Bei den von mir aufgeführten Stadtstaaten ist das mitnichten der Fall. Gesamtbevölkerung und "Bürger" waren keineswegs identisch. Nur letztere hatten das Wahlrecht..
Das widerspricht meiner These nicht. Der demos (hier die Bürger als eine Teilmenge der Gesamtbevölkerung) bestand aus Gleichen unter Gleichen. Das war ja meine Aussage. Fraglich ist allerdings, ob dann Deine These stimmt, dass man nämlich die Stadtstaaten als Musterbeispiel für Demokratie herziehen kann, wenn nur ein Teil des Volkes mit den vollen Bürgerrechten ausgestattet war.
Eine Schwierigkeit gibt es nur dann, wenn eine oder mehrere dieser ethnischen Gruppen von einem nationalistischen Verständnis ausgehen und aus Gruppenegoismus und Abgrenzung gegenüber den "anderen" nicht akzeptieren können, mit anderen einen gemeinsamen "demos" zu bilden.
In diesem Fall kann der Nationalismus geradezu zum Hemmschuh für die Demokratie werden.
Ein besonders drastisches Beispiel haben wir in Deutschland 1933.
Womit wir uns wieder dem Thema nähern. .
Das ist etwas kurz gegriffen. Eine Abgrenzung des demos gibt es immer, dies hat nicht der Nationalismus erfunden. Die Frage ist nur unter welchen Kriterien. Jeder Staat hat Kriterien, die den demos definieren - wer zum demos gehören soll und wer nicht. Das liegt in der Natur der Sache. Kein Gemeinwesen gewährt beliebig Zugang zu den Bürgerrechten. Es gibt immer ein "wir" und ein "die". Der Nationalismus unterscheidet sich hier von anderen Politikentwürfen lediglich dadurch, dass er eben als eine Zugangsvoraussetzung eine bestimmte Volkszugehörigkeit fordert.
Was 1933 angeht, so war der Hemmschuh für Demokratie sicher nicht der Nationalismus des NS. Der Hemmschuh für die Demokratie war der totalitäre Charakter des NS. Das Totalitäre ist allerdings keine zwangsläufige Konsequenz aus dem Nationalismus. Nationalismus ist nicht zwingend an autoritäre Regime gekoppelt. Ich behaupte, dass es auch einen demokratischen Nationalismus geben kann (etwa 1848). Und wenn wir schon einmal dabei sind: Ich wage mich mal vor und behaupte, dass der NS keine nationalistische Bewegung war. Er war chauvinistisch, nicht nationalistisch. Die Gleichsetzung von Nationalismus und Chauvinismus halte ich für einen leichtfertigen Denkfehler. Ich versuche mich mal an einer Definition von Nationalismus: Nationalismus ist ein Politikansatz, der im Gegensatz zu etatistischen Ansätzen (bspw. Verfassungspatriotismus) die Nation im Sinne der Einheit aller schicksalhaft verbundenen Menschen gleicher Herunft, gemeinsamer Kultur und Geschichte (also einer Ethnie) in einem geschlossenen Siedlungsraum zum Mittelpunkt seines Handelns macht. Aus dieser Sichtweise allein läßt sich zunächst keine Aggressivität gegenüber anderen Ethnien ableiten. Kommt eine aggressive oder imperialistische Komponente dazu, dann wird aus dem zunächst wetfreien Nationalismus Chauvinismus. Dies ist beim NS der Fall. Daher ist meine These, dass es sich beim NS nicht um eine nationalistische, sondern um eine chauvinistische Bewegung gehandelt hat. Zumal ein nationalistischer Staat auch gewiss nicht aus taktischen und machtpolitischen Erwägungen Teile seines Volksgebietes (Südtirol) aus der Hand geben würde.
Das Recht auf kulturelle Identität wird ja durch eine sich vornehmlich funktional verstehende Demokratie keineswegs beschnitten.
Es sei denn, man versteht unter "kultureller Identität" die kulturelle Trennung von allem "Fremden" (-> "ethnische Säuberung") bzw. die "Gleichschaltung" der übrigen.
Das kann aber erst recht nicht der Sinn von Demokratie sein.
Sorry, aber das ist polemisch. Zur Sache: Ja, ich verstehe unter "kultureller Identität" die Trennung von Fremdem. Nicht von allem per se, aber doch so, dass die eigene Identität gewahrt bleibt. Das hat doch aber nichts mit ethnischer Säuberung oder Gleichschaltung zu tun.