Geschichte der russischen Kriminalität
Das wichtigste Machtinstrument der OGPU waren Gerüchte, die über die jeweiligen "kriminellen Autoritäten" in der kriminellen Welt verbreitet wurden. So konnte beispielsweise das Image eines bestimmten Verbrechers aufgebaut werden, in dem Gerüchte verbreitet wurden, die betreffende Person sei bei polizeilichen Verhören besonders standhaft gewesen. Oft gab es nicht einmal direkte Kontakte zwischen OGPU und den "kriminellen Autoritäten". Es wurde vielmehr ein Umfeld geschaffen, in dem die Bildung einer von den "kriminellen Autoritäten" beherrschten Ordnung begünstigt wurde. Zu der stillen Übereinkunft gehörte es ebenfalls, daß sich die "kriminellen Autoritäten" und ihre Gruppierungen nicht in die wirtschaftlichen und politischen Prozesse des Landes einmischten. Der Beschluß über diese Strategie ist im Dekret Nr. 108/65 der OGPU vom 8. März 1931 fixiert, das den Einsatz von gewöhnlichen Verbrechern im Kampf gegen die "Volksfeinde", die politischen Häftlinge, erlaubte.
Damit wurde de facto eine Klassenunterteilung der Häftlinge in "Bytowiki" (gewöhnliche Verbrecher) und "Volksfeinde" geschaffen. Die "kriminellen Autoritäten" begannen bald darauf, sich in der kriminellen Welt als "vory v zakone", als "Diebe im Gesetz", zu bezeichnen. Sie bildeten die kriminelle Elite der Sowjetunion und trugen zur Stabilisierung und Konsolidierung der kriminellen Welt bei. Ihr Ansehen bei den Kriminellen ermöglichte es ihnen, Konflikte und Streitigkeiten zu schlichten, so daß sie bald die Rolle eines Schiedsgerichtes für die kriminelle Welt einnahmen. Ein in den 30-er Jahren entstandenes "Diebesgesetz" half den "kriminellen Autoritäten", ihre Macht zu festigen. Es existierte jedoch nie eine Niederschrift dieses Gesetzes, vielmehr handelt es sich um Verhaltensprinzipien, die sich aus der kriminellen Praxis ergaben und nach denen die Kriminellen leben mußten. All diese Umstände trugen erheblich zur Bildung eines kriminellen Organismus innerhalb der Sowjetunion bei, der mit der Zeit zunehmend an Autonomie gewann.
Eines der wichtigsten Prinzipien der kriminellen Welt war die Nichteinmischung in die Politik und das Fernhalten vom öffentlichen Leben. Dieses Prinzip beruhte, wie bereits erwähnt, auf einer stillen Übereinkunft mit den staatlichen Strukturen. Es hatte seinen Ursprung zum Teil aber auch in einer "kriminellen Romantik", die das verklärte Idealbild einer "kriminellen Bruderschaft" hervorbrachte, welche nicht nach den Werten der etablierten Gesellschaft leben wollte. Dieses Prinzip der Nichteinmischung sollte in den 80-er Jahren und dem schleichenden Zerfall der Sowjetunion in Frage gestellt werden und damit die Transformation der sowjetischen kriminellen Welt zur heutigen "Russenmafia" beschleunigen.
Die Ost - Mafia wirkte lange im Paralleluniversum - solche Strukturen,
wie im zittierten Aufsatz beschrieben - funktionierten im vielen osteuropeischen Ländern, mitunter kaum greifbar, nicht sichtbar.
Ziemlich lose vernetzt.
Sie hatten bis in die 80 - 90 er keine (oder kaum) Verbindung zu
"staatlich" sanktionierten O.K. die oben als Pendant zu amerikanischen
Mafia im Ostblock gleichgesetzt werden.
Interessant ist die Geschichte einer Gang aus der Nähe von Warschau,
die Ende der 90-er von der Polizei zerschlagen wurde. Sie zählte zu
dem Zeitpunkt ca 1000 - 1500 Mitglieder, "tätig" im Drogenhandel,
Autodiebstahl, Schmugel, Erpressung und auf dem Feld der Auftragsmorde.
Die Gruppe soll bereits mit der Politik vernetzt gewesen sein.
Kernzelle war aber eine kriminelle Vereinigung, deren Geschichte sich
bis in die 60 - 70 - er verfolgen lässt. Die ältestem Mitglieder verband
gemeisame Wirkung auf dem Feld der Kleinkriminalität - Diebstahl,
einbrüche, Erpressung der illegalen, halblegalen Unternehmungen in
der Grauzone der sozialistischen Planwirtschaft, Devisenhandel usw.
Weiteres verbindendes Mittel war - wie bei den großen Vorbildern -
die Schweigenpflicht, deren Verletzung mit Racheakten geahndet
wurde. Das beliebte Werkzeug war hier das alte gute Rasiermesser -
die Sitte stammte noch aus der Vorkriegszeit.
Jedenfalls stehen die Ost - Mafiosi nicht ohne Wurzel da. Und diese
haben nicht nur die Gestalt eines korrupten Apparatschiks.