Hallo, Forengemeinde!
Da dies mein erster Post ist, grüße ich erstmal alle.
Was die Ausgangsfrage betrifft, fürchte ich, dass es eine zufriedenstellende Antwort wohl nicht geben kann. Welche Völker siedelten in NRW? Vermutlich alle. Bei dem Versuch der Zuordnung eines Siedlungsgebiets stößt man zwangsläufig auf eine Reihe von Problemen (und noch mehr Probleme würde man bekommen, wenn man daraus dann auch noch eine "Kontinuität" der damaligen Bevölkerungen bis heute ableiten wollte).
Problem 1: Ab der späten Latènezeit lösen sich "feste Siedlungen" keltischer Bewohner zunehmend auf, schon zuvor sind neue ("germanische") Volksgruppen in den hiesigen Siedlungsraum eingewandert. Und diese neuen Gruppierungen waren offenbar ihren "nomadischen" Wurzeln noch recht nah. Das heißt, dass diese Gruppen alles andere als ortsfest waren. Die hatten kein Problem damit, Sack und Pack zusammenzuraufeln und wegzuziehen - sei es, weil ihnen ihre Äcker nicht gefielen, sei es weil sie bösartige Nachbarn hatten oder weil sie selbst bösartig waren. Für dieses Phänomen gibt es zahlreiche Beispiele, angefangen mit Kimbern und Teutonen.
Problem 2: Hinsichtlich schriftlicher Quellen über die Aufenthaltsorte germanischer (und keltischer!) Stämme im rechtsrheinischen Gebiet können wir uns nur auf römische Geschichtsschreiber stützen. Die allerdings waren erstens "romzentriert" und zweitens schlampig im Umgang mit Stammesnamen und Ortsangaben. Welcher Stamm wo genau wohnte, war denen im Grunde egal. Von Belang war das nur, soweit römische Interessen davon berührt waren. Diesen Autoren genügte es in der Regel, allgemein von "Barbaren" (nur in seltenen Fällen nennen sie Stammesnamen) zu reden und ihre Siedlungsbegiete als "rechts des Rheins" anzugeben. Wo es genauere Ortsbeschreibungen gibt, sind die so eindeutig wie "haud procul Teutoburgiensi saltu". Unsere "zeitgenössischen Geschichtsschreiber" wie Dahn stützen sich auf die römischen Quellen und können deshalb keine "neuen Wahrheiten" vermitteln. Nur den alten Quatsch und Spekulationen.
Problem 3: Bei genauerem Hinsehen, wird schon fast zweifelhaft, ob die unter verschiedenen Namen in Erscheinung tretenden Stämme überhaupt verschiedene Stämme waren. Immer wieder haben sie ihre Stammeszugehörigkeit selbst "abgelegt". Die Gruppen, die ab Mitte des 3. Jahrhunderts zunehmend die Rheingrenze bedrängt haben, haben sich "Franken" genannt. Die Franken waren aber kein Stamm sondern ein Stammesverband, anfangs vermutlich sogar nur eine Ansammlung von Angehörigen verschiedener Stämme, die ein gleiches "Anliegen" (Plünderung) hatten. Auf ähnliche Weise ist nach Tacitus ja schon die Selbstbezeichnung "Germanen" entstanden.
Problem 4: In den vergangenen Jahren haben Ausgrabungen neue Erkenntnisse erbracht. Aber die beantworten eigentlich keine Fragen sondern werfen eher neue auf. Ein Beispiel: Im Bereich der Lippe-Mündung sind zahlreiche Gräber gefunden worden, die eindeutig auf eine Rhein-Weser-germanische Besiedelung hindeuten. Zwischendrin waren aber über längere Zeiträume hinweg auch immer wieder Gräber, die eindeutig Elb-germanische Elemente aufwiesen - und immer traten beide Elemente gleichzeitig auf, was auf eine "Durchmischung" der Bevölkerung hindeutet.
Mein Fazit: Weder die Stämme noch ihre Siedlungsgebiete lassen sich mit heutigem Erkenntnisstand klar von einander unterscheiden. Vielleicht hat es solche klaren Unterscheidungen auch nie gegeben.
Meiner Ansicht nach waren die Stämme damals einfach zu mobil, als dass man sie heute - 2000 Jahre später - noch fassen könnte.
Da dies mein erster Post ist, grüße ich erstmal alle.
Was die Ausgangsfrage betrifft, fürchte ich, dass es eine zufriedenstellende Antwort wohl nicht geben kann. Welche Völker siedelten in NRW? Vermutlich alle. Bei dem Versuch der Zuordnung eines Siedlungsgebiets stößt man zwangsläufig auf eine Reihe von Problemen (und noch mehr Probleme würde man bekommen, wenn man daraus dann auch noch eine "Kontinuität" der damaligen Bevölkerungen bis heute ableiten wollte).
Problem 1: Ab der späten Latènezeit lösen sich "feste Siedlungen" keltischer Bewohner zunehmend auf, schon zuvor sind neue ("germanische") Volksgruppen in den hiesigen Siedlungsraum eingewandert. Und diese neuen Gruppierungen waren offenbar ihren "nomadischen" Wurzeln noch recht nah. Das heißt, dass diese Gruppen alles andere als ortsfest waren. Die hatten kein Problem damit, Sack und Pack zusammenzuraufeln und wegzuziehen - sei es, weil ihnen ihre Äcker nicht gefielen, sei es weil sie bösartige Nachbarn hatten oder weil sie selbst bösartig waren. Für dieses Phänomen gibt es zahlreiche Beispiele, angefangen mit Kimbern und Teutonen.
