Dann möchte ich einmal noch einige Anmerkungen meinerseits zur Ergänzung von
Gloife beisteuern...
Dies ist eine Frage, die ich teils kontrovers diskutiert aus Living history Foren kenne. Für mich gibt es einen bestimmten Grad der möglichen Annäherung, der aber niemals 100 % betragen kann. Das geht nur, wenn wir wieder in der damaligen Zeit mit gleicher geistiger Haltung, sozialem Gefüge, Infrastruktur etc. leben
Genau so sollte man das Fechten, wie das Schneidern, aber auch den Versuch der Nachstellung einer Feldschlacht sehen.
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Das selbe gilt für mich für eine Feldschlacht, sie kann ohne zu bestreiten verwertbare Ergebnisse erzielen, allerdings eben mit gewissen Einschränkungen, die schon allein durch die unbedingte minimierung des Verletzungsrisikos bestehen. Auch der psychische Faktor wird daher heute um einiges geringer in die Bewertung mit eingehen, als wenn man um sein Leib und Leben fürchtet.
Kann sein, dass ich das von dir gesagte falsch aufgefasst habe. Falls dem so wäre bitte ich um Entschuldigung, aber ich wollte hiermit meine Ansicht/Meinung nochmals präzisieren.
Im von timotheus genannte Thread hatten wir uns schon mal theortisch um die taktischen Möglichkeiten einer Waffengattung in der Feldschlacht unterhalten. Dahingehend wäre es möglich mit einer eher geringen Anzahl von Kämpfern eine funktionierende Simulation aufzubauen.
Dito.
Sowohl die Problematik als auch die Diskussionen dazu sind mir bekannt; und ich möchte es einmal anhand der Punkte Schneidern und Kampf versuchen, kürzestmöglich auf den Punkt zu bringen.
Beim Schneidern besteht das Problem, daß man den Unterschied zwischen Maschinennähten und Handnähten sieht, so daß Maschinennähte - wenn überhaupt - nur für verdeckte Nähte zum Einsatz kommen sollten, um ein Gewand zu erreichen, welches - wie wir in der Living History immer so schön sagen - so nah wie möglich am historischen Original ist. Andererseits aber birgt die Umsetzung von Handnähten ein Problem, welches oftmals unterschätzt wird: über die notwendige Präzision in der Ausführung der Stiche verfügt heute kaum mehr jemand, da dies damals durch Lernen von Kindesbeinen an geschah, während wir heutzutage gewöhnlich quasi mit der Nähmaschine bzw. fertig genähter Kleidung aufwachsen.
Beim Kampf treffen nun wiederum mehrere Aspekte zusammen: der grundsätzliche Aspekt ist zunächst einmal, daß von uns heutzutage kaum jemand an das regelmäßige Tragen einer Rüstung - ob hochmittelalterlicher Kettenpanzer oder spätmittelalterliche Plattenrüstung, sei einmal dahingestellt - und/oder den Umgang mit damals vorherrschenden Waffen von früher Jugend an gewöhnt ist. Der nächstwichtige Aspekt ist - wie bereits von
Gloife angestoßen - der Umstand, daß bspw. beim Nachstellen von Feldschlachten (Schlachtenreenactment) wir beim Kämpfen genaugenommen das Gegenteil von dem verfolgen, was beim historischen Vorbild Ziel war: wenn ich bspw. im Johanniterkontigent gegen Sarazenen stehe, so stellen wir zwar einen Kampf aus der Zeit der Orientkreuzzüge dar bzw. nach, aber nachdem der Termin gelaufen ist, schütteln wir uns die Hände und gehen zusammen bspw. noch etwas trinken. In der historischen Realität hätten weder die Ordensritter noch die Sarazenen auf die Gesundheit bzw. Unversehrtheit des Gegners Wert gelegt!
Allerdings muss ich dem Argument des Bedarfes an Schwertkämpfer und der daraus gezogenen Schlussfolgerung, dass Fechten nur Sport und niemals "authentisch" sei widersprechen. Ich gebe zu, dass man durchaus froh sein kann, dass die erlernten Techniken nicht mehr im "harten Einsatz" gebraucht werden müssen, aber ohne ein Training, bei dem der Partner überlebt, wird sicher auch niemand im Mittelalter das Fechten erlernt haben. Ein heutiger Soldat trainiert genauso möglichst realistisch den Ernstfall, zu dem es hoffentlich doch nie kommt.
Die Umsetzung der alten Schriften steht und fällt halt leider mit der Interpretation, da man heutzutage "nur" auf die Erfahrung aus anderen Kampfsportarten zurückgreifen kann.
Hier möchte ich jedoch nochmals hinzufügen, daß sich der Schwertkampf als Kampfkunst erst im Spätmittelalter (das
I.33/Towerfechtbuch als frühester Beleg ist von ~1300 oder nur geringfügig früher) entwickelte.
