Nun, ist es nicht so, daß irgendwann die Säule "Legion" ein Übergewicht bekam bei der Nachfolgeregelung? Interessant ist die Frage, warum kam es zu diesem Übergewicht und wie hätte man es politisch vermeiden können. War es nicht schon unter Tiberius, als erstmal eine Rheinlegion seinen Legaten zum Kaiser ausrief? Der Kaiser hatte allerdings damals noch leichtes Spiel damit.
Die Soldatenkaiser erkannten dann ihre Abhängigkeit von den Legionen und erhöhten die Soldzahlungen signifikant. Ebenso erwartete man von jedem neuen Kaiser große Geschenke an die Soldaten und ein solcher Wechsel passierte nun sehr häufig. Insgesamt wuchs der Verteidigungshaushalt enorm an.
Auch diese militärische "Nachfolgeregelung" war keinesfalls stabil sondern mündete oft in aufwendige Bürgerkriege, die die Volkswirtschaft weiter belasteten. Auch durch Requirierung, Plünderung und Mord an der Zivilbevölkerung. Nicht nur bei einem Wechsel sondern auch während der Amtszeit gegen aufkommende Usurpatoren.
Dem wird oft entgegengehalten, daß es im 3ten Jahrhundert immer noch zu Bautätigkeit kam und auch die Bevölkerung gewachsen sein soll. Auch sind Militärausgaben im Grundsatz nix Negatives, wie die Gemeinden, deren Bundeswehrstandorte gerade geschlossen werden, bestätigen werden. Allerdings wissen wir auch, daß ein notorischer überzogener Militärhaushalt eine Volkswirtschaft überlastet.
Ich will die Leistungen der Soldatenkaiser hier nicht schmälern. Sie haben das Reich in hervorragender Weise erfolgreich verteidigt, trotz all der widrigen Umstände. Es geht mir darum, daß es in der komplexen Struktur der Ursachen des Niedergangs des RR neben den üblicherweise genannten aussenpolitischen und wirtschaftlichen Gründen eben auch systemimmanente ursachen im politischen System gab, die schon sehr früh gelegt wurden, auch wenn sie in den "glorreichen" Tagen des Prinzipats noch nicht offensichtlich virulent waren. Das fragile Konstukt der Legitimation könnte hier eine dieser politischen Ursachen sein.
Was ist an Loyalität nicht optimal?
Und waren nicht in der gesamten Zeit seiner Existenz das starke Militär und die loyale Verwaltung die tragenden Säulen der römischen Großmacht?
Ich will die Loyalität nicht negativ überbewerten. Aber war es denn eine Loyalität mit dem Staat oder eine mit der Person? Ganz im Sinne des romischen Patronatsystems war der Princeps nicht der Staat sondern als Milliardär unter Millionären der größte Patron. Staaten haben immer recht stabil funktioniert, wenn die Spitze austauschbar war. Obwohl sich auch im niederen Beamtentum Ägyptens bei einem Kaiserwechsel wohl eher wenig getan hat.
Führte diese Loyalität zu einer Person und nicht dem Staat als solches nicht zu suboptimalen Entscheidungen? Gerade bei der Besetzung der Legionslegaten. Auch wurden Legionen zunehmend so verteilt, daß Usurpatoren keine Chance hatten, was nicht kongruent sein musste mit militärischer Notwendigkeit. Eine weitere erfolgreiche Expansionspolitik hätte größere Verbände erfordert und damit im sicheren Fall immer den persönlichen Oberbefehl des Kaisers. War dies mit ein Grund, warum Expansion nach Augustus nur in Maßen erfolgte? Wie oft haben Kaiser in unfähige potentielle Nachfolger investiert oder sind fahige ermordet worden, so daß diese Investitionen verpufften?
Große Teile des Staatshaushaltes wurden ganz im Sinne des Patronats der kaiserlichen Klientel zu Teil. Zum einen die Masse der volkswirtschaftlich unproduktiven Sozialhilfeempfänger in Rom, die ich aber nicht überbewerten möchte. Zum anderen aber auch den treuen Adel, der in weiten Teilen nicht weniger unproduktiv und unbesteuert war. Auch wurde der Adel, oder sagen wir besser die Intelligentia des gesamten Reiches, in Teilen bewusst von der politischen Macht ferngehalten und so ihre Leistungsfähigkeit nicht genutzt. Wenn Loyalität zur täglichen Paranoia wird und neben suboptimalen Entscheidungen auch enorme Kosten im volkswirtschaftlichen Bereich vorwiegend im unproduktiven Bereich verursacht, dann sehe ich sehr wohl eine Mitverantwortung in der Art, wie Loyalität gehandhabt wurde, an dem langfristigen wirtschaftlichen Niedergang und punktuell kurzfristigen Miserfolgen.
Abschliessend stelle ich mir die Frage, was man in diesem System der Alleinherrschaft mit republikanischen Mitteln hätte verändern müssen, um die permanente Bedrohung eines Militärputsches und auch, wenn auch weniger, von innen durch den Adel zu vermeiden. Es gab ja durchaus andere Staaten in der Geschichte mit großem stehenden Heer, die dieses Problem nicht hatten oder es zumindest besser im Griff haben. Ein Augustus verstand es auf dem Klavier dieses hochkomplexen republikanischen Sonderkonstrukts des Prinzipats virtuos zu spielen. Nur waren seine Nachfolger nicht alle so genial wie er.
Ich sage auch nicht, daß das System schlecht war. 500 Jahre sind eine großartige Leistung. Aber am Ende hat es versagt; auch aus politischen Gründen. Und begonnen hat es nicht erst in Adrianopel.
PS: ich versuche gerade krampfhaft, nicht auszuschweifen und mich auf das Problem der Legitimation als Element des politschen Systems zu beschränken. Was der Komplexität des Themas nicht ganz gerecht wird. Eine breitere Diskussion zum Untergang wird ja bereits in einem anderen Thread geführt. Wenn ein Mod meint, einige Posts verschieben zu müssen, solls mir recht sein.