Lukrezia Borgia
Moderatorin
Die Grausamkeit ist meiner Meinung nach, nicht an der Statistik der Urteile abzulesen, sondern eher daran, wie es zum Urteil kam. Wie oft wurde gefoltert, um zu einem Ergebnis zu kommen. Schließlich hat er darüber auch ein Buch geschrieben, oder?
Ein Auszug aus dem Buch gefällig? Tolle et lege! feif:
Bernardo Gui schrieb:Wenn ein Ketzer zum ersten Male zum Verhöre vorgeführt wird, so nimmt er eine zuversichtliche Miene an, als ob er sich sicher sei im Gefühle seiner Unschuld. Ich frage ihn, warum er vor mich gebracht sei. Lächelnd und artig erwidert er: Herr, es würde mich freuen, von Euch den Grund zu erfahren!
Ich: Ihr seid angeklagt, ein Ketzer zu sein und anders zu glauben und zu lehren als die heilige Kirche.
Angeklagter (indem er seine Augen gen Himmel erhebt und eine Miene gläubiger Frömmigkeit annimmt): O Gott, du weißt, dass ich dessen unschuldig bin und dass ich niemals irgendeinen anderen Glauben bekannt habe als den des wahren Christentums.
Ich: Ihr nennt euren Glauben christlich, weil ihr unseren für falsch und ketzerisch anseht; aber ich frage Euch, ob Ihr jemals einen anderen Glauben für ebenso wahr gehalten habt, als den, welchen die römische Kirche für wahr hält.
A: Ich glaube den wahren Glauben, den die römische Kirche glaubt und den ihr uns öffentlich lehrt.
Ich: Vielleicht leben einige eurer Sekte in Rom. Diese nennt Ihr die römische Kirche. Wenn ich predige, so rede ich von vielen Dingen, von denen einige uns beiden gemeinsam sind, z.B. dass es einen Gott gibt, und Ihr glaubt etwas von dem, was ich predige. Nichtsdestoweniger könnt Ihr ein Ketzer sein, weil Ihr andere Dinge glaubt als die, welche geglaubt werden müssen.
A: Ich glaube alles, was ein Christ glauben muss.
Ich: Ich kenne eure Schliche. Was die Mitglieder Eurer Sekte glauben, das haltet Ihr für das, was ein Christ glauben muss. Aber wir verlieren Zeit bei diesem Wortstreite. Sagt einfach: Glaubt Ihr an den Einen Gott, den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist?
A: Ich glaube es.
Ich Glaubt Ihr an Jesum Christum, geboren aus der Jungfrau, der gelitten hat und auferstanden und aufgefahren ist gen Himmel?
A (freudig und schnell): Ich glaube.
Ich: Glaubt Ihr, dass bei der von dem Priester zelebrierten Messe das Brot und der Wein durch göttliche Kraft in den Leib und das Blut Jesu Christi verwandelt werden?
A: Sollte ich das nicht glauben?
Ich: Ich frage nicht, ob Ihr das glauben sollt, sondern ob ihr es glaubt.
A: Ich glaube alles, was Ihr und andere gute Doktoren mir zu glauben versteht.
Ich: Diese guten Doktoren sind die Lehrer Eurer Sekte; wenn ich mit ihnen übereinstimme, glaubt Ihr auch mir; wenn nicht, nicht.
A: Ich glaube gern wie Ihr, wenn Ihr mich lehrt, was gut für mich ist.
Ich: Ihr haltet es für gut, wenn ich dasselbe lehre, was Eure anderen Lehrer auch lehren. Sage also, glaubst du, dass der Leib unseres Herrn Jesu Christi auf dem Altare ist?
A (schnell): Ich glaube es.
Ich: Ihr wisset, dass ein Leib da ist, und dass alle Leiber von unserem Herrn sind. Ich frage Euch, ob der Leib, der dort ist, der Leib des Herrn ist, der geboren war von der Jungfrau Maria, der am Kreuze gehangen hat, der von den Toten auferstanden und gen Himmel gefahren ist usw.?
A: Und Ihr, Herr, glaubt Ihr es nicht?
Ich: Ich glaube es durchaus.
A: Ich glaube es ebenso.
Ich: Ihr glaubt, dass ich es glaube; aber ich frage Euch nicht darnach; ich fragte euch vielmehr, ob Ihr es glaubt?
A: Wenn Ihr alle meine Worte in anderer als in klarer und einfacher Weise auslegen wollt, dann weiß ich nicht mehr, was ich sagen soll. Ich bin ein einfacher und unwissender Mann. Ich bitte Euch, mir keine Schlinge aus meinen eigenen Worten zu machen.
Ich: Wenn Ihr einfach seid, so antwortet mir einfach ohne Ausflüchte.
A: Gerne.
Ich: Wollt Ihr also schwören, dass Ihr nie etwas gelernt habt, was dem Glauben, den wir für wahr halten, widerspricht?
A (erbleichend): Wenn ich schwören muss, so schwöre ich gerne.
Ich: Ich fragte nicht, ob Ihr schwören müsst, sonder ob Ihr schwören wollt.
A: Wenn Ihr mir befehlt, zu schwören, will ich schwören.
Ich: Ich will euch nicht zwingen, zu schwören, weil Ihr, da Ihr Eide für ungesetzlich haltet, mir, der ich Euch zwang, die Sünde zuschieben würdet; aber wenn Ihr schwören wollt, will ich Euren Eid entgegennehmen.
A: Warum soll ich schwören, wenn Ihr es mir nicht befehlt?
Ich: Damit Ihr den Verdacht, ein Ketzer zu sein, von Euch abwälzet.
A: Mein Herr, ich weiß nicht, wie ich schwören soll, wenn Ihr es mich nicht lehret.
Ich: Wenn ich zu schwören hätte, so würde ich meine Hand aufheben, meine Finger ausstrecken und sagen: So wahr mir Gott helfe, habe ich nie Ketzerei kennengelernt, noch etwas geglaubt, was im Widerspruch steht zum wahren Glauben.
Alsdann stottert er, als ob er die Formel nicht wiederholen könnte, so dass kein förmlicher Eid herauskommt und man doch glaubt, er habe geschworen. Oder er verdreht die Worte so, dass er gleichfalls nur scheinbar schwört. Oder er verandelt den Eid in eine Gebetsformel. z. B.: "Gott helfe mir, dass ich kein Ketzer bin!" Gefragt, ob er geschworen habe, wird er sagen: "Hörtet Ihr mich nicht schwören?" Wird er dann weiter hart gedrängt, so fängt er an, an das Mitleid des Richters zu appellieren, indem er spricht: "Mein Herr, wenn ich in etwas Unrecht getan habe, so will ich gerne Buße tragen; nur helft mir, von einer Anklage mich zu reinigen, der ich aus Bosheit und ohne mein Verschulden preisgegeben wurde." Aber ein energischer Inquisitor darf nicht zugeben, dass in solcher Weise auf ihn eingewirkt wird; er muss vielmehr entschlossen vorgehen, bis er solche Leute entweder zum Geständnis ihres Irrtums oder zur öffentlichen Abschwörung dre Ketzerei veranlasst, so dass sie, wenn sich später herausstellt, dass sie falsch geschworen haben, ohne weiteres Verhör dem weltlichen Arme überliefert werden können. Wenn jemand darin einwilligt, zu schwören, dass er kein Ketzer ist, so sage ich zu ihm: "Wenn ihr nur schwören wollt, um dem Scheiterhaufen zu entgehen, so wird weder Eid noch zehn, noch hundert, noch tausend genügen, weil ihr Euch gegenseitig von einer gewissen Zahl von Eiden, die ihr in einer Zwangslage geleistet habt, dispensiert; ich werde daher unzählige Eide fordern. Außerdem werden Euch Eide, wenn ich, wie ich glaube, Beweise wider Euch besitze, Euch nicht vor dem Feuertode bewahren. Ich werdet nur euer Gewissen beflecken, ohne dem Tod entgehen zu können. Wenn ihr dagegen einfach Euren Irrtum bekennt, könnt Ihr Gnade finden!" Ich habe Menschen gesehen, die, in solcher Art bedrängt, schließlich Geständnisse ablegten.
Zit. nach H. Ch. Leo: Die Inquisition, S. 221-224