Nun denn, versuch ich das mal wieder sachlich zu beantworten...
El Quijotes Hinweise laufen darauf hinaus, dass bei der Übersetzung auf den Kontext zu achten ist, das "vergisst" Du immer noch manchmal.
Wie Sepiola durch die Anführungszeichen andeutet, vergesse ich den Kontext nicht, sondern beachte ihn absichtlich nicht. Dem ist natürlich nicht so. Nur vergleiche ich bei meinen Schlussfolgerungen über den Sinn des Gemeinten auch andere Quellen oder die Meinungen anderer Historiker über diese Quellen. Ich will es am Beispiel erklären:
Dios Beschreibung enthält eine Menge Andeutungen über die angeblich undurchdringlichen Gefilde in Germanien, ebenso schreibt auch Tacitus auch vom nahezu undurchdringlichen "Dschungel" auf dem Weg zum Saltus.
Nun könnte man ja annehmen, dass solcherart beschriebenes Gelände auch ideal war um den Germanen bei Gefahr ausreichend Schutz vor dem römischen Militär zu bieten. Könnte man doch annehmen, oder?
Nun finde ich aber ausgerechnet in den Quellen offenbar anderslautende Aussagen, z.B, bei Caesar im "Gallischen Krieg". Er berichtet beim zweiten Rheinübergang, der gegen die Sueben gerichtet war, was die Kundschafter der Ubier berichteten (6,10):
"(4) illi imperata faciunt et paucis diebus intermissis referunt: Suebos omnes, posteaquam certiores nuntii de exercitu Romanorum venerint, cum omnibus suis sociorumque copiis, quas coegissent, penitus ad extremos fines se recepisse; (5) silvam ibi esse infinita magnitudine, quae appellatur Bacenis; hanc longe introrsus pertinere et pro nativo muro obiectam Cheruscos ab Suebis Suebosque a Cheruscis iniuriis incursionibusque prohibere."
((4) Jene taten so und berichteten in wenigen Tagen, dass sich die Sueben bei der Nachricht vom Anrücken der Römer mit all ihren einzelnen Streitkräften und denen ihrer Hörigen tief hinein bis an die äußerste Grenze ihres Landes zurückgezogen hätten. (5) Dort sei er der ungeheuer große Wald Bacenis (Buchenwald - Ostfale), der, gewissermaßen eine natürliche Grenzmauer, Sueben und Cherusker voneinander trenne, indem er Einfälle und Beschädigungen unmöglich mache.)
Schlussfolgernd über den Sinn des Gesagten komme ich zum Ergebnis, dass im ganzen Suebenland keine ausgedehnten Urwälder vorhanden waren, die einigermaßen Schutz boten, man sich bis an den Rand des Gebietes zu diesem Zweck zurückziehen musste (in einen Buchenwald, der kaum Unterholz haben dürfte!)
Gut, wir sind hier wahrscheinlich südlich des Harzes, wie sieht es nördlich aus?
Tacitus berichtet, dass nach der Idistavisoschlacht, die in 16 nachweislich an der Weser stattfand, die Cherusker folgendes taten (Annales,2,19):
"qui modo abire sedibus, trans Albim concedere parabant,..."
(Sie, die eben eben noch Vorkehrungen trafen, ihre Wohnsitze zu verlassen und über die Elbe zurückzuweichen,...)
Verstehe ich hier den Sinn des Gemeinten richtig, dass im gesamten Cheruskergebiet keine ausreichend undurchdringlichen Gebiete vorhanden waren, dass sich der gesamte Stamm also gezwungen sah über die Elbe auszuweichen?
Aber laut Dio befand sich doch Varus bereits nach kurzer Zeit, vor Beginn der Angriffe gegen ihn, in schwer passierbarem Gelände. Dio (56,20,1) schreibt (ins Deutsche übersetzt):
"Das Gebirge war nämlich reich an Schluchten und uneben, die Bäume standen dicht und überhoch gewachsen, so dass die Römer schon vor dem feindlichen Überfall mit dem Fällen der Bäume, dem Bauen von Wegen und Brücken, wo es sich erforderlich machte, große Mühe hatten."
