangen.
Im Einsatz waren die Sprachkenntnisse dann auch nur rudimentär gefragt. Die Funksprüche bestanden aus endlosen Zahlen- und Buchstabenkolonnen. Das polnische Buchstabier-Alphabet kann ich heute noch im Schlaf aufsagen.
 
"Souvenirs"

Bei der Entlassung aus dem aktiven Dienst bekam man ja die Unterwäsche, Strümpfe, Stiefel etc. mit nach Hause.

Vieles davon hab ich gleich entsorgt, von der sexy Unterwäsche nur die lange Unterhose behalten für die ganz kalte Tage. Als ich sie dann mal gebraucht habe, passte sie nicht mehr, muss in der Schublade eingegangen sein, genau wie die T-Shirts.

Die Geschirrtuch-großen grauen Taschentücher lagen bis zum Frühjahr 2020 in meinem Nachtschrank. Dann wurden sie zu Behelfsmasken umgeschneidert.

Im Keller standen bis vor kurzem auch noch zwei Paar Kampfstiefel. Dieses Frühjahr hab ich die zum ersten Mal wieder angezogen, weil ich die Brombeeren auf unserem Stellplatz zurückschneiden musste. Bei beiden Paaren löste sich nach nur 35 Jahren die Sohle komplett ab, miese Qualität (ich hatte kurz dran gedacht, sie reparieren zu lassen, die Stiefel passten noch gut und 1988 waren sie ja erst neu besohlt worden. Aber beim nächsten Tragen 2058 hätte ich mich wieder nur geärgert).

Wirklich in regelmäßiger Benutzung hatte ich nur eine Sache gehabt, meinen Bw-Impfausweis. Zur ersten Corona-Impfung wurde mir dann aber ein neuer ausgestellt, "Mit dem ollen Lappen können sie nicht mehr verreisen".

Offiziell gehörte ich eigentlich noch zu den Leuten, die mit einer Reserveübung innerhalb von 5 Jahren rechnen mussten. Aber mit der Wende/Wiedevereinigung war das auch vom Tisch.
 
Wir durften nur die Unterwäsche, die Laufschuhe und die Kunststoff-Wasserflasche behalten. Die Stiefel wurden desinfiziert und weiterverwendet.
 
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