Daß sich natürlich allgemeine Schlüsse bzgl. der Verwendung der Waffen und dem Grundprinzip des bewaffneten Kampfes ziehen lassen, ist unbestritten.
Das Problem ist allerdings immer, wie von Aurelian bereits beschrieben, die Masse an verlässlichen, gut trainierten und ausgerüsteten Kämpfern zusammen zu bekommen. Reiterattacken und Auswirkung lassen sich meines erachtens schon alleine aufgrund des hohen Verletzungsrisikos nicht oder nur sehr schwer nachstellen.
Reiterattacken sind auch eine Thematik, welche in der Living History schon heiß diskutiert wurde...
Bei Reiterangriffen scheitert natürlich zunächst die Umsetzung eines solchen Angriffes - zur Verdeutlichung: für das 12./13. Jh. sprechen wir dabei fast immer vom Schockangriff mit eingelegter Lanze! - bereits am Risiko für diejenigen, welche angegriffen werden.
Außerdem müßten die Pferde dafür auch entsprechend ausgebildet sein - was schon einmal im Ansatz scheitern muß, denn wie damals Pferde ausgebildet wurden bzw. wie mit Pferden umgegangen wurde (Stichwort: Willen des Tieres brechen), ist heute geradezu Tierquälerei.
Der damals gewollte Effekt, daß bspw. ein
Destrier (Schlachtroß) sowohl gegen andere Pferde als auch gegen Menschen ausschlug und um sich biß (Gewährenlassen des Dominanzverhaltens von Hengsten), muß heutzutage konsequent unterbunden werden.
Zwiespältig zu betrachten sind scharfe Trensen, die heute nur noch bei bestimmten Pferdetypen, z.B. dem
Percheron, verwendet werden dürfen! Auch muß der (nicht sichtbare) Unterbau des Sattels mit modernem Material gearbeitet werden, weil die authentische Holz-Leder-Konstruktion auf Dauer dem Pferderücken schadet.
Aber auch für den Lanzenangriff gibt es ein Problem, welches gelöst werden muß: Die Lanze wird dicht unter die rechte Achselhöhle eingeklemmt und in der Form geführt, daß die Spitze nach links über den gebeugten Pferdehals zeigt, wobei der Winkel zwischen Lanzenachse und Längsachse des Pferdes so gering wie möglich zu halten ist. Mit dieser Haltung werden zwei Dinge optimal genutzt: die Deckung gegen den Gegner durch den (Dreiecks-)Schild sowie der vom galoppierenden Pferd ausgehende Schub. WICHTIG ist hierfür jedoch unbedingt, daß das Pferd im Rechtsgalopp geht, da es dabei den Kopf ehedem leicht nach rechts wendet und somit nur wenig von der vorgestreckten Lanze irritiert wird!
Anm.: Verfügt man beim Kampf Reiter gegen Reiter über ein größeres und v.a. schwereres Tier, so ist es auch möglich, die Lanze bzw. den Stoß über die Ohren des Pferdes zu führen...
Dies zur grundlegenden Technik und einmal abgesehen davon - hier gilt wieder das selbe wie oben bereits angesprochen -, daß es einen gewaltigen Unterschied macht, ob auf beiden Seiten im realen Leben befreundete Leute stehen bzw. reiten und dies in einer - übrigens sehr aufwendigen und schwierigen und zudem nicht ganz ungefährlichen - Choreographie (Fußkämpfer öffnen Lücke, damit die Reiter bzw. Pferde durchkommen und v.a. sie selbst keinen Schaden nehmen) trainieren ODER ob sich wirklich Feinde gegenüberstehen, denen das Überleben der gegnerischen Kämpfer herzlich egal ist!
Anm.: Mit diesen Ausführungen sind wir jetzt natürlich von der Thematik des Historischen Fechtens ziemlich abgekommen...
Und Spass haben trotzdem alle, sonst würde das keiner machen :winke:
Meine Unterschrift darunter hast Du; siehe meine Ausführungen oben.
Aber über die Umsetzng eines solchen Projekts in einem möglichen und engen Rahmen sollten wir allerdings reden. Ich denke, dass so etwas noch nie gemacht wurde.
Unsere Johannitergruppe hat bereits an einem Schlachtenreenactment im Kontext der Orientkreuzzüge teilgenommen, und dort war der Grundgedanke dafür auch vorhanden. Lediglich in der praktischen Umsetzung wurden mE zu viele Kompromisse gemacht, die dann IMHO nicht sein dürfen: wenn z.B. eine Gruppe (Namen bzw. Hintergrund nenne ich hier nicht) nicht als Teil des Verbandes agieren möchte, sondern lieber als "Heldengruppe" faktisch im Rampenlicht stehen will, dann führt dies jeden guten Ansatz ad absurdum... :fs: