Die Arbeit auf die du dich beziehst "Gedanken über das Indogermanenproblem" - Vortrag, gehalten im Cercle linguistique de Prague den 14. Dezember 1936, zit. nach: Anton Scherer (Hrsg.), Die Urheimat der Indogermanen, Darmstadt 1968, S. 214.
Jetzt schau mal auf die Veröffentlichungsdaten aller Werke an.
Ältere Werke mögen Forschungsgeschichtlich interessant sein und auch die eine oder andere, für die damalige Zeit, wichtige Erkenntnisse enthalten haben, aber in der Zwischenzeit ist die Diskussion ja auch viel weiter gegangen.
Ich bin mir nicht sicher, ob Du den Inhalt meines Beitrags zur Kenntnis genommen hast. An der Definition der Indogermanen, die Trubetzkoy 1936 formuliert hat, hat sich bis heute nichts geändert. Die weiteren Ausführungen, die Trubetzkoy seinerzeit daran knüpfte, sind freilich nur noch forschungsgeschichtlich interessant, und ich habe sie überhaupt nicht erwähnt.
Das ganze Problem bleibt doch nach wie vor daß:
1. Eine hypothetische Sprache rekonstruiert wird
2. Diese Sprache dann Sprecher gehabt haben muss die dann
3. Eine Idg. Kultur bildeten.
An 1. finde ich nichts, was grundsätzlich besonders problematisch wäre. Zur Methode der vergleichenden Sprachwissenschaft gehört es - in und außerhalb der Indogermanistik -, daß Wörter, Phoneme, Suffixe und was auch immer aus verwandten Sprachen verglichen werden und daraus Grundformen rekonstruiert werden. Ein Archäologe, der eine abgebrochene Messerklinge und gleich daneben einen Messergriff findet,
rekonstruiert "hypothetisch", daß beide Teile einmal zusammen ein Messer gebildet haben müssen.
Jede historische Wissenschaft lebt davon, ständig etwas zu rekonstruieren, und jeder historisch arbeitenden Wissenschaftler ist sich des Spannngsverhältnisses zwischen Realität und Rekonstruktion bewußt.
Auch die Sprachen des Altertums, die in Textform vorhanden sind, müssen rekonstruiert werden. Was ist das Sumerische? Es ist ein Rekonstrukt. Wir haben lediglich Abdrücke, die mit einem Griffel in eine Tontafel gedrückt wurden, sonst nichts. Welche Silben das waren, wie sie ausgesprochen wurden, was sie bedeuteten, das alles ist eine Rekonstruktion.
Das gilt sogar für so gut bekannte Sprachen wie das Lateinische und Griechische. Wie haben sie geklungen, nach welchen Regeln funktionierten sie, wie hat sich damit der einfache Mann auf der Straße verständigt? Das alles läßt sich nicht direkt untersuchen, sondern nur rekonstruieren.
An 2. ist ebensowenig problematisch. Zu einer Sprache gehören üblicherweise Sprecher. Denkbar wäre natürlich, daß das Sumerische und das Lateinische Kunstsprachen waren, die allein zur schriftlichen Verständigung dienten und niemals von irgendjemand gesprochen wurde, doch ist die Annahme wesentlich plausibler, daß das Lateinische oder auch das Sumerische (soweit sie als gesprochene Sprachen rekonstruierbar sind), auch tatsächlich gesprochen wurden.
Problematisch ist einzig und allein 3., hier sind sich wohl auch die meisten hier einig.
Wenn aber 1 schon fraglich ist und sich 3. keinesfalls beweisen läßt, dann würde ich feststellen, das die Grundannahme schon falsch war.
Ich verstehe nicht, warum eine Grundannahme falsch sein muß, wenn aufgrund logischer Fehler aus dieser Grundannahme falsche oder unbeweisbare Schlüsse gezogen werden.
* * *
Zurück zu meiner Frage: Wie läßt sich Deiner Meinung nach
"beweisen, daß es keine Indogermanen gab"?