Problem 2: Hinsichtlich schriftlicher Quellen über die Aufenthaltsorte germanischer (und keltischer!) Stämme im rechtsrheinischen Gebiet können wir uns nur auf römische Geschichtsschreiber stützen. Die allerdings waren erstens "romzentriert" und zweitens schlampig im Umgang mit Stammesnamen und Ortsangaben. Welcher Stamm wo genau wohnte, war denen im Grunde egal. Von Belang war das nur, soweit römische Interessen davon berührt waren. Diesen Autoren genügte es in der Regel, allgemein von "Barbaren" (nur in seltenen Fällen nennen sie Stammesnamen) zu reden und ihre Siedlungsbegiete als "rechts des Rheins" anzugeben. Wo es genauere Ortsbeschreibungen gibt, sind die so eindeutig wie "haud procul Teutoburgiensi saltu". Unsere "zeitgenössischen Geschichtsschreiber" wie Dahn stützen sich auf die römischen Quellen und können deshalb keine "neuen Wahrheiten" vermitteln. Nur den alten Quatsch und Spekulationen.
Problem 3: Bei genauerem Hinsehen, wird schon fast zweifelhaft, ob die unter verschiedenen Namen in Erscheinung tretenden Stämme überhaupt verschiedene Stämme waren. Immer wieder haben sie ihre Stammeszugehörigkeit selbst "abgelegt". Die Gruppen, die ab Mitte des 3. Jahrhunderts zunehmend die Rheingrenze bedrängt haben, haben sich "Franken" genannt. Die Franken waren aber kein Stamm sondern ein Stammesverband, anfangs vermutlich sogar nur eine Ansammlung von Angehörigen verschiedener Stämme, die ein gleiches "Anliegen" (Plünderung) hatten. Auf ähnliche Weise ist nach Tacitus ja schon die Selbstbezeichnung "Germanen" entstanden.
Problem 4: In den vergangenen Jahren haben Ausgrabungen neue Erkenntnisse erbracht. Aber die beantworten eigentlich keine Fragen sondern werfen eher neue auf. Ein Beispiel: Im Bereich der Lippe-Mündung sind zahlreiche Gräber gefunden worden, die eindeutig auf eine Rhein-Weser-germanische Besiedelung hindeuten. Zwischendrin waren aber über längere Zeiträume hinweg auch immer wieder Gräber, die eindeutig Elb-germanische Elemente aufwiesen - und immer traten beide Elemente gleichzeitig auf, was auf eine "Durchmischung" der Bevölkerung hindeutet.
Vergiss die alten Karten. Ich habe welche gesehen, auf denen Tenkterer und Usipeter NÖRDLICH der Sugambrer angesiedelt waren. Neuere Grabungsbefunde belegen, dass die Sugambrer im Mündungsgebiet von Lippe und Ruhr ansässig waren und dass es bei Bensberg (gleich östlich von Köln) und bei Königswinter (nahe Bonn) "Oppida" (also Siedlungen mit deutlich keltischen! Zügen) gegeben hat, die ebenfalls den Sugambrern zugeordnet werden können. Wo war denn dann für Tenkterer und Usipeter überhaupt noch Platz? Und wenn die Tenkterer tatsächlich zwischen Sieg und Lahn gesessen hätten, warum hätten sie dann dem Druck der Sueben (die übrigens offenbar auch kein Stamm sondern ein Stammesverband waren) ausweichen und nach Gallien ausrücken müssen, obwohl doch die Sugambrer zwischen Sueben und Tenkteren gesessen haben müssten? Und wo saßen dann zum Beispiel die Marser?Auf allen einschlägigen historischen Karten kannst du gut erkennen, dass die Tenkterer rechtsrheinisch zwischen den Flüssen Sieg und Lahn saßen - also mitten im Westerwald!
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Die Sugambrer saßen nördlich der Tenkterer, etwa zwischen den Flüssen Ruhr und Sieg.
Mein Fazit: Weder die Stämme noch ihre Siedlungsgebiete lassen sich mit heutigem Erkenntnisstand klar von einander unterscheiden. Vielleicht hat es solche klaren Unterscheidungen auch nie gegeben.
Hier setzt sich die oben geschilderte Verwirrung fort. Auch die Sachsen waren kein Stamm sondern ein Stammesverband. Beispiel: Teile der Brukterer haben ab 350 n.Chr. das linke Rheinufer besiedelt, Teile blieben rechts des Rheins zurück. Die linksrheinischen Brukterer gingen im Stammesverband der Franken auf (waren vielleicht sogar eine treibende Kraft bei seiner Gründung), die rechtsrheinischen gehörten später zum Stammesverband der Sachsen - und bei der Schlacht auf den katalaunischen Feldern haben fränkische und sächsische Brukterer gegeneinander gekämpft. Waren die Brukterer jetzt Sachsen oder Franken?Die Westfalen waren ursprünglich ein Teilstamm der Sachsen.
Meiner Ansicht nach waren die Stämme damals einfach zu mobil, als dass man sie heute - 2000 Jahre später - noch fassen könnte.
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