Arcimboldo schrieb:
War das J. Hus eigentlich klar, mußte es ihm klar sein ,daß er praktisch als totgeweihter Ketzer nach Konztanz kam so er nicht widerrief ?
Wie steht es mit Karl V. War seine Einstellung zu Hus und Luther nur persönlich humanistisch oder sah er rechtliche Gründe anders zu verfahren mit Luther.
Ob Hus klar war, auf was er sich mit seiner Reise nach Konstanz eingelassen hatte, kann ich nicht sagen. Die Möglichkeit als Ketzer auf dem Scheiterhaufen zu enden, muss ihm aber eigentlich bewusst gewesen sein. Vielleicht hat er auf den Reformwillen des Konzils gehofft und darauf, dass seine Ideen Teil der offiziellen Kirchendoktrin werden könnten. In Fragen der Kirchenreform schien zu diesem Zeitpunkt ja vieles möglich zu sein - dass die
causa reformandi dann aufgeschoben wurde, konnte Hus ja nicht ahnen. Vielleicht sah er in dieser Reise die einzigartige Möglichkeit, mit seinen Ideen die höchsten Vertreter der Christenheit direkt zu beeinflussen. Vielleicht war das für ihn das Risiko wert. Vielleicht sah er aber auch, dass er selbst im
worst case ein Märtyrer der Reformbewegung werden könnte, wie es dann ja auch tatsächlich geschah. Vielleicht verleitete ihn die Begeisterung, die ihm in Prag und auf seinem Weg nach Konstanz entgegenschlug, aber auch einfach zu Fehleinschätzungen. Möglich, dass diese Fragen schon beantwortet sind, so genau kenne ich mich dann mit Hus doch nicht aus, ist also hier viel Spekulation dabei.
Und Karl V. und Luther? Die Parallelen scheinen offensichtlich, aber generell war Karl ja einer Kirchenreform gegenüber sehr aufgeschlossen und auch Luther wollte alles andere als eine Kirchenspaltung. Insofern hoffte anfangs der eine auf den anderen. Zum Zeitpunkt von Worms war ja überhaupt nicht abzusehen, was die kommenden Jahrzehnte mit sich bringen würden. Nicht zuletzt sei auch die hohe persönliche Integrität Karls erwähnt, die es ihm wahrscheinlich nicht leicht gemacht hätte, Luther gegenüber sein Wort zu brechen, wenn das Rechtsverständnis der Zeit ihm das auch erlaubt hätte.
Schini schrieb:
Ich denke, Herold wollte damit ausdrücken, dass sich in der neueren Geschichtswissenschaft eine differenziertere, kontext- und verstärkt quellenorientierte Betrachtungsweise durchgesetzt hat. Während Historiker früher mit Werturteilen mitunter schnell bei der Hand waren, wird heute versucht, das zu vermeiden.
[...]
Deshalb würde mich interessieren, auf welche Literatur du dich berufst?
Ich hatte jetzt gar nicht so konkret an bestimmte Literatur gedacht, sondern mehr die allgemeine Tendenz moderner Geschichtsforschung im Auge. "Die Luxemburger" von Hoensch könnte ich dir nennen, etwas sperrige Sprache, aber für den Überblick ganz gut. Mich hatten die von Konradin meiner Meinung nach etwas vorschnellen Urteile über Karl IV. und Wenzel gestört, die ein Schwarz-Weiß-Bild malen, das so garantiert nicht existiert hat. Sicherlich war Karl IV. ein stärkerer König als Wenzel, aber man sollte doch die unterschiedlichen Voraussetzungen der Herrschaft nicht übersehen, denn da stand Wenzel angesichts Kirchenschisma, rapide steigender Fürstenmacht und (von seinem Vater reichlich versetzten) abnehmenden Reichsgut sicherlich schlechter da. Auch sollte man Wenzels Landfriedenspolitik (Reichslandfrieden 1389) oder sein durchaus nicht ungeschicktes Taktieren in den dynastischen Rivalitäten des eigenen Hauses (die er seinem Vater verdankte) nicht völlig ignorieren. Ganz so simpel ist Geschichte nie und in besonderem Maße gilt das für die verworrenen Fronten im europäischen Spätmittelalter.
Konradins Links schrieb:
...es wird behauptet...soll er einmal...den er angeblich...soll er...
Fällt was auf? Historische Legendenbildung ist schon was feines... Mal ganz abgesehen davon, dass die zitierten "Fakten" jawohl alle Eigenschaften für eine zünftige Horrorstory über einen echt miesen
bad guy bilden: Trunksucht, vergewaltigt Bürgersfrauen, bissige Hunde lieber als eigene Frau, grausame Ermordung des Kochs wegen einer Nichtigkeit... Wer's glaubt... Und die Folter ist natürlich "grausam", die vergewaltigten Bürgersfrauen "respektabel", der Fluss als letzte Ruhestätte "reissend", der ermordete Beichtvater "treu und verschwiegen" - was sind eigentlich Topoi...?