Im Frühmittelalter gab es keinen Staat. Der Staat ist etwas abstraktes, dass einen gewissen philosophischen Hintergrund voraussetzt. Die Philosophie war am Ende der Antike verschwunden. Zur Zeit Karls des Großen bemühte sich Alkuin, sie wieder zu beleben.
Dadurch sind die politischen Gemeinwesen der Zeit nicht so einfach zu fassen:
Die Interpretation dieser Dinge ist immer ein wenig im Schwung. Etwa gibt es da die Vorstellung des Personenverbandsstaats, der vom König über persönliche Beziehungen regiert wird, die durch Geschenke und Feudalbindungen aktualisiert werden. Zeitgenössisch ist die Vorstellung, dass Christus die Gewalt in der Welt an Kaiser und Könige gegeben hat. Die Stellung des Papstes und der Kirche dabei wurde unterschiedlich gesehen. Gleichberechtigt, untergeordnet oder übergeordnet. Allerdings ging man davon aus, dass die Herrschaft eine gemeinschaftliche sein sollte, Kriege zwischen christlichen Reichen im Prinzip ausgeschlossen. Zwischen Christen soll Frieden herrschen. Eine Haltung, die die Katholische Kirche bis heute im Grundsatz nicht aufgegeben hat. Auch das Reich als Besitz des Herrschers ist eine Sichtweise, die z.B. aus den Stammesrechten deutlich wird. Bei all dem darf man sich nicht groß an Widersprüchen stören, da es sich um die Verbindung von tradierten Vorstellungen untereinander und mit neuen Gedanken handelte, die sich nicht an der Vernunft orientierte, sondern an der Vorstellung, was 'richtig' ist.
Die Entwicklung kann allenfalls an einigen Punkten gefasst werden und konnte einige Jahre später schon anders aussehen. Das Frankenreich war zu Beginn der Herrschaft Karl des Großen ein anderes Gebilde als bei seinem Tod. Eine Differenzierung von Kaiserherrschaft und Königsherrschaft stand dabei auch mit am Anfang der Entwicklung eines neuen Staatsgedankens. Dabei gestaltete der König seine Herrschaft nach dem als richtig empfundenen Herkommen, während der Kaiser auch gemäß der Gerechtigkeit gestalten sollte.
Und hier spielte z.B. schon die Philosophie in Gestalt der berühmten Worte zwischen dem Räuber und Alexander dem Großen von Augustinus hinein:
"Was anderes sind also Reiche, wenn ihnen Gerechtigkeit fehlt, als große Räuberbanden? Sind doch auch Räuberbanden nichts anderes als kleine Reiche. Auch da ist eine Schar von Menschen, die unter Befehl eines Anführers steht, sich durch Verabredung zu einer Gemeinschaft zusammenschließt und nach fester Übereinkunft die Beute teilt. Wenn dies üble Gebilde durch Zuzug verkommener Menschen so ins Große wächst, dass Ortschaften besetzt, Niederlassungen gegründet, Städte erobert, Völker unterworfen werden, nimmt es ohne weiteres den Namen Reich an, den ihm offenkundig nicht etwa geschwundene Habgier, sondern erlangte Straflosigkeit verleiht." (Zitiert nach
Wikipedia.)
Statt von Staaten spricht man hier meist von Reichen oder primitiven Staaten und spricht das jeweilige System direkt an. Also das fränkische Reich der Karolinger oder das salische Reich.
Erst während des Hochmittelalters setzte sich die Vorstellung vom Staat wieder durch. Die Antwort Konrad II. an die Pavesen ist dazu bezeichnend: "Ist der König tot, so bleibt doch das Reich bestehen, ebenso wie ein Schiff bleibt, dessen Steuermann gefallen ist." Die ganze Episode ist
bei Wikipedia geschildert.
Das entwickelte sich dann weiter zur verschiedenen Vorstellungen vom Absolutismus und auch einigen anderen Vorstellungen. Diese Entwicklung nachzuzeichnen wäre schon eine kleine Philosophiegeschichte der Zeit. Heutige Begrifflichkeiten sind nicht geschaffen, um damalige Staaten zu beschreiben. Hier hilft vielleicht schon der
Wikipedia-Artikel zur Staatstheorie weiter.
Wenn Du Dich über 'primitive' Staaten informieren willst, ist vielleicht ethnologische Literatur besser. Der Neoevolutionismus ist schon wieder veraltet, aber wenn man es nur als Beschreibung möglicher politischer Organisation liest, ist Peter Farb, Die Indianer, München 1988 noch erhellend. Und die Einteilung der politischen Organisation hat sich nicht soweit verändert, dass sie nicht mehr brauchbar wäre. Es ist eben eines dieser Bücher, dass eine wissenschaftliche Theorie gut verständlich darstellt und dem nichts gleichwertig Modernes gegenüber steht, während es natürlich zum Thema 'Indianer' zu Hauf modernere Darstellungen für ein breiteres Publikum gibt. Zur Verteidigung ethnologischer Schriftsteller ist zu sagen, dass es danach (wieder) komplizierter wurde.