beorna schrieb:
Was die Japaner im Kampf bestärkte waren die Werte der Samurai-Ära, kurz bushido.
Da muß ich jetzt leider widersprechen.
Der Weg des Samurai war schon beendet, 1877 versuchten sie ein letztes mal sich zu zeigen und gingen (in der für uns interessanten, militärischen Hinsicht) danach in der Gesellschaft mehr oder weniger auf, auch wenn Bushido weiterlebte. Die Neudefinition dieses Begriffes wurde aber 1899 durch Nitobe Inazô eingeleitet. Dieser westlich erzogene Quäker veröffentlichte das berühmte
"Bushidô, die Seele Japans". Darin werden einige Faktoren variiert und von einem Wertesystem der Elite zu einer, wie es Wolfgang Schwentker ausdrückt, Zivilreligion. Waren die Samurai an ihr kompliziertes System durch ihren Stand gebunden und konnten darin Spielräume durch Intelligenz und einen Rückzug erwägen, so galt dies nun nicht mehr. Dies nur um eine der diversen Veränderungen aufzuzeigen.
Auch wurde Bushido insbesondere während des Krieges gegen Rußland durch Manipulation der Regierung verändert. Hier tauchte erstmals (!) der Begriff des patriotischen Einsatzes zusammen mit meiyo no senshi, also dem ehrenhaften Tod auf dem Schlachtfeld auf.
Diese Manipulation zeigte sich aber gleich doppelt erfolglos. Weder gelang es eben in jenem Zeitraum diesen Gedanken einzupflanzen (was später anders aussah) noch ging vom einfachen Soldaten auch nur das geringste Interesse an den Samuraiwerten aus.
Weder das
Hagakure noch das
Heihô Kaden Sho fand Beachtung oder Leserschaften und die Identifikation mit dem alten Schwertadel wurde Schlichtweg abgelehnt.
In unserem westlichen Blick erscheint also die Nähe der Samurai zur Opferbeitschaft der Soldaten sehr logisch. Aber weder war dies ein bestehendes Faktum, noch die einzige Motivation.
Nach dem Warum hatten wir ja ursprünglich schon gefragt und die Antwort lautete "Gefangenschaft bedeutet Schande".
Während dies durch die Samurai 100 Jahre früher noch als bestehender Wert gelebt wurde bedeutete dies für den Soldaten und insbesondere für die hier schon angeführten Kamikazees einen sozialen Druck. Die Überlebenden Kamikazees sind in ihren heute endlich geführten Dialogen auch keineswegs fanatisch. Die meisten Berichten von einer Verzweiflung und einem absoluten mangel an Todesbereitschaft. Die geistige Einstellung, die hinter den Samurai stand, die Essenz des Bushidô, jeden Tag als letzten anzusehen usw. fehlte diesen Männern meist völlig. Zwang, Druck und psychologische Unterdrückung stellten bei den Fliegern diesen Willen her, wenn sie ihn nicht von selbst an den Tag legten.
Und so findet man auch unter den Fliegern kaum einen, der aus den ehemaligen Samuraiständen kommt. Das liegt zum einen an der Ablehnung, sie galt nicht als ehrenhaftes und erstrebenswerte Waffengattung, zum anderen aber auch an der Einstellung im Geiste.
Alles in allem ist es vermessen von uns Europäern, wenn wir meinen den Geist der Samurai zu verstehen. Selbst die Japaner haben damit ihre Probleme, und diese sind ihren Vorfahren doch eindeutig näher als wir und können deren Gedanken im Original besser verfolgen als wir mit unseren Übersetzungen.
Noch ein Zitat von Schwentker:
Vor dem Hintergrund der nationalistisch-militärischen Aneignung des bushidô vor und während des Krieges überrascht es nicht, daß der Ehrenkodex der Samurai nach 1945 diskreditiert war.
Bleibt festzustellen, dass bushidô eine Rolle spielte, jedoch wäre die Behauptung der Geist der Samurai wäre verantwortlich für die Opferbereitschaft des Volkes falsch. Diese bezogen sich kaum bis gar nicht auf die Samurai, noch heute findet sich bei Inoues "Geschichte Japans" nicht ein Wort auf die Relation zwischen Samurai, bushidô und 2. Wk, der verfremdete bushidô hingegen hinterließ einen sozialen Druck, dem die Soldaten Folge leisteten, wenn sie nicht von diesem "Kult" eingenommen waren. Das Verhältnis von "Überzeugten" und "Gepressten" läßt sich schwerlich feststellen.