Militärischer Zweck des Talus

Als Kinder spielten wir Jungs mit Ritterburgen und Figuren der Marken Elastolin und Hausser, so etwas bekamen wir zu Weihnachten geschenkt.
Es waren teure Spielzeuge, nicht jede Familie konnte sich dieses Spielzeug leisten...

Der historische "Talus" war damals natürlich kein Thema, wie auch. Aber es ist ein interessantes Thema, vielen Dank für alle Beiträge!

Micha
PS Es gibt einige "Dioramen" zu dem Thema...
 
Um sich unter der Mauer herzugraben
das hört sich auf den ersten Blick so einfach, so unproblematisch an - vielleicht sollte man einen Blick auf die räumlichen Dimensionen solcher Minengänge/Stollen werfen.

Erstaunlich ist da die Kraterschlacht – Wikipedia 1864. Die passageren Verteidigungsstellungen um Petersburg sollten an einem relevanten Abschnitt vom Angreifer gesprengt werden. Das alles ist nichts unbekanntes - für uns interessant ist aber folgendes:
Der Plan der Bergleute aus Pennsylvania wurde von den Heerespionieren geringschätzig betrachtet. Schließlich war es noch nie gelungen, einen Stollen über eine Länge von mehr als 120 m unter eine Stellung zu treiben. Deshalb erhielt Oberstleutnant Pleasants keine personelle oder materielle Unterstützung durch den Armeepionierführer.
letztlich erhielt dieser Minengang eine Länge von 155m - - nun, das war 1864.

Die Konterminen von Fort I (Modlin) kann man besichtigen, sie sind von ca 1880 - sie reichen lediglich ins Vorfeld (etwas über das Glacis samt Drahthindernis hinaus)
Die Pläne der Konterminen (Minengalerien) der Bundesfestung Luxemburg sind erhalten: die unterirdische Vorbereitung (Horchminen am weitesten vorgetrieben) reichten ein wenig über das Glacis (Schussfeld der Nahverteidigung) hinaus.
Die Konterminen der Festung Rheinfels kann man besichtigen, diese wurden im Ende des 17. Jhs. gebaut/gegraben, sie reichten ein klein wenig ins Vorfeld/Glacis.
=> die unterirdische Kriegsführung im Festungskampf 16./17.-19.Jh. benötigte, um überhaupt einsetzen zu können, eine sehr dichte Annäherung an die zu unterminierenden Stellungen/Befestigungen (100-200m) - auf dieser nahen Distanz war man längst im Bereich der Handfeuerwaffen...

Retour zum spätmittelalterlichen Tolus und spätmittelalterlichen Angriffsminen/stollen: diese wurden erst kurz vor dem Zwinger, zumeist erst von der Grabensohle aus angelegt (begannen also weitaus näher an der Befestigung, sozusagen im Nahbereich)
 
Das Bungay Castle in Suffolk wurde 1174 "angegraben" und hatte wahrscheinlich einen Wassergraben.
Nur waren Wassergraben und innere Umfassungsmauer bereits überwunden, als man direkt am Hauptturm zu graben begann. Dieser hatte zwar keinen Talus, aber ein ausgeprägtes Fundament.
Bungay+Castle.jpg


Rekonstruktion Gesamtanlage:
Bungay%20Castle-8%2009042011%20162727.jpg


Tunnelbau (eingezeichnet als Mine Gallery):
Fig-3-Map-of-the-Castle-Motte--1100x1536.jpg

Angeblich die Mine:
1965467_078312aa.jpg


Der Untergrund scheint mir mit oder ohne Talus für eine Mine besonders geeignet. Gelegentlich liest man, dass dort auch eine Kontermine gegraben wurde. Wie das vor sich ging, liegt außerhalb meiner Vorstellungskraft.

A propos Tunnel unter Burg: Barbarossas Leute gruben vor Tortona auch einen Tunnel zum Roten Turm. Hierzu habe ich eine Latein-Verständnis-Frage für die Spezialisten:

Was meinte Otto von Freising im Folgenden?

non solum turres machinis quati, sed etiam inusitato satis utens artificio cuniculos versus turrim Tarquinii, quae Rubea dicebatur, fieri iubet, ut sic ad turrim ipsam per ipsos subterraneos meatus procedentes, fundamento leso, eam ruinae darent.