Hier befinden sich also weder Wege noch Brücken, die Bäume bilden (sinngemäß) fast eine Mauer. Und da müssen die Cherusker über die Elbe, wo doch in der Nähe solch zum Schutz der Leute idealer Urwald, nebst Gebirge, vorhanden war?
Überhaupt war doch, wenn ich den Sinn des Gemeinten in den Texten Von Dio, Paterculus und Tacitus richtig verstanden habe, bis auf kleine Siedlungsflecken alles voll von solchen Wäldern und Mooren. Trotzdem flohen die Germanen (oder sie hatten es vor) bis an oder über ihre Gebietsgrenze, bis sie einigermaßen schuzbietendes Gebiet erreichten!
Dann erreichen mich auch noch folgende Informationen:
Zum Charakter der germanischen Landschaft stellte Matthias Bode (Wie erreichte Tiberius den kranken Drusus?
Überlegungen zur Reise des Tiberius durch Hessen 9 v. Chr.)
erst kürzlich fest:
"Um zu erklären, wie Tiberius seine Rettungsmission organisiert hat, müssen die traditionellen Annahmen zur Landschaft in Hessen überdacht werden. Denn Tacitus’ verregnete Urwälder Germaniens würden enorme Hindernisse für die Römer mit sich bringen. Der taciteische Dschungel aber hat den Blick auf die ökologischen Realitäten jener Tage verstellt. Angesichts der überlieferten Geschwindigkeitsangaben muss man konstatieren, dass Drusus und dann Tiberius bei der Rettungsmission keine Probleme mit der Landschaft hatten. Im Gegenteil: Die gesamte Reise muss sich in landwirtschaftlich genutztem Offenland abgespielt haben. Im Gegensatz also zur traditionellen Vorstellung von den Urwäldern Germaniens wird für die zu bereisenden Gebiete ein deutlicher Anteil von Offenland angenommen."
Und weiter:
"Die weitgehend offene Landschaft wird von vielen Wegen durchzogen gewesen sein. Wege und Triften verbanden die Siedlungen untereinander und diese mit besonderen Orten wie Warten, oppida, Heiligtümern, Furten, Pässen, Bergwerken, Salinen usw. Einige dieser Wege müssen sicherlich eine überregionale Bedeutung besessen haben. Wenn sich Strabo erregt, die Germanen führten eine Art »Guerilla-Krieg«, in dem sie die unwissenden Römer im Unklaren über die Straßen und die Nahrungsvorräte ließen, dann zeigt dies, dass die Straßen vorhanden waren, man sie nur finden musste."
Er stellt abschließend fest:
"Es ist für Tiberius unmöglich, mit leichter Reiterei in einem undurchdringlichen Dschungel zu operieren. Tiberius kann niemals hoffen, den Leichnam des Drusus auf römisches Gebiet zu schaffen, wenn er sich von Baum zu Baum, von Tal zu Tal in unwegsamem Waldgebiet durchschlagen muss.
Die genannten Reisezeiten sind nur in einer offenen, durch Wege und Triften erschlossenen Kulturlandschaft denkbar. Anders formuliert: Da Drusus auf dem Rückweg eines Feldzuges vom Pferd fällt und Augustus im Winter der Prozession entgegengeht, entsteht ein Zeitrahmen, der nur durch die Annahme einer offenen Kulturlandschaft zwischen dem Sommerlager und Mainz erklärbar wird."
Bei meinen Schlussfolgerungen über den Sinn des Gemeinten, grade am Beispiel der "campi", habe ich dann immer solche Überlegungen im Kopf und Zweifel am Wahrheitsgehalt des Geschriebenen drängen sich auf, zumal, wie an anderer Stelle diskutiert, mit dem ominösen saltus bei Tacitus möglicherweise keine Landschaft bezeichnet wurde, sondern ein in den Anfängen befindliches Landgut gemeint sein könnte.
Das Ganze ist jetzt ein wenig umfangreich geworden, aber ich hoffe, es ist kein sinnfreier Klamauk.
Grüße
Ostfale