Nun erinnere ich mich an einen Vortrag des Frankfurter Historiker Johannes Fried, der meinte, das in den Kreuzzügen erworbene logistische Wissen war Grundlage für die im 15. Jahrhundert von den Portugisen begonnene weltweite Expansion Europas.
Solche Hypothesen wie die von Fried haben natürlich eine gewisse Anziehungskraft. Um genau zu verstehen, was er meint, müsste man seinen Begriff von "Logistik" genauer kennen.
Was die Portugiesen usw. betrifft, so findet man eine sehr eingehende Diskussion der Voraussetzungen für deren Aktivitäten bei J. H. Parry, Das Zeitalter der Entdeckungen von 1450 bis 1630 (Kindler Kulturgeschichte, 1963, S. 37-257), worin er u. a. eingeht auf
- kaufmännische Erfahrung und finanzielle Basis
- Konstruktion der Schiffe
- Seeleute und ihre Tauglichkeit
- Lotsenkunst und Navigation
- Seekarten und Landkarten
- Kriegstüchtigkeit der Männer und Schiffe
Es ist natürlich ein gewisses Maß an Spekulation dabei, wenn man entscheiden will, ob das "Schippern übers Mittelmeer" einen wesentlichen, womöglich sogar entscheidenden Beitrag bei der Entwicklung und Erprobung bestimmter Faktoren geleistet hat.
Sicher ist jedenfalls nach Parry, dass die Mittelmeerschiffer bestimmte Werkzeuge und Verfahren eher zur Verfügung hatten als etwa die Seeleute der Nordländer. Er beschreibt das am Beispiel der Lotsenbücher und der Methoden für die Orts- und Kursbestimmung: Gegen Ende des 13. Jahrhunderts bereits hätten italienische und katalanische Seeleute "Logtafeln" (Toleta de Marteloio) verwendet, die auf bestimmten grundlegenden Elementen der ebenen Trigonometrie beruhten. Auch Seekarten waren im Mittelmeer spätestens im 13. Jh. in Gebrauch, während sie in Nordeuropa bis Mitte des 17. Jh. "beinahe unbekannt" waren.
Ob ein direkter Zusammenhang mit der "Kreuzzugstätigkeit" besteht, ist freilich schwer zu sagen - genauso gut kann man vermuten, dass die neuen "logistischen" Erkenntniszuwächse im Zuge der intensiven
Handelstätigkeit im Mittelmeer - vor, während und nach den Kreuzzügen! - gewonnen worden sind.