Gab es ein ungewöhnliches Mittel um den Tunnel zu graben oder ist das Graben des Tunnels bereits das Ungewöhnliche?
 
Ich denke dass der Ablativus absolutus "fundamento laeso" vorgibt, dass - kausal oder zeitlich - der Rote Turm durch Beschädigen des Fundaments zur Ruine gemacht wurde, ohne dass die Belagerer über den Tunnel in die Burg eindringen mussten.
Mir fällt dabei Feuersetzen als damals gängige Bergbautechnik ein.
 
Ich denke dass der Ablativus absolutus "fundamento laeso" vorgibt, dass - kausal oder zeitlich - der Rote Turm durch Beschädigen des Fundaments zur Ruine gemacht wurde, ohne dass die Belagerer über den Tunnel in die Burg eindringen mussten.
Mir fällt dabei Feuersetzen als damals gängige Bergbautechnik ein.
Das sehe ich auch so, doch womit bauten sie den Tunnel?
Es geht mir um die Bedeutung des "inusitato artificio". Das wird manchmal als "ungewöhnliches Gerät" oder sogar als Maschine übersetzt.
z.B. in The Medieval Siege, Jim Bradbury, 1992, Seite 90

Könnte aus Sicht Ottos hier nicht einfach nur der Tunnelbau an und für sich eine "außergewöhnliche Kunst" gewesen sein?
 
"Ungewöhnliches Gerät" oder gar "Maschine" halte ich für eine allzu gewagte Übersetzung. Man sollte schon "mit einem ungewöhnlichen Mittel" o. ä. im Sinne von Methode, Kunstgriff o. ä. übersetzen.

Ob das Tunnelgraben an sich für Otto ungewöhnlich war oder er die angewandte Methode (gemeint wohl das Beschädigen des Fundaments) als ungewöhnlich empfand, lässt sich meiner Meinung nach aus dem Text nicht entscheiden, ich neige aber zu Ersterem.
 
"Ungewöhnliches Gerät" oder gar "Maschine" halte ich für eine allzu gewagte Übersetzung. Man sollte schon "mit einem ungewöhnlichen Mittel" o. ä. im Sinne von Methode, Kunstgriff o. ä. übersetzen.

Ob das Tunnelgraben an sich für Otto ungewöhnlich war oder er die angewandte Methode (gemeint wohl das Beschädigen des Fundaments) als ungewöhnlich empfand, lässt sich meiner Meinung nach aus dem Text nicht entscheiden, ich neige aber zu Ersterem.
Ich neige auch zur Interpretation, dass hier der Tunnelbau vorgestellt und als ziemlich ungewöhnlich deklariert wird. Es soll ja durch die Gegenmaßnahmen (Kontermine) der Tortonesi gar nicht zu einer Beschädigung des Turms gekommen sein. Trotzdem versuchte man es dann 4 Jahre später bei Crema nochmals.
Es stellt sich die Frage, ob der Tunnelbau bei Belagerungen 1155 wirklich so ungewöhnlich war bzw. warum sie Otto als ungewöhnlich betrachtete.

Während Bradbury noch von einem "unusual device" schreibt ist es in der englischen Wiki eine "engine to bore a tunnel" und in der deutschen Übersetzung wird daraus ein "Motor".
Belagerung von Tortona
 
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Ganz egal was zum Einsatz kam: es wird keine Technik gewesen sein, die besser war als der Bergbau jener Zeit.

Spekulativ wäre der Begriff "artificium" auch im Sinne des französischen "feu d'artice" zu deuten, also als eine kunstsinnige Feuerapparatur. Einblasen von Luft mit Blasebalg und Röhren, Einblasen von Teer und Salpeter oder Metalloxiden über Siphons, also eine Abwandlung des griechischen Feuers. Den damit erreichbaren Temperaturen hält keine Tunneldecke stand.

Interessant auch dass er den Plural verwendet, "cuniculos". Normalerweise hätte man sich auf einen Tunnel beschränkt.
 
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